Mit "Swiss" darf es kein zweites Grounding geben
Von PETER KNECHTLI
Crossair rief und die Medienschaffenden aus aller Welt kamen. Der Niedergang der Swissair war ein Thema, das die Schlagzeilen während Monaten, wenn nicht während Jahren dominierte. Kein Wunder, bleibt das Interesse an der nationalen Airline noch immer auf einem Niveau, als würde ein neuer König ausgerufen.
Was die Londoner Agentur des smarten Tyler Brûlé dann präsentierte, war nicht umwerfend. Insbesondere ist die typografische "Tipp-Ex-Variante" ("20 Minuten") von einer Rafinesse, wie sie auch eine Grafikfachklasse hätte bieten können. Die Univers-Textlösung ist konservativ, die alternierenden Hauptmarken auf den Flugzeugen - mal Rätoromanisch, mal Deutsch und meist Englisch - nicht über jeden Zweifel einer Corporate Identity erhaben.
Auch die Anmutung der Marke "Swiss" ist in ihrer Knappheit nicht von einer Art, die auf Anhieb Sympathie auslöst - ganz abgesehen von möglichen rechtlichen Problemen durch den Gebrauch von Original-Landesnamen. Kein Zweifel: Dieses nackte "swiss" ist so gewöhnungsbedürftig wie seinerzeit Novartis. Und mit seiner Unauffällgikeit repräsentiert es eben auch eine schweizerische Eigenschaft, die André Dosé "Swissness" taufte.
In der Verdichtung auf das Wesentliche liegt aber auch ein grosser Vorteil: Die Gefahr möglicher sprachlicher Missverständnisse ist ebenso minimiert wie jene der juristischen Haftbarkeit für Altlasten.
Eine ganz andere Frage ist, ob es ethisch erlaubt und patriotisch korrekt ist, sich als privates Unternehmen den Originalnamen in vier Landessprachen unter den Nagel zu reissen. Dies ist das eigentlich Freche an der Londoner Kreation und wird sicher noch Diskussionen auslösen.
Anderseits waren es die Medien, die aus Swissair eine Nationalheilige gemacht haben. Nachdem nun die öffentliche Hand über zwei Milliarden Franken eingeschossen hat, ist nicht mehr verwunderlich, dass diese Öffentlichkeit in Form einer fliegenden Litfasssäule mit der Botschaft "Schweiz" einen entsprechenden Gegenwert beansprucht, der erst noch die patriotischen Gefühle ebenso wecken dürfte wie weiland Swissair.
Ein Aspekt der Markenwahl ist allerdings von grosser Brisanz: Solange das Geschäft läuft, ist die fliegende Standortwerbung sehr willkommen. Doch gute Nacht, wenn es nochmals zum Kollaps käme und diesmal ein "Swiss-Grounding" weltweit Schlagzeilen machte. Mit seinem aviatischen 1.-August-Abzeichen hat sich André Dosé eine gehörige Portion Erfolgsdruck ans Revers geheftet: Ein zweites Grounding darf es ganz einfach nicht mehr geben.
1. Februar 2002
"Die grössten Würfe sind meist die einfachen"
Auch ich habe erst leer geschluckt, als ich das neue Corporate Design der "swiss" sah. Derart banal - das darf ja nicht sein. Und dann diese viersprachigen Anhängsel, die auf dem Flugzeug eher wie einer rote Verschmutzung anmuten (als ob die Farbe im Flug ausgewaschen worden wäre).
Und überhaupt ... Gemach, gemach: Ich erinnere mich noch sehr gut an einen ähnlichen Aufschrei, als die Swissair seligen Angedenkens vor Jahren - ich glaube irgendwann Ende der siebziger - ihr Flieger-Pfeil-Symbol mit ebenfalls einer scheinbaren Banalität ersetzte. Das darf ja nicht sein, war der allgemeine Tenor. Und dann diese Farben: Rot, weiss und BRAUN, herjesses! Doch kurze Zeit später wurde die Genialität dieses Designs offensichtlich. Es funktionierte in und auf allen Lebenslagen: riesengross und en miniature. Und dieses CD besass ein unverwechselbares Gepräge, das sich lange Jahre - bis vor kurzem - als Wertsymbol hielt.
Ich weiss nicht, ob das auch der "swiss" dereinst beschieden sein wird. Eines ist jedoch gewiss: Die grössten Würfe im Design sind meist die einfachen, schlichten und klaren Auftritte. Also: Abwarten, dieses "swiss" muss sich erst etablieren, dann muss es mit der angestrebten Qualität quasi aufgefüllt werden. Und vielleicht merken wir schon bald, dass es gar nicht so schlecht ist.
Edi Borer, eidg. dipl. PR-Berater, Basel
"Es gibt Grenzen der Verkommerzialisierung"
Ist heute der 1. April? Wenn ich mich nicht irre, gibt es schon einen Staat, der ziemlich gleich heisst, jedenfalls in den Landessprachen. Ich bin zufällig Mitglied dieses Staates und absolut gar nicht bereit zu akzeptieren, dass irgend eine Firma mit diesem Namen Werbung oder Geschäfte macht. Wenn diese Firma den gleichen Mist baut wie die Swissair - und wir haben keine Garantien, dass das nicht so sein wird, schliesslich hat sie denselben Paten (Gut) wie die Pleitefirma -, dann wird dieser Name mit in Verruf gebracht. Und irgendwo bin ich da stur: Es gibt Grenzen der Verkommerzialisierung. Nicht weil ich stolz wäre auf mein Land, sondern weil ich Teil bin davon und nicht ungefragt Teil irgendeiner Firma werden will, die sich diesen Namen anmasst.
Bernhard Bonjour, Liestal