![]() "Tempo 30"-Mobilisierung in GelterkindenVon PETER KNECHTLI
Dass Verkehrspolitik in Gelterkinden die Emotionen weckt, ist nicht neu. In der Auto-Euphorie der siebziger und Anfang der achtziger Jahre stand ein Projekt einer Umfahrungsstrasse nach Tecknau und Rünenberg ernsthaft zur Debatte. Das Projekt hatte im Landrat keine Chance. Damalige Umweltschützer im Dorf hatten sich zuvor zu einer Initiativkomitee-Bürgerinitiative formiert und heftigen Widerstand angekündigt.
Später skizzierte eine "Arbeitsgruppe Wohnqualität in Gelterkinden" (AWG) Vorschläge für mehr Sicherheit und Ruhe im Dorf. Heute besteht eine kurze "Begegnungszone", die ihren Namen nur knapp verdient.
Heute sind – finanziell oder ideell unterstützend – im Hintergrund immer noch einige damalige Umfahrungsgegner für die Einführung von "Tempo 30" aktiv. Doch massgeblich aktiv sind eher jüngere Personen, besonders stark vertreten sind Frauen und Mütter. Sie beobachten mit Sorge, was auch alteigesessene Bewohnerinnen und Bewohner immer wieder über die Verhältnisse auf den häufig nicht mit Trottoirs versehenen Strassen in Wohnquartieren beklagen: "Die fahren wie die Wahnsinnigen." Der Gemeinderat spielte kürzlich Es war ursprünglich die lokale SP-Sektion, die vor drei Jahren die "Tempo 30"-Forderung aufs politische Tapet brachte. Der Gemeinderat nahm das Thema auf, organisierte Bürgerversammlungen, nahm die Stimmung auf und legte, untermauert mit einer Petition, vergangenen Dezember mit dem Antrag auf Zustimmung eine Vorlage zur Einführung von "Tempo 30" vor die Gemeindeversammlung.
Seit vielen Monaten – und auch heute noch – hängen die kleinen blau-gelben Ja-Plakate in grosser Zahl an privaten Liegenschaften und Gartenzäunen, die zur Mobilisierung an der Gemeindeversammlung gedacht waren. Das Ergebnis war klar: 102 Ja gegen 46 Nein bei drei Enthaltungen.
Doch ob die Stimmung auch in der Bevölkerung so klar ist, wird sich am 13. Juni zeigen: Exponenten wie alt Nationalrat Caspar Baader (SVP), der bürgerliche Fraktionspräsident Christian Tanner (FDP) und Nachwuchspolitiker Pascal Catin als FDP-Präsident ergriffen mit beachtlichen 860 Unterschriften das Referendum.
Eines fällt auf: Die Befürwortenden stehen mit Namen zu ihrem Anliegen – sei es beim Verteilen von Flugblättern oder "Tempo 30"- "Tempo-Nastüchern oder mit 430 deklarierten Personen-Namen auf dem Flyer. Die öffentlich sichtbaren Gegner beschränken sich im Wesentlichen auf das Referendums-Komitee. Ihr PS-starkes Wahlkampf-Utensil ist ein Parolen-beklebter grauer "Alfa Romeo"-Oldtimer, der als Hingucker dient und als Werbeträger durch die engen Quartierstrassen kurvt.
Doch als grosse Unbekannte bleibt die Frage, ob es in Gelterkinden nicht eine "schweigende Mehrheit" gibt, bei der – ohne Rücksicht auf den grossen öffentliche Nutzen – Schlagworte wie "unnötig und teuer", "keine weiteren Regulierungen" oder "links-grüne Ideologie" noch verfangen.
Dabei spielte der mehrheitlich bürgerliche Gemeinderat eine sehr fragwürdige Rolle als Stimmungs-Beeinflusser: Wenige Wochen vor dem Abstimmungstermin veröffentlichte er – ob animiert durch befreundete Gegner, bleibt offen, sicher aber zu ihrer Freude – ein düsteres Finanzplan-Szenario und der Ankündigung, dass Sparprogramme unumgänglich seien.
Eine Prognose über den Ausgang der Abstimmung ist schwierig. Zu den namentlich deklarierten Befürwortern von "Tempo 30" zählen nicht nur links-grün engagierte Kreise, sondern auch Ärzte, bürgerliche Gewerbetreibende, um die Sicherheit der Kinder besorgte Schulbehörde-Mitglieder und alteingesessene, nicht parteipolitisch gebundene Persönlichkeiten.
Wenn sich unter ihnen und ihrem Umfeld die Einsicht durchsetzt, dass "Tempo 30" flächendeckend als lange pendentes Traktandum fairerweise nicht unter den Sparhammer fallen darf, dann hat das Sicherheits-Anliegen eine echte Chance. Der Kredit mit seinen 336'000 Franken bleibt im Vergleich zum 15 Millionen-Hallenbadkredit so bescheiden und werthaltig, dass eine Beruhigung auf Gelterkinder Quartierstrassen nie mehr günstiger zu haben sein wird.
Transparenz: Der Autor engagiert sich in dieser kommunalen Frage und ist Mitglied des Ja-Komitees. 1. Juni 2021
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