Kandidieren leicht gemacht – vom Stümper zum Profi
Wir haben in diesem und im nächsten Jahr ja wieder Wahlen en masse. Da es dazu auch Leute braucht, die sich wählen lassen, stehen vielleicht auch Sie auf einer der vielen Listen. Und nun wissen Sie nicht, was antworten, wenn Ihre Meinung zu irgendeinem Thema gefragt ist. Sie brauchen Argumente.
Die liefert Ihnen zwar Ihre Partei, aber da den Überblick zu behalten, ist wahnsinnig anstrengend. Haben Sie vergessen, weshalb genau nun Ihre Partei die Ja-Parole heraus gegeben hat, geraten Sie leicht in eine peinliche Sackgasse. Merken Sie sich also bloss die Parolen. Denn für alle Parolen reicht ein einziges Argument: Arbeitsplätze.
Die Regel lautet: Ist die Parole "Ja", dann weil ein Ja Arbeitsplätze erhält oder generiert, ist sie "Nein", dann wegen dem drohenden Stellenabbau. Machen wir die Probe aufs Exempel und fangen mit der Minarett-Initiative an. War Ihre Partei dafür (was "Nein" zum Bau von Minaretten hiess), dann weil mit einem Ja Jobsuchende entsprechender Religionen der Schweiz fern bleiben, womit sie uns den Job nicht wegschnappen können. War die Parole "Nein", dann weil der Bau von Minaretten die Bauwirtschaft beschäftigt und somit Stellen schafft.
Sie sind für Atomkraftwerke? Dann natürlich, weil die Atomwirtschaft Arbeitsplätze schafft. Schon nur für die Endlager-Probebohrungen in der ganzen Schweiz – die sieht ja bald aus wie ein Emmentaler – beschäftigen wir unzählige Leute. Gegen AKWs spricht, dass die Entwicklung von neuen Windrädern, Staudämmen, Wärmepumpen und Solaranlagen sowie ihr Bau eine Vielzahl von neuen Arbeitsplätzen generieren wird.
Sogar bei der hochaktuellen Basler Familiengarten-Initiative klappt es. Sind Sie dagegen, dann weil die Überbaung der Areale dem Baugewerbe Auftrieb gibt und mithin Stellen geschaffen werden. Dafür sind Sie, weil der ganze Bauspleen zu einer Immobilienblase führen wird und somit zu einer Wirtschaftskrise mit Arbeitslosigkeit. Siehe USA – wir müssen ja nicht die gleichen Fehler machen, wie die da jenseits des grossen Teichs.
"EasyJet baut Flotte in Basel aus", stand am Freitag auf der Frontseite der Lokalzeitung. Der Untertitel: "Zusätzliche Arbeitsplätze". Sie sehen, auch andere haben erkannt, wie sie argumentieren müssen.
Sie kontern nun gekonnt: Mehr Flieger machen mehr Lärm, somit mehr Reklamationen und dem Flughafen wird vom Bundesgericht ein Nachtflugverbot auferlegt werden, wie schon Zürich. Womit ein Stellenabbau unumgänglich wird. Und Sie empfehlen souverän die Verlegung des gesamten Flughafens zehn Kilometer nach Norden, weil dies einen Wirtschaftaufschwung sondergleichen geben wird, zuerst für das Baugewerbe und danach für den neuen 24 Stunden-Betrieb des Flughafens. EasyJet wird Sie umgehend als Marketingchef einstellen.
Bei der Auslagerung des Unispitals fallen entweder Stellen weg, weil es unter Konkurrenzdruck kommt, oder es werden Stellen geschaffen, weil es zufolge gesteigerter Attraktivität mehr Kundschaft kriegen wird. Eine teurere Vignette für die Autobahn hält den Verkehr flüssig, und so haben die Leute Zeit, einzukehren, was Arbeitsplätze in der Gastronomie schafft. Sind Sie gegen die Verteuerung, dann deshalb, weil mehr Leute durchs Land fahren, und die müssen ja einmal tanken. Mehr Tankstellen geben mehr Tankstellen-Jobs.
Et voilà. Sie sind nun optimal vorbereitet und können entspannt am nächsten Polit-Apéro aufkreuzen. So genau wie ich oben müssen Sie es übrigens nicht nehmen, denn sobald Sie gesagt haben, dass Sie wegen des drohenden Stellenabbaus für oder gegen etwas sind, haben Sie schon überzeugt. Und keiner hört mehr zu.
9. Mai 2011