Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere
Doubleface oder die Innenseite des Mantels
Texte: Maurice Blanchot/Jürg Laederach, Christian Dior, Ensemble
Dramaturgie: Malte Ubenauf
Regie, Bühne, Kostüme: Anna Viebrock
Kostüme aus der Sammlung des ehemaligen Kleiderladen Cheesmeyer, Sissach
Mit Jan Bluthardt, Marc Bodnar, Carina Braunschmidt, Mavie Hörbiger, Linda Olsansky, Graham F. Valentine und als Gast Jürg Laederach
Die Innenseite des Christian Dior
Vielleicht sollte es Regisseurin Anna Viebrock mal mit Film versuchen. Erneut setzt sie dem Basler Publikum wie schon bei ihrem Basler Einstand ("69 Arten", 2006) einen traumartigen Szenenreigen vor, der in vielem an den dialoglosen Tanzfilm "Le Bal" von Ettore Scola (1983), mitunter auch an die absurden Film-Szenen Bunuels erinnert. Und als hätte es die 55-Jährige gerade auf solche Erinnerungen angelegt, lässt sie die Schlüsselszene des Juwelen-Raubs von Jean-Pierre Melvilles "Le Cercle Rouge" (1970) komplett nachspielen, in dem Yves Montand mit einem freihändigen Gewehrschuss die Alarmanlage ausklickt.
Aber der Film hat die Naheinstellungen als Mittel zur Verfügung, in der zwei Schuhe in Grossaufnahme, die über einen Teppich gehen, die Spannung erhöhen. In der Riesen-Totale der Bühne hingegen "verschwinden" diese genau gesetzten Details wie Gesten und Mimiken, mit der die Collagen-Regisseurin ihr szenisches Gewebe knüpfen will. Der Traum ist zu wenig plastisch und prägnant geformt für die Bühne.
Das erklärt teilweise, warum der Abend immer wieder schwer durchhängt, und wir blöderweise nach dem Warum zu fragen beginnen, wo wir doch einfach nur "drin" bleiben, schauen, hören und wirken lassen sollen. Denn die Bühnenbildner-Regisseurin will uns fühlen machen, dass hinter der Fassade eines Gesichts, eines Möbels, einer scheinbar unbedeutenden Nebenhandlung eine Überwirklichkeit steckt: Die ominöse andere Seite.
Gerade recht kam ihr da das Thema "Modezar", der erste moderne Mode-Macher Christian Dior (1905-1957), in dessen Haute-Couture-Geschäft wir die Jahre mit seinen Kollektionen vorbeidefilieren sehen: "Doubleface" heisst der Stoff, bei dem auch die Innenseite herausgekehrt und nach aussen getragen werden kann.
Lustig erklärt der Slapstick den tieferen Sinn des Abends, wo Yves Saint Laurent (Valentine) und Christian Dior (Bodnar) darüber verzweifeln, welches die Innen- und welches die Aussenseite ihres Mantels sein soll: Sie kehrens und wendens, ziehen den Mantel hundert Mal neu an, und findens nicht heraus. Dazwischen führen sie Gespräche - genauer gesagt: sie monologisieren - über Ängste und diese "andere Seite". Die beiden Männer tragen den Abend mit ihrem komischen Talent.
Weniger geglückt sind die Models. Es fehlt ihnen die natürliche Selbstverständlichkeit der Eleganz, die Unschuld ihrer Darbietung. Hatten sie Angst davor, Frauen der Voremanzipation ohne Wenn und Aber zu verkörpern? Als einen Fernseh-Philosophen-Mabuse hat der Basler Schriftsteller Jürg Laederach einen kurzen Video-Auftritt. Den (kräftigen) Applaus nahm er, herzhaft lachend, diesmal ohne Stöcke und Rollstuhl, frei auf der Bühne stehend, entgegen.
26. Januar 2008
