Es ist an der Zeit, anders zu denken
Ohne klare Haltungen und minimale Regeln nimmt die Unordnung und Unübersichtlichkeit zu. Wenn man sich auf den Markt beruft, muss man auch die Konsequenzen tragen. Die gehätschelte Ideologie des Marktes wird bei jeder Gelegenheit widerlegt. Sie ist die Grundlage eines hingenommenen Fatalismus, aber die perversen Effekte der zum Seelenheil erhobenen Deregulierung sind ja auch höchst willkommen. Sie werden in die Kalküle und Kalkulationen einbezogen. Dass die Liberalisierung des Strommarkts die Preise in die Höhe treiben würde, war zu erwarten gewesen. Inzwischen hat die Idee der wirtschaftlich orientierten Globalisierung angefangen zu bröckeln.
Nach Lehrbuch sieht das anders aus, aber wer weiss, vielleicht sind die Lehrbücher veraltet oder ideologischer Art. Das schön sauber zurecht gelegte logische Denken ist eine Schlange, die sich in den Schwanz beisst. Wir haben so viele Lösungsvorschläge entworfen, dass uns nur noch die passenden Probleme fehlen, wie die Krankheiten für die neuen Medikamente. Etwas dagegen zu unternehmen heisst, mit einem Satz aus dem blinden Leerlauf zu springen und anders zu denken.
Heute stellt sich der Erfolg immer mehr als Verhängnis heraus. Das ist ein Satz, der mit dem ABC der Schulweisheit nicht nachzuvollziehen ist. Die Offroader sind ein zufällig herausgegriffenes Symbol für den Aufstieg und wirtschaftlichen Erfolg ihrer Besitzer, aber sie sind ein Unsinn, wenn man den exorbitanten Benzinverbrauch mit den knapperen Ressourcen vergleicht und berücksichtigt, dass landwirtschaftlich nutzbares Land für Bio-Treibstoff verwendet wird.
Dass noch genügend Land für die Landwirtschaft zur Verfügung gestellt werden kann und Brasilien beträchtliche neue Erdölvorkommen meldet, kann kaum heissen, im alten Stil fortzufahren. Wenn klimaschonende Massnahmen die Treibstoffpreise in die Höhe treiben, müssen die Transporte anders organisiert werden. Das Klima zu schonen ist eine intelligente Einstellung, aber der Ablasshandel mit Umweltzertifikaten ist dazu schlecht geeignet.
Dass der Erfolg zum Desaster zu werden droht, zeigt sich auch am bedenkenlosen Umgang mit dem Boden als Ressource und an der Art, wie wir immer mehr Raum beanspruchen und auf Äckern und Weiden riesige Lagerhallen in Flachbaubweise für die Überproduktion von Waren errichten, während die Nahrungsmittelproduktion in weite Ferne verlegt wird, auch in Länder, wo in jüngster Zeit Hungerrevolten vorgekommen sind.
Unser Handeln ist von unserem Denken geprägt und dieses wiederum von unserer Sprache abhängig. Wir verwenden Wörter und Begriffe, von denen wir nur eine diffuse Vorstellung haben, oder wir sagen etwas, wenn wir das Gegenteil meinen. "Wachstum", "Fortschritt", "Wohlstand" sind positiv besetzte Ausdrücke, aber sie verhindern, dass wir uns andere Mittel und Möglichkeiten überlegen. Im besten Fall bedeuten sie "mehr" und "noch mehr". Es ist aber denkbar, mit einer anderen Verteilung von Raum, Ressourcen, Gütern, also einer überlegten Handlungsweise, zu erreichen, dass sich vernünftigere Verhältnisse herausbilden.
Dass sich dafür viele kleine Hinweise aufzählen lassen, ist das Positive an der Sache. Es kommt jetzt manchmal vor, dass die Menschen "Nein" sagen und es sich anders überlegen.
16. Juni 2008
"Die Veränderung sind wir"
Recht haben Sie, Herr Schmidt! Wahrscheinlich gibt es immer mehr Menschen, die Ihnen mit mir Applaus spenden. Nur, das andere Denken braucht mehr, als "nur" Begründungen, dass es notwendig ist. Der Mensch lernt doch nur, was er erlebt. Und was wir erleben, ist, dass zum Beispiel Erfolg anzustreben sei. Lob für diejenigen die in erreichen, ist ihnen gewiss - das Missfallen für diejenigen, die ihn nicht erreichen ebenso. Zu welchen Gedanken ich über Erfolg gekommen bin, möchte ich hier beisteuern.
Erfolg hat in unserer (westlichen, transatlantisch dominierten) Gesellschaft die Bedeutung von Wissen und Macht. Die Erfolgsstrategie lautet: Anhäufung von Wissen und Macht - inzwischen hat der Zweck auch die letzten Mittel geheiligt. Dieses Erfolgskonzept folgt der Ausschlussdynamik, denn sie schafft wenige Mächtige und viele Ohnmächtige, ebenso wie wenige "Vielwisser" und viele "Wenigwisser". Ausgeschlossen also von allen Vorteilen dieser Strategie sind die Ohnmächtigen und die "Wenigwisser".
Kurz: Dieses Erfolgskonzept trennt zwischen denen die ihn haben und jenen, welchen er versagt blieb. "Wir befinden uns in einer Leistungsgesellschaft, in der man entweder top oder flop ist", sagt Pasqualina Perrig, Psychologie-Professorin und Mitglied des Forschungsrates des Schweizerischen Nationalfonds. Das Läutwerk des Erfolgs hat einen Klang bekommen: "Top - Flop; Top - Flop; Top - Flop" und die neue Formel der Zweiklassengesellschaft lautet ebenso: Top - Flop!
Diesem Erfolgskonzept entgegengesetzt - der Integration verpflichtet - ist das Gelingen von Gemeinschaft. Weit entfernt von Strategie (übrigens ein militärischer Begriff - wen wunderts?) folgt dieses Konzept den Werten von Vertrauen, Versöhnung und Frieden. Nur, hierzu führt kein Weg, denn Vertrauen, Versöhnung und Frieden ist der Weg! We are the change we wish to see in the world (in Anlehnung an Mahatma Ghandi).
Das Gelingen von Gemeinschaft setzt das Gelingen von Beziehung voraus. Folgen wir der These, dass Beziehung die Sache regelt, dann wird Gemeinschaftsfähigkeit zur überragenden Schlüsselkompetenz. Jeder einzelne Mensch mit der Vorstellung einer Welt voller Vertrauen, Versöhnung und Frieden verändert die Welt in jene Welt, die wir alle uns und unseren Kindern wünschen.
Bruno Rossi, Gelterkinden
"Augen auf und mitdenken!"
Besten Dank für Ihren Artikel. Endlich ist wieder einmal eine Stimme zu hören, die sich Gedanken macht um unsere Welt – und zwar richtige!
Als Geographielehrer an der KME versuche ich in der Wirtschaftsgeographie seit Langem, meine Studenten aufmerksam zu machen, dass unser "goldenes Kalb", die Wirtschaft, nicht einfach als von Gott gegeben angeschaut werden soll, sondern dass es eine neue, andere Lösung geben muss!
Einerseits wissen wir, dass die Wirtschaft nur mit Wachstum überleben kann (schon Stagnation ist Rückschritt) und andererseits – auch das wissen wir – überlebt die Wirtschaft nur, wenn sie die Ressourcen ausbeuten kann (und zwar alle!), so wie man ihr das schon immer zugebilligt hat!
Aber – und auch das ist Allgemeingut – können Wachstum und Ausbeutung einerseits nicht hingenommen werden und andererseits nicht ewig dauern. Aber die Lösungen liegen nicht auf der Strasse und wohl auch nicht im Sinne der Wirtschaftsbosse! Also bleiben nur Lösungen in möglichst vielen Köpfen – vorab dem Eigenen! Das Motto müsste sein: Augen auf und mitdenken, und nicht: Gring ache u am Stutz nasekle!
Bernhard Meili, Zürich