Linke und rechte Umverteilung
Die einen müssen mit einem Schweinsschnitzel und Pommes frites auskommen oder mit einer Portion Lyoner aus der Verpackung mit Essiggurke und einem Orangina im Mannschaftswagen, die anderen sitzen im Restaurant am gedeckten Tisch beim Business-Lunch und reden über Markt, Freiheit, Investitionsstrategien und Demokratie.
Die einen haben schon alles, aber noch nicht genug, und fordern weniger Steuern und mehr Strassen, die anderen wissen nicht, was ihnen morgen weg genommen wird. Die Spitzenlöhne der Manager stehen in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Lage der Workingpoor. Die Ungleichheit wird immer krasser.
Wie kommt unter diesen Voraussetzungen der Volkspartei-Maurer auf die Idee, von "linkem Umverteilungsstaat" zu reden und die FDP aufzufordern, mit der SVP die "bürgerlichen Werte" zu verteidigen? Besser hätte er vom bürgerlichen Umverteilungsstaat gesprochen, der schon glänzend funktioniert und trotzdem immer noch nicht zufrieden stellend genug, wie die Vorschläge von Bundesrat Merz zur Unternehmenssteuer-Reform II oder Neugestaltung der Mehrwertsteuer zeigen.
Sieht denn der Volks-Maurer nicht ein, dass es gerade seine Politik ist oder seine "Politik"(denn es ist keine), sondern ein Anfall von schlechter Laune, die den linken Umverteilungsstaat unverzichtbar macht?
Bürgerliche Politik sollte für mich heissen: Kreativität, Entwicklung neuer Technologien, Offenheit des Denkens, Öffentlichkeit (also Demokratie), Rücksicht auf Umwelt und Ressourcen (also Zukunft), Allgemeinwohl, an das alle einen Beitrag leisten (also Solidarität). Für die laufend neu auftretenden Probleme wird eine konstruktive private Lösung gesucht, aber keine Lockerung der Gesetze verlangt, um sich Arbeit und Mühe zu ersparen. Es geht um neue Energien im allerweitesten Sinn. Das Bürgertum war einmal eine Gesellschaft im Aufbruch.
Nun gebe ich zu, dass es mir beim Begriff Solidarität unwohl wird. Es ist richtig, dass der Sozialstaat den Benachteiligten hilft, aber es gibt inzwischen viele Drückeberger, die gerissen genug sind, um von ihm zu profitieren und ihn zu missbrauchen.
Die Frage ist nur, warum das so ist und wo es vorkommt. Jeden Tag lese und höre ich von ganz anderen gewieften Profiteuren, die es sich ohne grossen Aufwand wohl ergehen lassen. Sie beziehen Honorare für Verwaltungsratsmandate, umgehen Steuern, erzielen Börsengewinne; sie verlangen vom Staat Vorausleistungen wie Infrastruktur, Verkehr, Gesundheit, Bildung und übertragen ihm zugleich die Aufgabe, für die Opfer der sozial-liberalen Entwicklung aufzukommen, finden es jedoch eine Zumutung, sich angemessen daran zu beteiligen.
In gewisser Weise betrachten diese Star-Profiteure den Staat, wenn sie ihn nicht auffressen können, als Hilfstruppe für ihre Interessen, als Selbstbedienungsladen. Das ist rechte Solidarität (aber nicht richtige). Sie leben auf Kosten des Staats und spielen mit ihm wie die von ihnen denunzierten Sozialhilfeempfänger.
Der linke Umverteilungsstaat existiert. Der rechte genau so. Missbrauch wird da und dort betrieben. Nur die Rechtfertigung fällt verschieden aus.
5. September 2005
"Steuerbelastung senken und Schlupflöcher stopfen"
Herr Schmidt rührt wieder mit der grossen Kelle an. Auch wenn ich mit ihm in gewissen Punkten übereinstimme, stört mich doch die Polemik, wenn er über die "Star-Profiteure" redet, die (mit umgekehrten Schuldzuweisungen) an die Kampagnen der SVP erinnert.
Einig sind wir uns aber in der Verurteilung von Missbrauch. Nur: Wer muss diesen Missbrauch verhindern? Im Falle des Sozialmissbrauchs ist es der Staat, die Gemeinschaft. Doch wessen Problem ist es, wenn bestimmten Managern unverschämt hohe Saläre gezahlt werden? Meiner Meinung nach jenes der Aktionäre. Ihnen wird schliesslich weniger Dividende ausbezahlt und sie haben es mit ihren Stimmen in der Hand. Wenn sie nicht zufrieden sind, können sie ihre Anteile verkaufen.
Bei den Steuern ist im Übrigen ein ähnliches Verhalten erkennbar, es heisst Stadtflucht und ist im Kanton Basel-Stadt seit längerem bekannt. Zu hohe Steuern, Abgaben und Gebühren belasten so immer mehr den Mittelstand, der sich nicht ohne weiteres entziehen kann. Daher müssen sich die Bürgerlichen weiter dafür einsetzen, dass die Gesamtbelastung für den Steuerzahler sinkt und dass es weniger steuerliche Schlupflöcher gibt. Die moralische Ächtung von Managern überlasse ich Herrn Schmidt und der Zeitung mit den grossen Buchstaben.
Michael Rossi, Präsident Jungliberale, Basel
"Alle sollten sich mit diesem Thema beschäftigen"
Ich bin Aurel Schmidt dankbar, dass er diese Tatsache veröffentlicht. In der Tat sollten wir alle uns mit diesem Thema beschäftigen. Es geht doch nicht an, dass sich die CEO's und die Verwaltungsratspräsidenten von grossen Publikumsaktiengesellschaften aus der Firmenkasse, die ihnen nicht gehört, schamlos bedienen.
Wohin die von von der SVP und derer "Führer" propagierte Eigenverantwortung führt, kann bei all den Staaten gesehen werden, die schwach und unfähig sind, die Bürger - und zwar auch die weniger begüterten - vor Unbill zu schützen. Wir alle bilden den Staat, dem wir unsere Leistung schuldig sind und der uns dafür Bildung und Schutz gewährt.
Bruno Honold, Basel