Geld stinkt nicht – jedenfalls nicht nach Urin
Was nicht stimmt, natürlich stinkt Geld, riechen Sie mal an Ihrem Portemonnaie. Aber weniger als Urin, das ist unstrittig. Den Spruch hat nämlich Vespasian irgendwann um 70 n. Chr. fallen lassen, als die Leute die Nase über seine Urin-Steuer rümpften. Wenn auch nicht auf Deutsch, sondern auf Lateinisch. Er sagte vermutlich in etwa pecunia non olet, atquin e lotio est, also irgendwie Geld stinkt nicht, auch wenn es von Urin stammt. Geld riecht nicht nach dem womit es verdient wurde, das stimmt.
Dafür stinkt sonst so einiges, was mit Geld zu tun hat. Zum Beispiel die Tatsache, dass am meisten Geld mit Geld verdient werden kann. Wer also schon viel auf der hohen Kante hat, der kriegt immer schneller und leichter noch mehr, als der, der nichts hat ausser seinen Fähigkeiten.
Deswegen gab es ja immer mal wieder Zinsbeschränkungen: Wer reich war, sollte nicht auf Kosten des Armen, der Geld brauchte, noch reicher werden. Schon im römischen Reicht bekämpfte Justinian Wucher mit fixen Maximalzinsen. Vielleicht hat es ja Vespasian abgesehen von seiner Urin-Steuer auch mit den Zinsen übertrieben, wer weiss. Da er ausschweifend lebte, vermute ich allerdings, dass er eher kein Geld hatte, das er hätte ausleihen können.
Die Christen litten früher unter einem totalen Zinsverbot, denn die Bibel will keine Zinsen. Anlässlich der Reformation wurde das Verbot dann allerdings aufgehoben – anders als andere Verbote der Bibel, die noch immer von der Kanzel gepredigt werden, weil sie keine negativen pekuniären Folgen haben, nebenbei bemerkt. Das Zinsverbot des Islams gilt noch immer. Und wird mit innovativen Einfällen aller Art umgangen.
Und so leben wir samt und sonders auf Pump, machen Schulden und beanspruchen Kredite bis zum Geht-nicht-mehr. "Kaufen Sie heute, bezahlen Sie morgen" heisst die Devise. Denn im Gegensatz zu Geld stinken Kreditkarten wirklich nicht.
Aber nicht nur Sie und ich leben auf Pump, wir haben überschuldete Kontinente, Länder und Städte. Von den USA bis zum schönen Baselbiet – alle haben sie Schulden, benötigen Steuergelder für Zinszahlungen, statt den Mammon in Sinnvolleres zu investieren. Resultat: Die Bevölkerung zahlt Steuern und hat nichts davon. Hätte die Regierung erst gespart und dann ausgegeben – sie hätte Milliardenbeträge an Zinsen gespart, die hätten investiert werden können. In die Bildung, in die Sicherheit, in die Sauberkeit.
Wem zahlen wir eigentlich all diese Zinsen? Wer hat soviel Geld, diese Wahnsinnssummen an ganze Nationen ausleihen zu können? Wer eigentlich?
Die Banken? Die legen Gelder Dritter an. Natürlich verdienen auch die Banken unglaublich gut, das ist inzwischen sattsam bekannt. Aber hinter den Banken stehen andere. Wer also ist das, wer gibt das Geld, kassiert die Zinsen, verdient am Geld immer mehr, kann immer mehr ausleihen? Denn die Spirale dreht sich – so wie auf der einen Seite nach unten, so auf der andern nach oben.
Wir wissen es nicht, und mir ist das unheimlich. Da gibt es eine Schattenmacht mit unglaublich viel Geld, deren Gesicht wir nicht kennen. Und da frage ich mich dann, was wir mit unserer Direkten Demokratie, mit unserem Datenschutz und unserer Gewaltentrennung überhaupt noch ausrichten können, wenn wir, bei Lichte betrachtet, doch nichts anderes als die armseligen Schuldner von jemandem sind, den wir nicht kennen. Je höher unsere Schulden sind, desto mehr liefern wir uns aus, werden zu Marionetten. Von wem?
Denke ich das so durch, mir wäre fast noch lieber, das Geld würde nach Urin stinken.
12. September 2011