![]() Dieser Nein-Triumph kann fatal endenVon PETER KNECHTLI 17. Juni 2007
![]() "Keine Prunkbauten in der historischen Substanz" Der Daig von Basel soll sich mit den grundlegenden sozial-ökonomischen Problemen der Stadt befassen, statt mit diversen Minaretten und Prunkbauten nur ein paar Edelsteine in die historisch gewachsene Substanz einzuschrauben. Peter Thommen, Buchhändler, Basel "Ich sehe keine Stadtentwicklung" Ja, Sie haben mich durchaus "richtig verstanden", Herr Daniel Thiriet: Ich möchte nicht in einem Museum leben, sondern in einer lebendigen Stadt. Die von Ihnen erwähnte "Art" dauert eine Woche und die Picasso-Bilder sind im Kunstmuseum. Ausser dem von Ihnen erwähnten Schauspielhaus erfolgen architektonisch interessante Entwicklungen auf privater Ebene (Roche, Novartis). Ich sehe keine Stadtentwicklung. Jacques Reiner, Basel "Elite und Rendite geben den Ton an" Es sei vorausgeschickt, dass ich den negativen Ausgang der Abstimmung zum Casino-Neubau bedaure, aber nachvollziehen kann. Ihn auf eine Serie des Nein-Sagens zurück zu führen, greift viel zu kurz. Das mit diesem Entscheid zum Ausdruck gekommene Unbehagen gegenüber der hektischen Stadt-Umgestaltung liegt tiefer. Es lässt sich auf den Nenner "Wem gehört die Stadt?" bringen. Diese Frage stellt sich je länger je drängender. Eine Stadt zeichnet sich durch das Nebeneinander, Ineinander und Miteinander der unterschiedlichsten Aktivitäten und Menschen aus. Es lässt sich nicht übersehen, dass davon gegenwärtig keine Rede sein kann. Es wird geschaufelt, umgespatet und geplant als handle es sich bei unserem Kanton um unbewohntes Brachland. Elite und Rendite geben den Ton an. Beatrice Alder, Basel "Wir haben genug vom Architektur-Sauglattismus" Museum oder Museum: beides ist falsch! Nicht nur ein Museum in Peter Knechtlis Sinne auch das Oposite ist in Frage zu stellen: Wollen wir eine Stadt, in der jede Architektin oder jeder Architekt ihre oder seine zum Ort bezugslosen Projekte realisieren kann? Auch das wird unweigerlich zum Museum, Museum für Architektur-Sauglattismus. Es genügt, wenn Architekturstudentinnen an den Projekten von Morger und Degelo vorbei geführt werden, ohne dabei auf die Unbrauchbarkeit für die BenutzerInnen hinzuweisen oder auf die konzeptionellen Fehler aufmerksam zu machen. Wir haben doch einmal genug von den selbsernannten Hors-sol-Spezialisten. Selbst eine Fähre wurde auf äusserst fragwürdige und unprofessionelle Art und Weise so erzwungen. Der Messeturm ist ja als kubistischer Phallus Ursprung für Gespött genug. Die Bar Rouge lässt grüssen! Oder die milliardenteure Nordtangente: "Es sind Idioten, die in unserer Zeit eine Autobahn durch eine Stadt zu bauen!, so Gäste aus Deutschland bei der Ciba Spezialitätenchemie. Jean-Luc Aeby, Basel "Angemesseneres Projekt wäre angenommen worden" Immer wieder wird ein angebliches Nein zur Calatrava-Wettsteinbrücke als einer der schlagenden Beweise für die abgrundtiefe Kulturfeindlichkeit der Basler Stimmbürgerinnen und -bürger angeführt. Nach meiner Erinnerung war es so: 1990 haben die Stimmenden relativ knapp Ja zum Projekt Bischoff+Rüegg gesagt. Gegen die Vorlage des baureifen Projektes war das Referendum ergriffen worden unter anderem mit dem Hinweis auf einen noch längst nicht baureif ausgearbeiteten Projektsentwurf von Calatrava. Nachdem ein früheres Projekt bereits einmal abgelehnt worden war, wollte eine Mehrheit nun keine weitern Verzögerungen mehr. Seit vielen Jahren rostete die alte Wettsteinbrücke dahin. Wegen Überlastungsgefahr konnte beispielsweise stets nur ein Tramzug die Brücke überqueren. Urs Engler, Bettingen "Warum nicht ein Hafen-Casino?" Die Frage ist: Warum hat das Volk so votiert? Geld oder Kultur? Ich schätze mal wegen zu viel Geld und zu wenig Kultur! Aber Basel als alterwürdige Museums- und Schlafstadt hat ja nun vielleicht eine neue Chance, um einem bahnbrechenden (für Basler Verhältnisse) Projekt endlich zum Durchbruch zu verhelfen, welches gewisse weitsichtige, aber politisch geächtete Promotoren seit Jahren, ja Jahrzehnten vorschlagen. Also: Warum nicht ein "weiterer" Musiktempel im Basler Rheinhafen (da gibst ja seit neustem schon ein paar) und ein paar Hochhäuser, um drin zu wohnen gleich mit dazu. Das wäre dann mal ein wirklich grosser Stadtentwicklungswurf, im Vergleich zu diesen immer gleichen bemitleidenswerten Neubauprojektchen internationaler Stararchitekten in der Basler Innenstadt, die der Stadt Basel stadtentwicklungstechnisch aber rein gar nichts bringen. Bruno Omlin, Schanghai "Ich schäme mich für meine Stadt" Wer in Bilbao gesehen hat, wie sich ein einzelnes Gebäude, das Guggenheim-Museum, auf die Stadtentwicklung auswirken kann, wird diesen Entscheid kaum verstehen. Die "Kulturstadt" Basel versinkt mehr und mehr in Provinzialismus. Neue Museen und architektonisch interessante Gebäude werden nur noch von Privaten oder Institutionen errichtet. Der öffentliche Raum wird denkmalschützerisch erhalten und dies nicht nur in Volksabstimmungen, sondern auch durch eine selbstherrliche Stadtbildkommission und Heimatschutz. Jacques Reiner, Basel "Gezielt gehätscheltes Klima der Unzufriedenheit" Hat tatsächlich jemand, der das politische Klima unseres Stadtkantons, aber auch unseres Landes, etwas sensibler betrachtet, im Ernst geglaubt, dass dieses Stadtcasino-Projekt eine reelle Chance vor dem Volk hat? Woher sollen denn in der Bevölkerung Visionen entstehen, wenn uns die politischen Visionäre seit vielen Jahren ausschliesslich "fünf nach zwölf"-Melodien vorspielen und rigorose Selbsbeschränkungen fordern? Wie sollen denn grosse Würfe Gnade vor dem Volk finden, wenn ständig der "Schmalhans als Küchenmeister" unseres Staatshaushaltes beschworen wird und gleichzeitig laufend neue Abstraf-Steuern bzw. -Gebühren erfunden werden als Zuchtruten für ungebührliches Verhalten – beispielsweise im Umweltschutz oder zum unsäglichen Thema Gerechtigkeit? Wie soll denn die elitäre Kultur in Basel noch Anwältinnen und Anwälte finden, wenn dieser Stadtkanton die "habligeren" und meist auch kulturbeflisseneren Einwohnerinnen und Einwohner mit einer unfreundlichen Steuer- und Wohnbaupolitik weiterhin aus der Stadt hinaus treibt? Edi Borer, Basel "Die Mehrheit der Bewohner Basels hat die Nase randvoll" Beatrice Alder, Mitglied des grün-kommunistisch disponierten Bündnis, gelangt zu der Herz brechenden Erkenntnis: "Das Casino-Projekt von Zaha Hadid war ein elitäres Projekt, dessen Rendite den Aufwand gerechtfertigt hätte (...) Wem gehört die Stadt? Uns, die wir hier leben und sie lieben." Soweit, die Romantik. Patric C. Friedlin, Basel "Sparhysterie unterstützte Ablehnung" Sehr differenzierte Stellungnahme zum Thema. Vielen Dank. Ergänzen möchte ich nur noch, dass die Sparhysterie sicher einen Teil der Stimmenden zum Neinsagen bewog, was weiter ja nicht erstaunt. Viktor Krummenacher, Bottmingen "Habe ich Sie richtig verstanden?" Herr Jacques Reiner, habe ich das jetzt richtig verstanden: Sie schämen sich einer kleinen Stadt, in welcher Kultur und vor allem Architektur auch ohne Design-Casino schon einen sehr grossen Stellenwert hat? Wo seit über drei Jahrzenten die "Art Basel" Weltruf geniesst? Wo Unglaubliches bewegt wird, wenn wirklich gute und angemessene Finanzierungen anstehen (Picasso-Bilder, Schauspielhaus, Nationalbank-Annex, Tramschienen)? Und Sie schämen sich einer Stadt, deren Bevölkerung das Recht wahrnimmt "Nein" zu sagen, wenn man sie dann schon frägt? Daniel Thiriet, Riehen "Überhebliche Elite-Rhetorik aus Architektur-Kreisen" Die Tendenz, jetzt in Untergangsstimmung zu verfallen, kann ich nicht nachvollziehen. Die Grundstimmung in Basel scheint mir viel positiver zu sein, als manche enttäusche Befürworter es wahrhaben wollen. Das geplante Hochhaus der Roche abseits der Innenstadt hat mit einem staatlich subventionierten Casino-Bau wenig zu tun, das werden auch die Stimmbürger wissen, die in solchen Fragen häufig unterschätzt werden. Karl Linder, Basel "Ein Riesendank an die grosszügigen Spender" Alle mit Erfahrung im Sammeln wissen, was 37 Millionen Schweizerfranken bedeuten! Ein Riesendank soll deshalb zuerst an die vielen sehr grosszügigen Spender gehen. Nicht vergessen sollen auch diejenigen sein, die viele "Klinken geputzt" haben und mit ihrem Einsatz für den Neubau eingestanden sind. Es ist, wie es ist - 35 Millionen gehen jetzt wieder zurück an die Donatoren, 2 Millionen an die Schadensbehebung. Nach dem deutlichen Verdikt der Basler kann die Casino Gesellschaft einen zweiten Anlauf vorerst vergessen. Glücklich aber sind die Musiksaalbesucher über die Eliminierung des Tramlärms. Eine im Trubel fast vergessene grosszügige Spenderin. Nach dem 17. Juni 2007 wird das Sammeln aber sehr viel schwieriger werden und Basel wird das leider zu spüren bekommen. Christoph Buxtorf, Basel "Regieriung ist Knecht, nicht Regent des Volkes" Als eine von vielen Casinoneubau-Gegnern freut es mich ungemein, dass das Stimmvolk den Klotz durch seine Stimme verhindert hat. Nun nerven mich aber die Trotzreaktionen von Barbara Schneider, wie: "Basel hat das Hässlich gewählt, nun bekommt Basel das Hässliche" oder "Basel versteckt sich in seinen Schneckenhaus". Die Regierung wurde vom Volk gewählt, um umzusetzen, was das Volk will, und nicht um über die Stimme des Volkes zu urteilen. Die Regierung ist der Knecht des Volkes und nicht dessen Regent. Krystine Niggli, Riehen "Hobbyraum für gutbetuchte Oberschicht" Für einen elitären Kreis von Gutbetuchten sollte der Steuerzahler 40 Millionen hinblättern, damit die Elite im feudalem Rahmen klassische Musik geniessen kann. Steuergelder sind nicht dafür da, irgendwelche privaten Visionen und Projekte finanziell zu unterstützen. Der Kanton Basel-Stadt zockt den normalen Steuerzahler verglichen mit anderen Kantonen sowieso übermässig hoch ab. Der Kanton sollte zuerst für die normalen Steuerzahler die Steuern senken, bevor er darüber nachdenkt, der gutbetuchten Oberschicht von Basel einen millionenteuren Hobbyraum zu finanzieren! Die Mehrheit der Basler Bevölkerung muss hart für ihr Geld arbeiten und jeden verdienten Rappen versteuern. Die Abfuhr für das Casino war die richtige Reaktion des hart arbeitenden Steuerzahlers. Philippe Hurni, Basel "Hören wir doch mit der überholten Leier auf!" Auf welche dumpfen Gefühle Herr Hurnis Ausfälle zurückzuführen sind, weiss ich nicht. Mir völlig unverständlich, redet er ständig von einer "gutbetuchten Oberschicht" und behauptet, nur für diese Cüpli-trinkenden "Oberen Zehntausend" wäre das neue Konzerthaus gedacht gewesen. Und dafür dann auch noch Steuergelder! Ich gehöre ganz und gar nicht zur "gutbetuchten Oberschicht", aber ich liebe dennoch die klassische Musik - und klassische Musik braucht halt nun einmal einen würdigen Rahmen, den das alte Stadtcasino nicht mehr bieten kann. Schon gar nicht im Sommer, wenn Musiker und Publikum unter der Hitze im schlecht belüfteten Musiksaal leiden. Andrea Bollinger, Basel "Immer mehr Billig-Ladenmeilen in Basel" Die (noch) schöne Stadt Basel verkommt immer mehr zu einer kleinbürgerlichen Provinzstadt, zuerst die Calatrava-Brücke und jetzt das Casino (es gäbe noch andere Beispiele), alles Bauwerke, die der dringend notwendigen Attraktivität von Basel gut getan hätten. Dafür haben wir aber die "Geiz ist geil"-Billig-Ladenmeilen im Kleinbasel und wahrscheinlich bald auch im Grossbasel, wahrlich eine tolle Errungenschaft. Wo ist der fortschrittliche Geist von Basel geblieben? Kleinkariertes und konservatives Denken herrschen vor und dies in allen Variationen. Und wenn es einigen nur darum geht, der heutigen Regierung politisch eins auszuwischen, das Thema scheint da nebensächlich. Ist es doch so, wie viele vermuten, dass die weitblickenden und fortschrittlich eingestellten Basler nicht mehr in der Stadt wohnen? Es scheint leider so. Armes Basel. Bruno Heuberger, Terra Alta / Spanien "Mythen sterben nie!" Und schon ist der nicht realisierte Casino-Neubau der Star-Architektin Zaha Hadid eine verpasste Chance, ähnlich wie das Brückenprojekt von Calatrava, über das in Tat und Wahrheit nie abgestimmt wurde. Es war seinerzeit ein vieldiskutiertes Projekt, das aber auf Grund von fachlich begründeten Einwänden beim damaligen Baudepartement aus Rang und Traktanden fiel. Bruno Honold, Basel "Die Bedenken Anderer sind nicht weniger gerechtfertigt" Nun wird ja in der Regel immer jenen, die in einer Sache anders denken, nachgesagt, dass sie Angst vor jeglicher Veränderung hätten, und ihnen die Courage fehle zu mutigen, zukunftsweisenden Entscheiden. Ich frage mich nun, was aus vorstehendem Titel denn anderes spricht als Besorgnis über die Zukunft (Zukunftsangst) in genau dieser Sache. – Menschlich verständlich ist, dass man für die eigenen Ängste und Bedenken wohl stets mehr Verständnis aufbringen kann. Deshalb sind aber die Bedenken Anderer nicht weniger gerechtfertigt und in einer Demokratie eigentlich so zu respektieren und bestenfalls auch zu schätzen. Die Befürworter könnten mit einer subtileren Reaktion auf das Abstimmungsresultat nun Grösse zeigen. Jene Grösse, die sie sich durch den Bau des Casinos für die Stadt Basel erhofften. Nun haben wir halt beides nicht. Eigentlich schade, denn das ist die zweite "verpasste Chance". Martin Stumpf, Riehen |
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