Respekt für die Brandstifter
Gesetzt den Fall, Brandstifter hätten einen Brand gelegt und es brennt lichterloh. Am zweckmässigsten wird es in einem solchen Fall sein, eine Expertenkommission einzuberufen, die den Auftrag erhält, die Umstände und Ursachen abzuklären und einen Bericht abzuliefern. Nur nicht die Nerven verlieren. Nichts überstürzen, keinem blinden Aktivismus verfallen. Das wäre das Schlimmste.
In einer Situation wie dieser kommt es auf den ernsthaften Versuch an, die Brandstifter zu verstehen. Sie haben bestimmt gute Gründe, die wir vielleicht nicht kennen, aber respektieren müssen. Auf keinen Fall dürfen die Brandstifter provoziert werden. Sonst sind neue Konflikte vorprogrammiert. Also ja kein Öl ins Feuer giessen.
Wer von uns könnte vorbehaltlos erklären, noch nie mit dem Gedanken gespielt oder den Wunsch gehabt zu haben, selber einmal Feuer zu legen? In jedem von uns schlummert ein versteckter Pyromane, und dass in jedem Feuerwehrmann ein verhinderter, potenzieller Brandstifter steckt, ist eine bekannte Tatsache. Mit welchem Recht machen wir also den Brandstiftern einen Vorwurf?
Alles hat zwei Seiten, drei Seiten, manchmal noch mehr. Alle zu berücksichtigen ist ein Gebot der Fairness, wenn nicht der Objektivität. Man muss auch mal über den Tellerrand hinausschauen. Die Brandursachen sind das eine, der Brand das andere. Auf einen einzelnen Brandfall sich zu kaprizieren, bringt nichts, so sehr das Löschbedürfnis einem tief im Menschen angelegten Wunsch entspricht.
Es gibt noch viele mögliche Brandszenarien. Ein Brand kann auch viele Vorteile haben. Zum Beispiel erhalten die Feuerwehrleute Gelegenheit, einen Brandverlauf einmal in allen Phasen gründlich zu studieren.
Wir stehen in der Feuerwehrgeschichte vor einem echten Paradigmenwechsel und müssen uns fragen, ob überhaupt jeder Brand unbedingt sofort auf der Stelle gelöscht werden muss. Ohnehin haben neueste Umfragen ergeben, dass eine knappe Mehrheit der Bevölkerung nichts von übereilten und unverhältnismässigen Löschmassnahmen hält.
Die Löschaufrufe sind vermutlich ein neuer Hype der Presse mit der Absicht, die Diskussion anzuheizen und so die Auflage zu steigern.
Ausserdem müssen wir sparen und uns zweimal überlegen, ob wir mit dem grossen Löschzug ausfahren oder ob es der kleine auch tut. Schliesslich sparen wir auch eine Menge Wasser, wenn wir nicht Hals über Kopf mit dem Einsatz beginnen und Kollateral-Wasserschäden verursachen. Vielleicht sollten wir als erstes ein Budget für neue Feuerwehruniformen ausarbeiten. Das würde das Feuerwehrkorps motivieren. Noch Fragen?
Ja, ich möchte wissen, wer im Haus gewohnt hat. Weiss das jemand? Hat jemand die Hausbewohner kontrolliert? Seit wann haben sie dort gewohnt? Das sind offene Fragen, die nicht einfach ausgeklammert werden können. Und wie steht es eigentlich um die grossen Probleme unserer Zeit, den Feinstaub, die Regenwälder, den Agglomerationsverkehr? Mit Ihrem Löschfanatismus wollen Sie bloss davon ablenken.
Vielleicht ist sowieso alles nicht so bedrohlich, wie es aussieht. Anderswo sollen die Verhältnisse noch viel schlimmer sein.
20. März 2006