Die globale Welt kennt keine inneren Grenzen
Im April dieses Jahres wurde der chinesische Dissident Hu Jia zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Den Regierenden in Beijing passte es nicht, dass Hu sich für Menschenrechte, Aids-Kranke und für eine intakte Umwelt einsetzte. Er wurde in Übereinstimmung mit der in China gebräuchlichen Beschimpfungsrhetorik als "Krimineller" bezeichnet. Die Anklage lautete auf "umstürzlerische Machenschaften" und "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt". Für viele Menschen dürfte aber kein Zweifel bestehen, wo die wahren Kriminellen sitzen. Nirgends auf der Welt sind die Machthaber einverstanden, dass ihre Handlungen der Kritik unterliegen.
Hu hat kürzlich – in Abwesenheit – den Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit des Europäischen Parlaments erhalten. Die chinesische Regierung verurteilte diese Auszeichnung als "grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas".
Die Berufung auf angebliche innere Angelegenheiten ist in der heutigen Zeit jedoch unhaltbar. Dazu ist die die Welt durch Kommunikations- und Verkehrsmittel, internationale Investitionen und Handelsbeziehungen, wissenschaftliche Zusammenarbeit und andere Formen des Austauschs zu vernetzt und zu global geworden.
Dieser Planet bildet eine Einheit, und die Staaten sind heute mehr denn je zu Offenheit und Kooperation verurteilt. Die selbe Einstellung muss sich gelegentlich auch die Schweiz zu eigen machen, wenn sie sich auf nationale Grenzen beruft und dahinter zurückziehen will, wie dies volksparteilichen Pseudopatrioten vorschwebt.
Die Klimaveränderung zieht Folgen nach sich, die an keiner von Menschen gezogenen Demarkationslinie Halt macht. Das Gleiche gilt für die jüngste Finanzkrise. Das Kapital ist international verflochten und macht die Welt unterschiedslos von seinen Auswirkungen abhängig.
Das wiederum zeigt, dass die Globalisierung, so wie sie heute verstanden wird, der Welt ein gemeinsames Schicksal auferlegt. Die Konsequenzen sind ebenso positiv wie negativ. Zum Beispiel hat sich die organisierte Kriminalität internationalisiert; auftretende Konflikte haben viel weiter reichende Konsequenzen als bisher. Zu den eher positiven Aspekten könnte gehören, dass die Menschen an einem Punkt in ihrer Geschichte angekommen sind, an dem sie einsehen müssen, dass sie ihr Schicksal selbst bestimmen müssen. Staaten sind dazu nicht in der Lage, auch wenn Menschen an deren Spitze stehen. Und zwar ist es deshalb unmöglich, weil die Staatsführer immer noch – wie das Beispiel China im Fall Hu demonstriert – in einem überholten Denken verhaftet sind.
Heute werden die Auseinandersetzungen nicht mehr unter den alten Nationalstaaten, die immer mehr an Bedeutung verlieren (ausser in Fragen der Polizei und der Finanzierung von Banken in Nöten), ausgetragen, sondern zwischen den Unabhängigen, Kritischen und Weltoffenen auf der einen und den Dogmatikern, Reaktionären und Engstirnigen, die sich nicht von der Stelle bewegen, auf der anderen Seite.
Der Riss geht quer durch die Welt und durch alle Schichten hindurch und setzt sich über alle Grenzen hinweg.
Umso dringender ist es, dass alle aufgeschlossen, modern und global beziehungsweise kosmopolitisch denkenden Menschen Koalitionen bilden und sich für die Welt von morgen einsetzen.
22. Dezember 2008
