Ist Basel eine verhinderte Stadt?
Machtvoll ertönt in der Kampfzone ein neuer Schlachtruf: Verhinderer. economiesuisse hat ihn in Umlauf gesetzt, um damit die angeblich unzulässigen demokratischen Hindernisse zu brandmarken, die der freien Wirtschaft in den Weg gestellt werden. Inzwischen haben ihn auch die Medien aufgenommen, um ihre Aufgabe besser wahrnehmen zu können, das Lokalgut zu schützen ("Basler Zeitung", 3. Juni 2006).
Natürlich ist es nicht die Absicht, mit dem Ausdruck Verhinderung Kritik oder Einwände rundweg zu verbieten, nur sollten sie bitte "massvoll" ausfallen. Das erinnert an den Satz von Friedrich Dürrenmatt, dass wir "gehorsame Demokraten" zu sein haben, und an den Ausspruch vom "landesüblichen Mass an Kritik" des früheren Bundesrats Rudolf Gnägi.
Widersprüchliche Meinungen sind fast immer ärgerlich. Das finden die Befürworter einer Sache von den Gegnern, aber die Gegner umgekehrt auch von den Befürwortern. Meistens ist die Hälfte der Menschheit vor den Kopf gestossen - von der anderen Hälfte.
Verhinderung ist ein Bulldozer-Begriff, der alles niederwalzen und die Bahn frei machen soll. Von einer Fundamentalopposition der Verhinderer zu sprechen, übersieht die Tatsache, dass es auch eine Fundamentalbejahung gibt, die genauso bedenklich ist.
Es gibt in Basel ein paar Projekte, die umstritten sind: Messe, Stadt-Casino und einige andere. Die Parteivertreter dieser Bauvorhaben scheinen unter dem Eindruck zu stehen, dass sie freie Fahrt haben. Dass nichts sie aufhalten kann oder darf. Dass sie über den Verfahrensweisen stehen. Sie legen ein Bauprojekt vor und sind "fassungslos", dass jemand Einspruch erhebt. Sie betrachten die Stadt wie selbstverständlich als ihr Eigentum, ihre Spielweise. Man kann daher kaum behaupten, dass die Zukunft Basels auf dem Spiel steht, aber offen lassen, ob vielleicht eine bessere vereitelt wird.
Beim Messebau geht es weder um die Bedeutung der Messe, noch den Kopfbau, das regionale Baugewerbe oder Arbeitsplätze, sondern darum, ob Einsprachen zulässig sind oder ob sie es, weil die Zeit "wahnsinnig knapp" wird, nicht sind. Beim Stadt-Casino handelt es sich um das Lieblingskind einiger Protagonisten, die jede öffentliche Auseinandersetzung, jede Infragestellung als Verhinderung ihres Projekts bezeichnen. Ob es sich um einen architektonisch herausragenden oder überdimensionierten, verfehlten Bau handelt, ist nicht entschieden. Profilstangen würden genügen, um die Diskussion zu versachlichen, eine Propagandalawine kaum.
Vielleicht muss man manchmal aktiv werden, um etwas zu verhindern. Zum Beispiel, dass Basel grössenwahnsinnig wird, wenn wieder ein Stellwerk oder so eingeweiht wird.
Ob Basel in eine Schlaf- und Gartenzwergstadt zu versinken droht oder in eine Turbo-Stadt verwandelt werden soll, ist eine offene Frage. Es ist das gute Recht aller, sich gegen die Entwicklung zu wehren. Auch sich dafür einzusetzen ist möglich. Zuletzt kommt es darauf an, für die auftretenden Probleme eine Lösung zu finden, mit der alle leben können.
Die Art, wie in jüngster Zeit in dieser Stadt Interessen durchgepeitscht werden, muss nicht widerspruchslos hingenommen werden.
12. Juni 2006
"Es darf nicht wundern, wenn Kritik laut wird"
Ich kann Aurel Schmidt nur danken für diese Entlastung der so genannt ewigen Kritiker. Das offizielle Basel duldet keine Menschen, welche sich das demokratische Recht tatsächlich nehmen und "sich erlauben", etwas zu hinterfragen, also Fragen stellen, welche hinter die Fassade zielen. Bei grossen Bauvorhaben wie Messe oder Casino zählt nur der Name der Architekten, welche aber eher als Designer denn als umsichtige Baugestalter auftreten. Sie werden zu Marketing-Objekten degradiert, welche die Initianten benötigen, um dahinter liegende problematische Aspekte zu kaschieren.
Überdies darf nicht wundern, wenn Kritik laut wird: In Basel ist eindeutig eine Tendenz auszumachen, den öffentlichen Raum einerseits physisch zu verkleinern, anderseits bezogen auf die Nutzungsberechtigung zu privatisieren, d.h. nicht mehr der Öffentlichkeit zum allgemeinen und gesteigerten Gemeingebrauch zur Verfügung zu stellen, sondern via Randerscheinungen von Projekten oder Sachzwängen - die immer von Menschen gemacht sind - auch einem einzelnen spezifischen (privaten) Nutzniesser eine vorrangiges Nutzungsrecht einzuräumen.
Ich wünsche mir für unsere Stadt mehr Gleichberechtigung in der kritischen Auseinandersetzung.
Matthias Bürgin, Humangeograf, Basel
"Exponenten der Denkmalpflege wurden immer häufiger fast gefesselt und geknebelt"
Aurel Schmidt hat mir aus dem Herzen gesprochen. Beim Lesen von Matthias Hagemanns Leitartikel "Wie in Basel Zukunft verhindert wird" in der "Basler Zeitung" vom 3. Juni erhielt ich den Eindruck, dass bei der Sozialisation des Verfassers der Staatskundeunterricht etwas zu kurz gekommen ist: Den von Hagemann zu Verhinderern gestempelten Gremien wurden vom Gesetzgeber bestimmte, klar umrissene Rekursmöglichkeiten eingeräumt, um die Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz historisch wertvoller Bauten zu gewährleisten. Dies geschah im Bewusstsein, dass die staatliche Denkmalpflege, welche primär mit dieser Aufgabe betraut ist, fast zwangsläufig in Interessenkonflikte mit anderen staatlichen Institutionen gerät.
Wie vorausschauend diese Rekursbestimmungen vor einem Vierteljahrhundert ins Denkmalschutzgesetz aufgenommen worden waren, zeigte sich gerade in den letzten Jahren, als die Exponenten der Denkmalpflege immer häufiger fast gefesselt und geknebelt wurden, um gesetzeswidrige Vorhaben durchzudrücken. Inzwischen sind vermehrt auch die rekursberechtigten Organisationen, insbesondere der Basler Heimatschutz und die Freiwillige Denkmalpflege, ins Fadenkreuz der selbsternannten Garanten einer "kühnen, zukunftsgerichteten Entwicklung von Basel" (Hagemann) geraten und sie erhalten von den Medien bereitwillige Unterstützung. Ein erprobtes Mittel ist die gezielte Diffamierung: "Wenn sie könnten, würden die Verhinderer wohl sogar den Novartis Campus blockieren, das wirtschaftlich wichtigste Entwicklungsprojekt dieser Region für das nächste Jahrzehnt". Doch es kommt noch dicker: "Es ist höchste Zeit, Kompetenzen und Existenzberechtigung all dieser Gremien einmal gründlich zu hinterfragen".
Es sei hier daran erinnert, dass es sich beim Basler Heimatschutz und bei der Freiwilligen Denkmalpflege nicht von den Behörden eingesetzte Gremien, sondern um Vereine handelt. Das Recht aller Einwohnerinnen und Einwohner, sich in Vereinen jeglicher Art zusammen zu schliessen, gehört aber zu den Fundamenten eines jeden freiheitlichen Gemeinwesens. Wer dieses Grundrecht in Frage stellt, muss sich daher den Vorwurf undemokratischer Gesinnung gefallen lassen. Von einem Verleger wie Matthias Hagemann würde man jedenfalls etwas mehr Verantwortungsbewusstsein erwarten.
Stefan Hess, Basel
"Man darf sich dann nicht wundern, ..."
Der Analyse von Aurel Schmidt und den treffenden Kommentaren von Dieter Stumpf und Karl Linder kann ich nur zustimmen. Da wird mit dem Segen der Baudirektorin dem Steuerzahler und Stimmbürger zugemutet, Millionenbeiträge an Bau-Projekte zu leisten, die lediglich dem Prestige und Nutzen der betreffenden Architekten und Bauherren dienen. Die demokratische Diskussion wird verhindert (die Zeit ist knapp) und die offene Information (das stellen von Profilstangen ist in Basel nicht üblich) zum vornherein abgewürgt. Bei einer leeren Staatskasse, einem immer schlechteren Service public - weil die Stadtreinigung kein Geld für genügend Personal hat bleiben die Abfallkübel übervoll - darf man sich nicht wundern, wenn Stimmbürgerinnen und Stimmbürger trotz teuren Werbekampagnen bei den Kreditbegehren ein überzeugtes Nein in die Urne legen.
Bruno Honold, Basel
"Die Verhinderer vom Staatsdienst"
Treffender als Aurel Schmidt könnte man die Arroganz der Basler Planungsverantwortlichen nicht beschreiben! Wie schon beim Multiplex-Kino auf der Heuwaage (mit 68 Prozent bachab geschickt), wird auch jetzt beim Stadt-Casino oder beim Messeausbau wieder jede inhaltliche und ästhetische Diskussion tunlichst verhindert (dass die meisten Medien sich unkritisch für diese Strategie, welche bewusst nur unkritische Ja-Sager und ewiggestrige Kritiker kennt, missbrauchen lassen, wäre ein Thema für sich). Fleissig werden jedenfalls wieder die falschen Diskussionsfronten aufgebaut und die Kritiker samt und sonders in die Verhinderer-Pfanne gehauen: Keine Diskussion darüber, ob das Stadt-Casino überdimensioniert und rücksichtlos ist (die relevanten Informationen, etwa, um wieviel die Schattenfläche auf dem Barfi in welcher Jahres- und Tageszeit zunehmen würde, erhält man partout nicht). Stattdessen wirbt man in einer längst kontraproduktiv überdimensionierten Inseratekampagne mit Argumenten wie "Flirt", "Boulevard" und anderen - alles rein suggestive Argumente, welche mit dem neuen Casino null und nichts zu tun haben (Flirten kann ich auch vor dem alten Casino, ohne Schattenloch!). Da wird das Volk einmal mehr schlicht für dumm gehalten.
Da Basels massgebende Staatsdienste diesbezüglich offensichtlich unbelehrbar sind und nicht Gegensteuer geben, wird alles wieder seinen gewohnten Lauf nehmen: Das Volk traut der Sache nicht, hat die orwellschen Lügenargumente längst satt (Bahnhof- und Messeplatz, Clarastrasse etc. lassen grüssen) - und wird Nein stimmen. Schuld daran sind nicht das Volk oder einspracheberechtigte Organisationen, sondern die überhebliche Präsentation nicht überzeugender Projekte sowie die Diskussionsverweigerung darüber. Das ist es, was praktisch nur Opposition zulässt und damit Basels Entwicklung wie nichts sonst lähmt.
Dieter Stumpf, Basel
"Mehr Sorgfalt bei der Stadtplanung würde nicht schaden"
Aurel Schmidt spricht mir aus dem Herzen. In Basel wird zur Zeit sehr schnell polarisiert und man gehört zu den Fortschrittlichen oder zu den Verhinderern. Etwas mehr Sorgfalt bei der Stadtplanung würde Basel nicht schaden.
Wenn ich an die sechziger oder siebziger Jahre zurück denke, bin ich froh, dass nicht alle geplanten Projekte zur Ausführung kamen. Beispielsweise wollte man für die geplante Talentlastungsstrasse den Andreasplatz platt walzen oder für den geplanten Markthof die Marktgasse untertunneln.
Zum Glück tickte Basel damals etwas langsamer und wir haben unsere Altstadt noch.
Christoph Lachenmeier, Basel
"Kapitale Denkfaulheit der rot-grünen Regierungsmehrheit"
Der Beitrag ist gut getroffen und wohltuend in einem Klima, in welchem der Diskurs nicht mehr gesucht, sondern im Gegenteil ausser Kraft gesetzt werden soll. Aus Zeitnot, wie es heisst. Wohlwissend, dass der Souverän in der nahen Vergangenheit schon Projekte abgelehnt hat ('Multiplex'), suggeriert das Vorgehen der Regierung und der Bauwelt eine intellektuelle Überlegenheit. Letztlich entscheidet aber die Mehrheit des Volkes über ein Vorhaben, bei welchem Staatsgelder mit ihm Spiel sind, und dies ist vor allem dann hervorzuheben, wenn der Eindruck entsteht, man wolle gewisse Fakten nicht auf den Tisch legen.
Die Kantone verfügen jetzt über einen Aktienanteil von 41,3 Prozent an der Messe Schweiz, die Privaten halten den Rest, haben also die Mehrheit. Bei einer nötigen Investition in neue Messehallen ist es privatwirtschaftlich üblich, dass mittels der liquiden Mittel der Firma oder mit einer Kapitalerhöhung das Projekt finanziert wird. Demzufolge müssten die Kantone von total 350 Millionen Franken Investitionssumme einen Anteil von 146 Millionen beisteuern. Fragwürdig ist nun aber, dass ausserhalb dieser Berechnung noch 150 Millionen à fond perdu bezahlt werden sollen. Eine Erklärung dieser Logik habe ich noch nicht lesen können. Da scheint mir Kalkül mit im Spiel.
Die Messe war vor wenigen Jahren eine Genossenschaft im Mehrheitsbesitz der Kantone Basel-Stadt und Baselland. Plötzlich stieg der handelbare Genossenschaftsschein an der Börse fulminant an (Insider?), ehe die Gesellschaftsform dann wegen der Expansionsstrategie der Messe in eine Aktiengesellschaft gewandelt wurde. Es folgte die Einverleibung der Messe Zürich zur Messe Schweiz.
Klar ist sicher: Wir leben in der Region von der Messe, und sie macht ihre Arbeit sehr professionell. Aber ist es opportun, wenn deswegen Forderungen an die öffentliche Hand gerichtet werden? Wir profitieren hier auch von der Pharma, der Chemie und den Banken.
Wenn am Schluss all diese Branchen keine Steuern mehr zahlen würden, wäre die Frage erlaubt: Wer zahlt dann noch welche? Zudem: Als Genossenschaft wäre die Ausschreibung des Neubaus dem städtischen Submissionsgesetz unterworfen gewesen, hier aber werden moralisch-demokratische Prinzipien ausser Kraft gesetzt, indem keine Ausschreibung des Neubaus erfolgt.
Beklagt wird auch, dass Architekt Morger, der den Messturm entwarf, im Denkmalschutz-Gremium nicht in den Ausstand getreten ist. Soweit so gut. Aber wetten, dass der ehemalige Verwaltungsratspräsident der Messe Schweiz und der Batigroup, Robert A. Jeker, als Chef dieser Baufirma auch nicht in den Ausstand treten wird, wenn es darum geht, wer die neue Messehalle bauen wird?
Diese Logik zeigt wieder mal: Rhetorisch ist man für die freie Wirtschaft, real versucht man diese wahlweise auszuschalten. Ironisch an der Sache ist das instrumentalisierte Sprachrohr von zwei SP-Regierungsräten. Dahinter kuschen alle im loyalen Politfilz. Wer hätte gedacht, dass die rot-grüne Regierungs-Mehrheit der Stadt Basel in Fragen wie dieser eine kapitale Denkfaulheit bescheren wird?
Karl Linder, Basel