Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere – Schweizer Erstaufführung
"Verbrennungen"
Autor: Wajdi Mouawad
Regie: Florentine Klepper
Bühne und Projektionen: Bastian Trieb
Mit Chantal Le Moign, Isabelle Menke, Peter Schröder, Sandro Tajouri
Vom Grauen des Krieges
So schrecklich es ist: Wir kennen den Krieg nur als Unterhaltung. Da werden wir wie die Kinder beim Spielen, wenn wir uns im Kino oder am Fernsehen an Detonationen und Gesichtern ergötzen. Jede unserer Betroffenheitsgesten gerinnt zur Schauspielerei. Denn wir haben den Krieg (fast alle) nicht erlebt.
Aus dem Kriegsland Libanon stammt hingegen der 40-jährige Autor Wajdi Mouawad, der in Frankreich aufwuchs und heute in Kanada lebt. Dort, in Kriegsferne, schrieb er 2003 im Rahmen eines work in progress "Verbrennungen".
Es ist, hätte er damit seinen eigenen Weg, aus der friedlichen Westgesellschaft in die Kriegshölle des Nahen Ostens, zurückverfolgt: Die Zwillinge Jeanne und Simon erfahren nach dem Tod ihrer Mutter, dass es da noch einen Vater und einen Bruder gebe, die beide, trotz den Kriegswirren in ihrer ursprünglichen Heimat noch leben sollen. Die tote Mutter verlangt testamentarisch, dass ihre Kinder diese nun aufzusuchen hätten. Die Recherche in der fernen Heimat birgt ein Grauen am Ende, das hier nicht verraten werden soll. Es wird aber hinlänglich klar, warum die Mutter es nicht über sich brachte, den Kindern die Wahrheit über ihre Herkunft in Worten mitzuteilen.
Man seufzt mit dem 140-Minuten-Stück. Wir verfolgen gebannt, wie schmerz- und mühevoll die Zwillinge ihre Geschichte aufblättern, um in filmschnittartig eingesetzten Rückblenden die Leiden der jungen Mutter zu erleben. Je mehr sich die Einzelschicksale aus dem Massenverhängnis fädeln, desto stärker zeigt der Krieg seine grausigen Variationen – und je mehr wir von der "Auflösung" erfahren wollen, wollen wir auch die Befriedigung erleben, dass das Stück grösstmögliche Authentizität habe in Bezug auf das Phänomen des Krieges.
Hat es das? Kann es das überhaupt haben? Gewiss hat sich der Autor redlich bemüht, Geschichten über die kaum heilbaren "Verbrennungen" des Krieges zu erfinden. Wirkungsbewusst fügt er Stein um Stein ins Puzzle; "Verbrennungen" ist ein Konstrukt, mit Versatzstücken aus westlicher Psychologie und archaischen Hirtengeschichten.
Hier nun in Basel auf der engen Kleinen Bühne wirkt das Stück wie ein Labor-Experiment. Die 32-jährige Regisseurin Florentine Klepper hat das Konstrukt weiter stilisiert: Mit Videoprojektionen von Mauerstücken oder eingespielten Walgesängen. War das nötig? Genügte hier die Geschichte nicht, die möglichst einfach am wirkungsvollsten ist? Ferner: Alle spielen mehrere Rollen. Isabelle Menke stellt Mutter und Tochter dar. Damit richten wir unser Empfinden nicht auf die spezifische Figur, sondern wir abstrahieren: Auch in der Tochter steckt die Mutter etc.
Das Problem: Es nimmt die Absicht des Stückes vorweg, das in der Überwindung des Egoismus seinen tieferen Sinn hat.
29. Februar 2008