Warum wir sparen müssen
Zur Zeit scheint die Politik in der Forderung beziehungsweise in der Befolgung des Grundsatzes zu gipfeln: Wir müssen sparen. Vielleicht müssen auch noch ein paar neue Parkhäuser in der Innenstadt gebaut werden, aber das ist dann auch schon das Höchste. Hauptsache: Sparen, auch wenn dabei am Ende der Staat weg ist und die Rest-Öffentlichkeit aus RailCity und Fussballstadion besteht. Für das Theater Basel fehlt eine Million, für die Euro 2008 sitzt das Geld lockerer, und es wird in Zukunft noch viel lockerer sitzen müssen. Aber das macht nichts aus, weil Fussball gut ist für das Image Basels als "Host City".
Was Bundesrat Merz betrifft, will er die Bundeskasse sanieren. Und wie will er dieses Ziel erreichen? Durch seinen unbeirrbaren Eifer, die Steuern für Reiche und Kapitaleigner zu senken. Er handelt mehr wie ein Sanitär, der Abflussrohre installiert, als ein Sanitäter, der Erste Hilfe leistet.
Im Fall der Privatisierung der Swisscom glaubt er, auf jährlich 1,5 Milliarden Franken verzichten zu können. Von freisinniger Seite soll die Swisscom in "ein Unternehmen mit einem breit gestreuten nationalen Aktionariat" umgewandelt werden. Was bisher der Staat eingenommen hat, würde dann das "nationale Aktionariat" einsacken. Ginge es nach Merz, würde es auch noch steuerlich begünstigt werden.
Ist das Tafelsilber der Grosseltern aber erst einmal verschenkt, müssen noch grössere Löcher gestopft werden, und Bund und Kantone müssen noch mehr sparen. Der Bund will nach seinem Bekunden mit Steuern seinen Haushalt decken und nicht mit Unternehmungsgewinnen. Okay. Aber zugleich gehört es zu seiner Politik, die Steuern zu ermässigen, wo immer es geht.
Der Staat kann nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Sagt man. Politische Kalenderspruchweisheit. Die Frage ist nur, warum er nicht mehr einnimmt. Weil er zu viele Steuergeschenke macht. Und warum kann er nicht mehr ausgeben? Aus dem gleiche Grund. Unterdessen werden die 150 grössten börsenkotierten Schweizer Unternehmen 2005 einen Gewinn von 63 Milliarden Franken machen. Privater Reichtum, verarmender Staat.
Das ist keine Politik der Widersprüche, auch keine, die an Kurzsichtigkeit leidet, sondern es ist eine gezielte und gewollte Politik. Sie verfolgt eine bestimmte Absicht. Man könnte es Umverteilung nennen. Die guten Verdiener werden geschont im Vergleich zu denen, die am wenigsten haben.
Wenn es heisst, dass wir über unsere Verhältnisse leben, ist das Augenwischerei. Für viele Menschen trifft es in keiner Weise zu. Es gibt Menschen, für die es einen Unterschied macht, ob sie eine Packung Reis im Aktionsangebot für 1.40 kaufen statt für normal 1.80.
Zur Not können die Reichen sich überlegen, ob sie in sogenannte Steueroasen oder Steuerparadiese umziehen und von den Vorteilen der "Steuerkonkurrenz der Kantone" (wie der frühere Finanzminister Kaspar Villiger meinte) profitieren wollen. Eine fabelhafte Lösung. Aber nur, wenn man genug verdient.
Vielleicht wäre es an der Zeit zu überlegen, ob die Einnahmen des Bundes wie auch der Kantone nicht gerechter erhoben und angemessen erhöht werden müssten.
Zur Zeit geht die Entwicklung aber in die genau entgegengesetzte Richtung. Steuerpolitik ist Sozialhilfe für die Gutverdienenen, die Wenigverdienenden finanzieren den "Standort Schweiz".
12. Dezember 2005
"Anachronistische Privilegien müssen abgeschafft werden"
Aurel Schmidt bezieht sich insbesondere auf die Bundespolitik und stellt, sozusagen summa summarum fest "Vielleicht wäre es an der Zeit zu überlegen, ob die Einnahmen des Bundes wie auch der Kantone nicht gerechter erhoben und angemessen erhöht werden müssten. In punkto "gerechter erhoben" stimme ich zu. "Angemessen erhöhen" hingegen ist Schmidts Grundlagenirrtum.
Bei Weitem gewichtigste steuererhebende Behörden sind die Gemeinden und die Kantone, in Basel der Kanton Basel-Stadt, nicht der Bund. Die von Aurel Schmidt offenkundig ins Visier genommenen "Bürgerlichen Sparer" folgen in Basel, durch die Bürgerliche Allianz der autonomen Partner CVP, FDP und LDP, zum Beispiel dem SVP-Slogan "Steuern kräftig runter, die Finanzierung wird sodann schon irgendwie von irgendwem gerichtet", in keinster Weise. Ganz im Gegenteil nimmt die Allianz eine, wie mir scheint, authentisch-soziale, also "eine gerechte als auch eine angemessene" Haltung ein, und zwar:
- durch Unterstützung der CVP-Initiative zur steuerlichen Abzugsfähigkeit der gesetzlich oktroyierten Krankenkassenprämien, was offenkundig die unteren Einkommen akzentuierter steuerlich entlastet, als die Oberen.
- durch die Lancierung einer Initiative zur Generellen Aufgabenprüfung (GAP). Dies mit dem Ziel, seriös zu ergründen, wo und wie der Basler Staat sinnvoll redimensioniert werden kann. Es dürfte unbestritten sein, dass der Staat während dem 20. Jahrhundert, im Sinne des "Pendeleffektes" (im 19. Jahrhundert zu wenig, im 20. zu viel), drastisch überdimensioniert wurde.
"Sinnvoll" meine ich in dem Sinne, als der Staat mit dem dazu tatsächlich notwendigen Personal zu mit der Privatwirtschaft vergleichbaren Anstellungskonditionen nur jene Aufgaben ausübt, für die er die exklusive Zuständigkeit haben muss. Der ganze Rest, speziell das Bau-, das Bildungs- und das Gesundheitswesen bedürfen nicht aktiver staatlicher Tätigkeit und ergo Beschäftigung, sondern knallhartem staatlichen Controlling der auf der Grundlage der erlassenen Gesetze ausgeübten privaten Tätigkeiten.
Summa summarum: Die Abschaffung von im 21. Jahrhundert anachronistischen Privilegien von Staatsangestellten und die Restrukturierung des Staates selbst ist der Weg, der eine "gerechtere Erhebung von Steuern ermöglicht" und zu ihrer substantiellen Verminderung führt.
Patric C. Friedlin, Basel
"Städte sollen lernen egoistischer zu sein"
Gestern hat die Stimmbevölkerung im Kanton Obwalden einer massiven Steuersenkung für die Reichen zugestimmt, an der die weniger Reichen auch noch ein wenig partizipieren dürfen. Damit habe man sich zu den steuergünstigsten Kantonen zugesellt, erklärte der Finanzdirektor des Kleinstkantons.
Bis heute bezieht der Kanton Obwalden allerdings einen grossen Teil seiner Gelder, die er für Löhne, Infrastruktur und den allgemeinen Staatsbetrieb ausgibt, vom interkantonalen Finanzausgleich und vielerlei anderen Bundesgeldern. So wie andere Kantone, etwa Uri oder Wallis, auch. Unter anderem die angeblich "finanzstarken" Kantone wie Basel-Stadt bezahlen den Obwaldnerinnen und Obwaldnern einen schönen Teil der jährlich anfallenden Lebenskosten.
Zum Dank vergrössern diese nun ihre kantonalen Steuer-Mindereinnahmen um 20 Millionen Franken. Und sie hoffen, dass einige es wie Ospel machen und beispielsweise unserer "Steuerhölle Basel-Stadt" den Rücken zukehren, damit sie die Mindereinnahmen in ihrer Kantonskasse dann ausgleichen können - oder auch nicht. Wenn nicht, zahlt der Finanzausgleich ja weiter!
Und das heisst: Wir bezahlen weiterhin. Und zwar jede steuerpflichtige Person und jede steuerpflichtige Firma im Kanton Basel-Stadt. Wenn man vorderhand sonst schon nichts ändern kann, diesbezüglich muss man sich politisch deutlicher vernehmen lassen. Man muss in den Städten lernen, egoistischer zu werden. Nicht die Steuern senken erst einmal, sondern die Gebühren für jene aus all den Land- und Steuerparadieskantonen, die von unseren Einrichtungen profitieren, kostendeckend zu erheben könnte unserem Stadtkanton eine finanzielle Entlastung bringen. Etwa in der Spitzenmedizin im Universitätsspital, mit kostendeckenden Studiengebühren an der Universität, bei Eintritten in Theater, Museen, auch, jaja, Kinos, bei der Benutzung unserer städtischen Allmend als Parkplatz und so weiter. Und zwar mit Vorkasse.
Lieber Aurel Schmidt, Sie haben natürlich eine wichtige Kolumne geschrieben. Mir scheint, man sollte nicht zuviel jammern, sondern endlich städtisches Selbstbewusstsein fördern und unsere Möglichkeiten zu Handlungen verschärfen. Eben etwa bei der Kostenfolgegerechtigkeit für Appenzeller, Obwaldnerinnen und andere Profiteure unseres Fleisses, unserer Intelligenz, unserer sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Anstrengungen.
Alois-Karl Hürlimann, Basel