Blocher und Merz
Es gehört heute zu einem gewissen politischen Stil, auf Bundesrat Christoph Blocher einzudreschen. Bashing heisst das. Wer Blocher in die Pfanne haut, hat immer recht. Das ist die gleiche Einstellung wie diejenige der Blocher-Anhänger, die auf ihre Gegner hauen. Auch sie haben recht, weil sie sagen, dass es so ist. Es ist das Gleiche, nur umgekehrt.
Ich bin in einigen Punkten mit Blocher und der SVP einverstanden, in einigen nicht. Es geht mir genau gleich wie mit der SP, mit der ich in einigen Sachfragen übereinstimme, in anderen nicht. Die Grenzlinien verlaufen heute quer durch die Parteien und Meinungen, nicht zwischen ihnen.
Blocher hat eine klare Meinung, die er deutlich ausspricht. Damit ruft er scharfe Reaktionen hervor, aber das ist immer noch besser als unpräzises Lavieren. Was die Gegner Blochers betrifft, wäre es besser, sie würden mit Nachdruck eine eigene Position vertreten, statt durch ihre Kritik an Blocher zu sagen, was sie nicht meinen.
In dieser Situation entgeht die Politik von Bundesrat Hans-Rudolf Merz der öffentlichen Aufmerksamkeit. Dieser kleine, unauffällige Mann, der so aussieht, als sei er eben aus dem Schlaf gerissen worden, ist in Wirklichkeit ein effizienter, aber hartgesottener Animator im Dienst seiner Wählerschaft.
Er hat eine grosse Vision, an deren Umsetzung in die politische Praxis er mit besorgter Miene unverdrossen arbeitet: Umverteilung. Die Steuern für die Wohlhabenden müssen gesenkt werden, den Anderen wird Sparpolitik verordnet. Das ist auch eine eindeutige Position, aber unter falschem Vorwand: Dass es auf diese Weise allen besser gehe, die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft gestärkt werde (die nie in Frage stand), durch Wachstum Arbeitsplätze geschaffen werden und so weiter. Was alles nicht oder nur halb stimmt, vor allem, wenn man sieht, wie eine gepflegte Minderheit Superlöhne und Abgangsentschädigungen kassiert, Dividenden bezieht, an der Börse Gewinne macht oder ihre Firmen verkauft, dabei Milliarden verdient (Fall Bertarelli) und dabei noch geschützt und geschont wird. Dieses Land ist ein Paradies für Casino-Patrioten.
Merz' neuester Coup: Er will Grossaktionäre und Investoren und damit Unternehmen entlasten. Dividendenbezüger sollen nur teilweise zur Kasse gebeten werden, weil ja zuvor schon die Firmengewinne versteuert wurden ("wirtschaftliche Doppelbelastung"). Stimmte diese Argumentation, müsste die Mehrwertsteuer sofort abgeschafft werden.
Mit Geschenken sollen gute Steuerzahler angelockt werden, denen aber schon im Voraus ein Teil der Steuern erlassen worden sind. Sind das noch gute Steuerzahler? Natürlich müssen sie einen Obolus entrichten, sonst wäre es nicht recht. Aber nicht zuviel! Weil sie sonst auswandern und sich in einem anderen Kanton niederlassen, der ihnen zusätzliche Vergünstigungen anbietet.
Demnächst wird der Kanton Obwalden die Steuern wohl ein weiteres Mal senken müssen, weil alle Kantone es inzwischen ebenfalls getan haben und der Vorsprung aufgebraucht ist.
PS: Würde Christoph Blocher das Finanzdepartement leiten, würde er zweifellos die gleiche Politik betreiben wie Hans-Rudolf Merz.
2. Oktober 2006
"Vermögenssteuer wurde nur ausgesetzt"
Herr Dreher ist in seinen Ausführungen ungenau, was die Verhältnisse um die Vermögenssteuer in Deutschland betrifft. 1997 hat das deutsche Bundesverfassungsgericht die Berechnungs- und Erhebungsart der damaligen Vermögenssteuer (zu der noch der Solidaritätsbeitrag, den die Regierung Kohl wegen der deutschen Vereinigung erhoben hatte, kam) als verfassungswidrig erkannt. Die Vermögenssteuer wurde danach durch die letzte Regierung Kohl nicht abgeschafft - das Vermögenssteuergesetz ist bis heute meines Wissens nicht novelliert - , sondern dessen Berechnungs- und Erhebungsart wurde lediglich ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht hatte insbesondere die zu wenig genaue Berücksichtigung von Immobilienbesitz in der Steuerberechnung kritisiert und als Ungleichheit beanstandet. Nicht beanstandet wurde die Verfassungsmässigkeit einer Vermögenssteuer.
Seither wird in Deutschland über die Berechnungs- und Erhebungsart der Vermögenssteuer gestritten. Durch das revidierte Grundgesetz, in welchem das Verhältnis zwischen Bund und Ländern präzisiert und teilweise neu geregelt wird, käme eine Vermögenssteuer als Steuersubstrat ausschliesslich den Bundesländer zu Gute. Deshalb ist es ziemlich sicher, dass in Kürze die entsprechende Gesetzesnovelle auf die diversen Parlaments- und Regierungstische in Deutschland kommt - vermutlich im Zusammenhang mit der neuen Unternehmensbesteuerung.
Dass eine Novellierung eines Gesetzes dann besonders lange dauert, wenn es die Reichen betrifft, die mit dem Status quo am besten fahren, wundert natürlich nicht.
Alois-Karl Hürlimann, Berlin
"Es sind nicht immer nur rechte Capitalisten"
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass in Deutschland bereits 1974/75 (in dieser Zeit) die Steuergutschrift auf Dividenden deutscher Unternehmen für deutsche Steuerinländer eingeführt worden war.
Wir hatten damals ein Klientendepot bei der Deutschen Bank in Deutschland. Als Dividenden auf VW-Aktien ausgeschüttet wurden, gab es DM 12.00 Dividende pro Aktie und DM 6.00 Steuergutschrift für Steuerinländer, als Kompensation der Steuern, welche der Konzern in Deutschland bezahlt hatte, um eben diese wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Dividenden zu vermeiden.
Unser Klient war zwar Deutscher, wohnte aber in der Schweiz, also konnten wir für ihn die Steuergutschrift nicht geltend machen.
Eingeführt wurde diese Steuergutschrift von der sozialliberalen Koalition Schmidt/Genscher. Sie war einer der Preise, welche die SPD für den Koalitionsvertrag mit der FDP und damit die Macht im Land zu zahlen hatte. Die deutsche FDP konnte sich durchsetzen. Trotz schlechter wirtschaftlicher Lage der öffentlichen Hand wurde noch nie angeregt, diese Steuergutschrift sei rückgängig zu machen.
Unabhängig davon darf ich noch ergänzen, dass in Deutschland (und Oesterreich) auch die Vermögenssteuer abgeschafft wurde. Ob von der rotgrünen Regierung Schröder oder schon zuvor noch unter Kanzler Kohl bin ich mir nicht sicher. Sicher bin ich mir jedoch, dass Rotgrün keinen Versuch unternommen hatte, sie wieder einzuführen. Man stelle sich mal das Theater vor, wenn ein bürgerlicher Bundesrat zum Beispiel via Steuerharmonisierungsgesetz die Vermögenssteuer abschaffen wollte! "Steuergeschenke an die Reichen" wäre wohl das Minimum.
Es sind also nicht immer nur rechte Capitalisten, welche den Staat aushungern möchten und was der Sprüche mehr sind.
Mike Dreher, Zollikon
"So wird das System an die Wand gefahren"
Es wird den Führern des Kapitalismus genauso gehen wie den Führern des Katholizismus und des Kommunismus: Wer grob gegen die Regeln verstösst und für sich die Ausnahmen in Anspruch nimmt, fährt das ganze System an die Wand!
Es war schon die Erfahrung der Freiwirtschafter, dass das Geld nicht in wenigen Blasen zusammengehalten werden soll, sondern in der Wirtschaft verteilt, wie das Blut im Körper. Nun ratet mal, wo sich das Geld zusammenstaut! Wirtschaften bedeutet Risokoverteilung statt nur Risikomanagement.
Bundesrätin Leuthard hat mich beeindruckt: Sie mahnte einen Nationalrat, nicht nur den fetten Auftrag aus Ungarn in die Tasche zu stecken, sondern auch sein Scherflein der Milliarde beizusteuern! Gut so!
Peter Thommen, Buchhändler, Basel