Die drei Gesetze des Wandels
Im Konflikt zwischen Jean-Frédéric Jauslin vom Bundesamt für Kultur und Andreas Furger vom Schweizerischen Landesmuseum stehen nur vordergründig zwei verschiedene Museumskonzepte zur Diskussion: Bewahrung des kulturellen Erbes auf der einen Seite, modernes Museumsmanagement auf der anderen. Wenn es aber nicht darum geht, worum dann? Der Fall ist ein Musterbeispiel für einen um sich greifenden Aktivismus.
Alles nimmt seinen regulären Lauf - so lange, bis jemand durch sein (höheres) Amt die Auffassung verbreitet, dass es nicht mehr weitergehen kann wie bisher. Alles muss erneuert, überholt, reformiert werden. Was bisher gut war wie das Valser-Wasser, muss jetzt besser werden. Die Zeiten ändern sich (heisst es) und die Verhältnisse müssen angepasst werden. Die Frage ist bloss, ob es tatsächlich die Verhältnisse sind, die an die veränderten Bedingungen angepasst werden, oder ob nicht eher die Zeit sich vor lauter Veränderungseifer so schnell wandelt.
So gesehen, erweist sich die Reformwilligkeit als eigentlicher Antrieb der Veränderungen. Sie werden unvermeidlich. Das ist das erste Gesetz des Wandels.
Die Folgen der falschen Voraussetzungen sind eine falsche Betriebsamkeit. Im Gesundheitswesen werden seit Jahren neue Modelle ausgearbeitet, doch besser wird dadurch nichts. Die Swisscom soll privatisiert werden, um ihre unternehmerische Handlungsfreiheit auf dem Markt zu stärken. Dagegen hat sich inzwischen Widerstand erhoben. Also gut, wenn nicht die Swisscom, dann die Suva. Und wenn es die nicht ist, dann eben etwas Drittes. Etwas bestimmt. Und immer etwas Neues.
In der Verwaltung wird Reformstau festgestellt, auf den es als Antwort nur eine Reformkultur gibt, wie kürzlich die ständerätliche Geschäftsprüfungskommission verlauten liess.
Nur ja keine Ruhe geben. Die deutsche Orthografie wurde reformiert, jetzt müssen die Reformen ausgebügelt werden. Pubs, Ladengeschäfte, Firmenlogos erhalten regelmässig ein neues Design verpasst, Zeitungen ein neues grafisches Erscheinungsbild, für meinen Computer bekomme ich alle paar Monate ein Update - und niemand spricht von der Zeit und dem Aufwand, um mit den Neuerungen Schritt zu halten. Statt zurückzulehnen und die Beine auszustrecken, steht ein Weiterbildungskurs auf dem Programm.
Wohin der Novitätendruck hinführt, sieht man am besten in der Mode. Jede Woche wird ein neues Kleidergeschäft eröffnet. Das Mass ist nie voll. Der Überfluss ist die Ohnmacht des richtigen Masses.
Je mehr Änderungen, desto mehr Anpassungen an die Änderungen. So lautet das zweite Gesetz des Wandels.
Es werden neue Produkte entwickelt, Dienstleistungen angeboten, Vorschläge gemacht, für die keine Nachfrage besteht. Es wird reformiert, reorganisiert, dereguliert (das heisst neu reguliert), es wird verbessert und auf den neuesten Stand gebracht, bis eine unmögliche Situation entstanden ist, die nur durch weitere Reformen, Revisionen, Korrekturen, Anpassungen behoben werden kann.
Dass die Verbesserungen alles verschlimmern und es deshalb keine abschliessende Lösung geben kann, besagt das dritte Gesetz des Wandels.
27. April 2006
"Gespannt warte ich auf Ihre Betrachtung ..."
Sie treffen den Nagel auf den Kopf, wenngleich das dritte Gesetz des Wandels wohl geringfügig zu absolut formuliert sein dürfte. Gespannt warte ich auf Ihre Betrachtung der (Hinter)Gründe der Reformwilligkeit, bei der ja alles anfängt und die man - solange man an beliebiger Position in Verwaltungs- oder Wirtschaftsprozesse involviert ist - kaum zu hinterfragen wagen darf.
Werner P. Eheim, Fällanden
"Ruth Dreifuss hat das Gesundheitswesen faktisch verstaatlicht"
Eine recht fatalistische Betrachtungsweise, mit der uns Schmidt zu Ostern beehrt. Gucken wir uns die - in der Tat fatale - Entwicklung im Gesundheitswesen näher an. Dem Imam der SP, Ruth Dreifuss, gelang dank ihrer Allergien freisetzenden Art des Politisierens der "Coup des Jahrhunderts": Die faktische Verstaatlichung des Gesundheitswesens! Seither dekretiert der Berner Bundesgesundheitsminister Prämien, Tarife, Behandlungsrechte, -pflichten, Zuschussrechte und -pflichten. Kurz: Einnahmen und Ausgaben aller Partizipanten der hiesigen Gesundheitswirtschaft. Seit jenem unseligen Tage ergo werden wir nun auch gesundheitstechnisch von dem absurden sozialistichen Gleichheitsgrundsatz regiert, obwohl wir dank des - geringen - Saldos an persönlicher Freiheit zwingend ungleicher Gesundheit sind.
Nun gibt es zwei Richtungen der Reform, deren dringlichste Notwendigkeit selbst von Schmidt unbestritten sein dürfte:
1. Die sozialistische. Mit dem Ziel, die fehlende gesundheitliche Gleichheit herzustellen. Kurzfristig mittels dem Diktat des totalen Alkohol-, Drogen-, Medikamenten- und Tabakverbotes; mittelfristig durch die drastische Einschränkung des nicht-öffentlichen Verkehrs und des gesamten Nahrungsmittelangebotes, durch kontrollierte, kollektive physische und psychische Fitnessprogramme, mittels strengsten Kontrollen unterworfener Sexualaktivität und, die langfristige Krönung sozusagen, dem weltweit einzigartigen Programm des "total stressfree working; be happy, work less"! Ein von den gesundheits-moralischen, rot-grünen Eliteexponentinnen entworfenes und umgesetztes Programm, das den zertifiziert hypergesunden Schweizern sodann eine Lebenserwartung von mindestens 120 Jahren, in der totalen Glückseligkeit ermöglicht.
2. Die liberale Reform: Alle Freiheit retour an die natürlichen und juristischen Privat-Personen (Konsumfreiheit, aber gekoppelt mit risikogerechten Prämien). Dies in einem Junktim mit der staatlichen Pflicht, jedem Bürger die existentiell notwendige Behandlung objektiv festgestellter Leiden zu gewähren.
Summa summarum: Wer die Notwendigkeit von Reform negiert, akzeptiert die regierenden Missstände.
Patric C. Friedlin, Basel
"Sonst kämen wir noch auf die Idee, über dieses und jenes mal richtig nachzudenken"
Ich hege den Verdacht, dass viele solcher "Veränderungen" systematisch "gepflegt" werden. Sonst kämen wir noch auf die Idee, über dieses und jenes mal richtig nachzudenken und als Folge davon einiges in Frage zu stellen. Diese zwangsläufige Hektik wird uns dann als notwendige "Reformen und Veränderungen" verkauft. Eine solche Argumentation hört sich immer toll an, dies unter dem Motto: Mensch, wie sind wir fortschrittlich. Einige machen diese "Erneuerungen" einfach nur mit, weil sie eine Heidenangst haben, etwas Wichtiges zu verpassen. Und wieder andere verdienen sich dabei eine goldige Nase, indem sie das Rad zum x-ten mal erfinden.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Völlig ideologisiertes Berater-Unterwesen"
Aurel Schmidts Aufzählung von Reformobjekt-Beispielen könnte man ohne Anstrengung verlängern. Eines dieser Objekte ist die Bildung. Schulreformen werden ständig "vorangetrieben" - nur die Probleme bleiben.
Interessant ist, dass sich in diesem Reformgetue staatlicher Observanz seit Jahren Berater und Analysten tummeln, die zwar über kein Fachwissen und schon gar keine Facherfahrung verfügen, dafür aber immer das gleiche Ziel verkünden: Entstaatlichung. Warum Entstaatlichung, anders gesagt: Privatisierung notwendig ist, beantwortet niemand schlüssig. Allgemeinplätze wie "Freiheit" oder "Eigenverantwortung" entpuppen sich als reine Ideologieschlagworte. Wohin man auch schaut, bringen die Politiker, welche angeblich entstaatlichen, also Europas oder Amerikas "Reformer" namens Bush, Blair, Schröder, Chirac, Berlusconi und so weiter keineswegs "Entstaatlichung" und damit eine Verringerung der rein finanziell betrachteten Staatsquote zuwege, sondern vergrössern Staatsschulden ins Unermessliche. Die einzige "Reform", die all diese "Reformer" zu Ende führen, heisst immer und überall: Steuerentlastung für die Reichen. Angeblich würden diese Steuerentlastungen zu Wirtschaftsaufschwüngen und quasi in deren Windschatten zu mehr Arbeitsplätzen führen.
Steuerentlastungen haben aber in Europa nirgendwo mehr Arbeitsplätze gebracht, haben in Europa kaum "Wirtschaftsaufschwung" gebracht (sofern so etwas überhaupt statistisch einigermassen exakt erfasst werden könnte) und haben bedeutend vergrösserte Staatsschulden verursacht. In den USA gibt es Millionen Arbeitsverhältnisse, deren Lohn nicht einmal die allereinfachsten Überlebensnotwendigkeiten des Arbeitnehmers ermöglichen. In Deutschland hat die Reform der Arbeitslosenversicherung, unter dem Namen Hartz IV gekürzelt, innerhalb kürzester Zeit einen ständig wachsenden Milliardenmehrbetrag der öffentlichen Hand zur Finanzierung der angeblichen "Verschlankung" gebracht, aber keine 1'000 neue Arbeitsplätze!
Das und vieles mehr ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was die Berater und Analysten sowie die Geldlobby-Vertreter seit rund 20 Jahren predigen. Daraus muss man nun schon einen Schluss ziehen: Ihre Predigtinhalte stimmen nicht.
Ohne Fachwissen geht nichts. Ohne Berücksichtigung der Bedingungen und der Bedürfnisse der Fachwissenden ist die Komplexität gesellschaftlichen Lebens und gesellschaftlicher Entwicklung von heute nicht zu bewältigen. Wenn man beispielsweise hingeht und Swisscom "privatisiert", bedeutet dies zuerst einmal den Abbau vieler Fachkräfte, damit es mehr Rendite gibt. Die Rendite ist das Ziel der sogenannten Investoren, nicht so etwas wie die Funktionalität der komplexen elektronischen Kommunikationsstruktur. Die Fachkräfte aber fehlen dann, wenn es um die Funktionalität geht. Eine Zeiterscheinung, wie jeder Mensch, der einigermassen offen lebt, weiss.
Meiner Ansicht nach sollten die Bürgerinnen und Bürger Analysten und Beratern, deren Ausbildung nur den Begriff "Effizienz" kennt, und zwar Effizienz hin zur Rendite, nicht trauen. Politikerinnen und Politiker oder Parteien, die diesem völlig ideologisierten Berater-Unwesen hörig sind, sollte man schlicht und einfach abwählen.
Alois-Karl Hürlimann, Berlin
"Planmässig als veraltet dargestellt - und dann neu und teurer"
Einmal mehr zeigt uns Aurel Schmidt unmissverständlich, wie wir durch die ständigen Veränderungen manipuliert werden. Unter dem Vorwand der Liberalisierung will der Bundesrat das Volkseigentum an den Meistbietenden verscherbeln. Ständig werden - weil es angeblich vom Markt verlangt wird - bewährte Produkte neu und besser, in Tat und Wahrheit einfach teurer. Vieles, was sich seit Jahrzehnten bewährt hat, wird zuerst planmässig als veraltet dargestellt und dann nach Veränderungen als neu und besser
angepriesen.
Müssen wir uns diesen Unfug wirklich gefallen lassen?
Bruno Honold, Basel