Seilschaften in Sauwilen
Sauwilen* liegt im schweizerischen Hinterland, ein kleines Städtchen, das man sich putziger nicht vorstellen kann. Seine Marktgasse und das alte Stadttor ergeben ein einzigartiges Postkartenmotiv.
Hier ist die Welt noch in Ordnung. Niemand kommt auf die Idee, an den Verhältnissen etwas zu ändern. Zwischen Behörden und Bevölkerung herrscht das ungetrübteste Einverständnis.
Die Gemeinde hat grosse Pläne. Sie will wachsen, neue Einwohner anziehen und zum Zentrum einer grossen, aufstrebenden Region aufsteigen. Denn gross ist gut, aber grösser besser. Nur klein ist schlecht. Zu diesem Zweck haben die Gemeindebehörden schon vor Jahren grosse Landreserven angelegt, die jetzt überbaut werden sollen. Zu diesem Zweck wurde der hochgeschätzte Architekt Bärni Baumann* beauftragt, einen Gestaltungsplan auszuarbeiten.
Das Ergebnis stiess bei der Gemeinde auf einhellige Zustimmung. Unerwarteterweise wagte es jedoch der ortsferne kantonale Heimatschutz, Einspruch zu erheben. Kritisiert wurde die Architektur, die den im Planungs- und Baugesetz verlangten "hohen Qualitätsstandards" nicht genüge, was mit der Tatsache in Zusammenhang gebracht wurde, dass auf einen Ideenwettbewerb verzichtet worden sei.
Die Gemeinde liess eine Stellungnahme zur Einsprache ausarbeiten und beauftragte dazu den Architekten selbst, der in seiner Entgegnung an den Gemeinderat die gute, moderne Bauqualität (also seine eigene) lobte und bemerkte, dass Ideenwettbewerbe in Sauwilen "nicht üblich" seien.
Der Gemeindeverwalter Chrigu Hollerer* schloss sich dieser Argumentation vollumfänglich an. Er fand den Gestaltungsplan "sehr gut" und zitierte dazu ein Gutachten der Baukommission, die am Gestaltungsplan nichts auszusetzen hatte. Der Zufall wollte es, dass der Gemeindeverwalter, der das Gutachten zu vertreten hatte, in Personalunion auch Präsident der Baukommission war. Ein weiterer Zufall will es, dass Gemeindeverwalter Hollerer und Architekt Baumann vor 30 Jahren zusammen die Schulbank gedrückt haben. Der Unternehmer, der den Bebauungsauftrag ausführen wird, ist übrigens ein Duz-Freund von Baumann.
Eine Opposition in Sauwilen gibt es selbstverständlich nicht. Die Sauwiler Geschäftsleute und das Kleingewerbe hüten sich, den Behörden zu widersprechen. Sie wissen, was sie ihren Umsätzen schuldig sind und machen lieber die Faust im Sack.
In Sauwilen kennen sich alle. Gemeindeverwalter, die Präsidenten der Kommissionen, die Lokalprominenz und so weiter jassen zusammen im "Ochsen", haben zusammen studiert und verkehren freundschaftlich untereinander. Auch privat. Gemeinsame Interessen werden erfolgreich durchgesetzt. Die Amtsstatthalterin, die im Konfliktfall die Gemeinde im Auftrag des Kantons zu kontrollieren hat, ist durch einen ihrer Verwandten mit dem Architekten verbunden. In Wirklichkeit ist alles noch viel verwickelter. Aber auch so bleibt der Fall exemplarisch. Man bezeichnet Verhältnisse dieser Art heute als "Kuchen" oder auch als "Seilschaften".
In Sauwilen, und nicht nur dort, ist die Demokratie nach bewährtem Muster fest in Hand von ein paar kaltblütigen, besonnenen Männern. Alles geschieht stets nur zum Wohl der Gemeinde. Sauwilen ist überall.
* Namen von der Redaktion geändert
26. Mai 2008
"Erst gross bauen und dann ein Loch hinein machen"
Natürlich könnte auch Basel gemeint sein und das Loch im Gebäude lässt vielleicht sogar an ein Willisauer Ringli denken. Ein Kollege sagte im Vorfeld der Abstimmung zu mir: Zuerst musst Du gross bauen und dann ein Loch hinein machen damit noch etwas Licht in die dunkle Zone gelangen kann. Su glatt oder nit?
Aber sicher werden auch wir, wie die Leute von Sauwilen, eines besseren belehrt, und das hier ansässige Gewerbe reibt sich vielleicht zu früh die Hände, denn solche Kolossal-Bauten müssen selbst in Baswilen nach EU-Richtlinien ausgeschrieben werden. Klotzen passt wahrscheinlich nicht wirklich zur Schweiz, es ist so eng bei uns, dass dadurch vielleicht ein paar Kleckse durch "verdrampte" KMU entstehen könnten.
Franz Mäder, Basel
"Man schaue nur einmal Basel an"
Aurel Schmidt versteht es bestens, seine Geschichten so zu erzählen, dass es nicht schwer fällt zwischen den Zeilen deutlich zu erkennen, wo er sein Sauwilen gefunden hat. Man schaue sich doch nur einmal in Basel die Verhältnisse gut an.
Unterstützt von einer willigen Monopolpresse verstehen es die interessierten Kreise, die Stimmbürger mit gefälligen Argumenten so zu manipulieren, damit am Schluss für diejenigen, die an den entscheidenden Pfründen beteiligt sind,
die Kasse stimmt.
In der Tat, Sauwil ist überall und nur die wenigsten Basler merken, wo sich Aurel Schmidts Geschichte täglich wiederholt.
Bruno Honold, Basel