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                "Überspitzter Föderalismus": Sicherheits-Politiker Jörg Schild
                
                
                Ausländer-Kriminalität: "Ich bin mit den Statistiken nicht zufrieden"
                
Der Basler Polizeidirektor Jörg Schild über die mangelhaften Kriminal-Statistiken und unsolidarische Land-Kantone
                
                
                Von Peter Knechtli
                
                
                
                Für Transparenz in der Deklaration der Nationalitäten von Gewalttätern und Drogendealern plädiert jetzt auch der freisinnige Basler Polizeidirektor Jörg Schild. Er warnt aber gleichzeitig auch vor Verallgemeinerungen und kritisiert im Asylbereich unsolidarische Kantone. Im Interview mit OnlineReports fordert der aber auch aktuellere und differenzierte Statistiken und detailliertere Angaben zu einheimischen Tätern.
                
                OnlineReports: Herr Schild, was sagen Sie zu unserer Täter/Opfer-Grafik, die weit herum für  Gesprächsstoff sorgt?
Jörg Schild: Was ich ausdrücklich gut und  richtig finde, ist die Tatsache, dass sie das Thema Ausländerkriminalität auf  den Tisch bringt. Das nützt ja letztlich auch der Arbeit der Polizei. Das  Problem ist, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Status eines Täters gar  noch nicht bekannt ist. Unbefriedigend an der Grafik ist, dass sie nicht  erlaubt, den Sachverhalt differenziert zu  betrachten.
OnlineReports: Dann hielten Sie es für wünschenswert,  in Polizeimeldungen auch den Niederlassungs-Status ausländischer Täter zu  deklarieren, sofern er bekannt ist?
Schild: Ich würde dies aus  zwei Gründen befürworten. Erstens fördert eine Unterlassung den Fremdenhass,  weil Vermutungen in den Raum gestellt werden. Zweitens hat die Bevölkerung ein  Recht darauf, informiert zu sein. Handkehrum wäre es aber auch nötig, bei  einheimischen Tätern detailliertere Angaben zu machen. Solange Persönlichkeits-  und Datenschutz gewährleistet sind, steht Angaben über Alter, Beruf und soziale  Herkunft sicherlich nichts entgegen.
 
"Eine Unterlassung der Deklaration
fördert den Fremdenhass."
OnlineReports: Wenn Sie von einem Schusswaffen-Vorfall, einem  Überfall oder einer Vergewaltigung erfahren – wie wichtig ist für Sie die  Nationalität des Täters?
Jörg Schild: Im Vordergrund steht bei mir  zunächst die Sorge um die erschreckend zunehmende Gewaltbereitschaft, auch jene  unter schweizerischen Staatsbürgern. Genau so wichtig ist die Frage, ob es Opfer  gab und die Täter gefasst wurden. Dann aber stellt sich - auch im Hinblick auf  unsere Integrationsbemühungen - die Frage des Täterbildes und der  Nationalität.
OnlineReports: Die jährlichen Zahlen der  Staatsanwaltschaft zeigen, dass überdurchschnittlich viel Gewalt und  Drogendealerei von Ausländern ausgeht. Erachten Sie die Ausländerkriminalität  als ein Problem für Basel?
Schild: Selbstverständlich! Aber ich  möchte vor der Definition warnen, wonach Ausländer-Kriminalität alle jene  Delikte seien, die durch Leute ohne Schweizer Staatsbürgerschaft begangen worden  sind. Wichtig ist, den Status ausländischer Täter zu analysieren. Dann erkennt  man auch, dass gewisse Deliktsgruppen für einen bestimmten Status typisch  sind.
OnlineReports: Fakt scheint zu sein, dass mehr als die  Hälfte der Ausländerdelikte von Tätern begangen werden, die zu Basel keinen  Wohnbezug haben – also beispielsweise illegalen Kriminaltouristen oder anderen  Kantonen zugeteilten Asylbewerbern. Ist gegen Gewalt-Import über die  Kantonsgrenze kein Kraut gewachsen?
Schild: Dass der Anteil an  Delikten, die von Ausländern begangen werden, grösser geworden ist, lässt sich  nicht wegleugnen. Wir haben aber nur eine Chance, wenn über die Kantons- und  Landesgrenzen hinaus am selben Strick gezogen wird und einheitliche Ziele  verfolgt werden.
OnlineReports: Sind Sie persönlich über den  aktuellen Stand der Ausländerkriminalität sauber  dokumentiert?
Schild: Ich berufe mich auf die bestehenden  Statistiken ...
OnlineReports: ... die nach unserer Feststellung  hoffnungslos veraltet und so lückenhaft sind, dass sich daraus keine Strategien  ableiten lassen.
Schild: Diese Frage müssten Sie dem Ersten  Staatsanwalt stellen. Wir erhalten die Statistiken auch erst im Nachhinein. Das  hat zu tun mit unserem geteilten Strafverfahren. Zu Beginn der Arbeit der  Polizei kennen wir das Täterbild sehr oft nicht, sondern erst dann, wenn der  Fall bei der Staatsanwaltschaft liegt ...
OnlineReports: ... aber  der Status eines Täters - Niedergelassener oder Kriminaltourist - ist doch rasch  bekannt.
Schild: Erst muss der Täter überhaupt gefasst werden  können. Aber danach sind auch wir auf eine sehr gute Kriminalstatistik  angewiesen.
 
"Auch die Staatsanwaltschaft
will bessere Daten und präzisere Schlüsse."
OnlineReports: Sind Sie mit den vorhandenen  Statistiken zufrieden?
Schild: Nein, ich bin mit den Datenmaterial  nicht zufrieden. Ich möchte den Schwarzen Peter aber nicht an die  Staatsanwaltschaft weiter spielen. Schon zu Zeiten, als ich Präsident der  Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz war, wurden wir beim Bund vorstellig und  verlangten, dass die eidgenössische Kriminalstatistik auch mit detaillierterem  Zahlenmaterial ausgestattet wird, um daraus die feineren Schlüsse ziehen zu  können.
OnlineReports: Wer aber auf der Website des kantonalen  Amtes für Statistik die neusten Zahlen zur Ausländerkriminalität sucht, findet  Zahlen aus den Jahren 2001 und 2002.
Schild: Statistiken sind für  die Polizei an der Front nützlich, um Schwerpunkte zu setzen. Für die  Integrationsarbeit sind sie allerdings nicht nur nützlich, sondern geradezu  unerlässlich. Soweit ich informiert bin, hat die Staatsanwaltschaft den festen  Willen, mit besserem EDV-Material bessere Daten und präzisere Schlüsse zu  ziehen. Hier ist einiges geplant. Das Problem ist auch dort erkannt. Aber die  Hauptursache dafür, dass wir keine befriedigenden Statistiken haben, liegt nicht  bei den Kantonen.
OnlineReports: In den einzelnen  Delikts-Kategorien wie Vergewaltigungen wird beispielsweise nicht ersichtlich,  ob die Täter in Basel wohnen oder ob sie Kriminaltouristen oder Asylbewerber  sind. Hier könnten mit verbesserten Daten auch allfällige Integrationsdefizite  festgestellt werden.
Schild: Ja. Aber für mich mindestens so  wichtig ist, dass die Ausländer von Anfang unseren Rahmen und unsere Spielregeln  kennen. Wir müssen die gesetzlichen Möglichkeiten haben, Leute, die sich nicht  an die Spielregeln halten, so rasch wie möglich dorthin zu schicken, wo sie  herkamen. Wir können in der internationalen Migrationsbewegung nicht der  Sammeltopf für Delinquenten sein.
 
"Wir können nicht
der Sammeltopf für Delinquenten sein."
OnlineReports: Man könnte Ihrem Departement unterstellen, es  könnte ein Interesse an unzureichendem Datenmaterial haben, um einen teilweisen  Misserfolg der Integrationsbemühungen zu verdecken.
Schild: Das  ist Hafenkäse. Das Problem liegt eher dort - Sie werden das beim kantonalen  Integrationsgesetz sehen - dass unsere Politiker nicht mehr fähig sind, ein  gemeinsames machbares Ziel zu definieren, sondern nur noch Ideale verwirklicht  haben wollen.
OnlineReports: Nach unserer Meinung fördert diese  Intransparenz Ausländerfeindlichkeit, weil es ein Leichtes ist, auch Delikte von  Kriminaltouristen den hier ansässigen Migranten  anzulasten.
Schild: Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Ich bin auch  nicht glücklich darüber, dass wir kein besseres statistisches Material haben,  das erlaubt, wissenschaftlich präzise Schlüsse zu ziehen. Die Folge ist, dass  Ausländerkriminalität von den Einen zu xenophoben Zwecken missbraucht wird,  während sie die Andern schön reden. Ich wehre mich gegen beide Extrempositionen.  Darum finde ich es richtig, dass man das Kind beim Namen  nennt.
OnlineReports: Die Zahlen würden zeigen, dass die hier  ansässigen Ausländer im Durchschnitt nicht gewalttätiger sind als die  Einheimischen.
Schild: Man darf aber nicht vergessen, dass 51  Prozent der Jugendarbeitslosen in Basel-Stadt Ausländer sind. Darum muss  Integration departementsübergreifend stattfinden. Hier haben wir schon noch  einen Nachholbedarf.
OnlineReports: Herr Schild, weshalb hat Basel  so viele ausländische Kriminaltouristen und delinquierende Asylbewerber aus  andern Kantonen?
Schild: Das ist das Problem jeder städtischen  Agglomeration. Bei uns kommt erschwerend hinzu, dass wir im Dreiländereck für  potenzielle Delinquenten relativ günstig liegen.
 
"Gewisse Kantone weigern sich,
delinquierende Asylbewerber einzugrenzen."
OnlineReports: Was können Sie dagegen  unternehmen?
Schild: Bei delinquierenden Asylbewerbern aus andern  Kantonen verfügen wir Ausgrenzungen. Ob wohl es schwierig ist, hoffen wir, dass  die Herkunftskantone gegenüber diesen Tätern auch Eingrenzungen  verfügen.
OnlineReports: Ist dies nicht der  Fall?
Schild: Es gibt Kantone, die sagen, sie seien nicht in der  Lage, die Eingrenzungen durchzuziehen.
OnlineReports: Der  Teufelskreis, der daraus entsteht, ist doch absehbar: Die ausgegrenzten Täter  reisen sogleich wieder nach Basel. Wie begründen die Kantone ihre Weigerung,  Asylbewerber einzugrenzen?
Schild: Sie verstecken sich hinter dem  administrativen Aufwand bis hin zur Bemerkung, es bringe ja nichts. Zum Teil  sind die Motive der Kantone rein egoistisch: Wer auf Eingrenzungen verzichtet,  hat potenziell kriminelle Asylbewerber nicht selbst am Hals. Es ist die selbe  unsolidarische Verhaltensweise, wie ich sie in der Drogenpolitik erlebte, wo  ländliche Gemeinden froh waren, wenn sich die Süchtigen in irgend einer  Grossstadt befinden. Damit müssen wir leben.
OnlineReports: Damit  wollen Sie leben?
Schild: Wir können nicht mehr als Druck machen  über nationale Politiker und Gremien. Ich kann die zuständigen Stellen eines  andern Kantons nicht direkt zwingen, die Eingrenzungen vorzunehmen. Darum  fordere ich griffigere gesetzliche Bestimmungen. Es ist für mich unverständlich,  dass jemand, der hier gegen Gesetze verstossen hat und das Land wieder verlassen  muss, auch nur einen Tag auf freiem Fuss ist. Auch ist der Bund gefordert, mit  wirklich allen Staaten Rückübernahme-Abkommen zu schliessen.
 
"Wir pflegen in der Schweiz
einen überspitzten Föderalismus."
OnlineReports: Wir kann der Kriminaltourismus verhindert  werden?
Schild: Wir pflegen in der Schweiz einen überspitzten  Föderalismus, der letztlich die Strafverfolgung behindert. Wir müssen endlich  mit der "Dies-ist-unser-Feuer"-Politik aufhören. Es fällt doch niemandem ein  Zacken aus der Krone, wenn sich nur noch das Grenzwachtkorps um die Kontrolle an  der Grenze oder im grenznahen Raum kümmert.
OnlineReports: Dann  müsste aber Personal aufgestockt werden.
Schild: Es müssten dann  in den Kantonen insgesamt rund 1'000 Sicherheitskräfte mehr eingesetzt werden.  Aber kaum kommen solche Ideen auf, folgen schon Einwände von Polizeiseite,  wonach die Grenzwächter dafür gar nicht genügend qualifiziert  seien.
OnlineReports: Wie wollen Sie die 1'000 Sicherheitskräfte  rekrutieren?
Schild: Ich gestehe offen, das ist gar nicht so  einfach. Das zeigen die vielen Bewerbungen für die Polizeischule, die zum Teil  recht hohen Anforderungen des Polizeiberufs nicht  genügen.
OnlineReports: Wäre mit Schengen/Dublin und der späteren  Personenfreizügigkeit nicht mit einem noch stärkeren Anstieg zu  rechnen?
Schild: Im Gegenteil: Dank dem  Schengen-Informations-System und dank der Möglichkeit, gezielte Kontrollen auch  im rückwärtigen Raum zu machen, wird die Sicherheit steigen. Es kommt dazu, dass  wir nachher die Möglichkeit haben, festzustellen, wer in irgendeinem andern Land  von einer Einreisesperre oder Fahndung betroffen  ist.
OnlineReports: Könnten beispielsweise Angehörige des  Festungswachtkorps für diese Aufgaben eingesetzt werden?
Schild:  Das muss letztlich der Bund entscheiden. Ich habe dem Bundesrat schon den  Vorwurf gemacht, er sei führungsschwach. Ich sage dies ganz offen, weil  Chefbeamte in der Öffentlichkeit bereits heftig über Konzepte stritten, während  der Bundesrat tatenlos zuschaute. Dazu, wie das Armee-Personal eingesetzt wird,  braucht es ein Machtwort von oben.
                 3. Juni 2005
                
                
                
                
                
                
                
                
             
            
            
                
                "Behörden müssen falsche Behauptungen öffentlich richtig stellen"
                
Die Überlegungen von Marc Ris und Philipp Hurni sind nicht von der Hand zu weisen. Leider hat es unter dem "Fussvolk" (Ausdruck Marc Ris) auch einige unverbesserliche Zeitgenossen, die wider besseres Wissen solche Statistiken bewusst zu ihren niveaulosen populistischen Zielen auf dreiste Weise missbrauchen und diese sehr lautstark ins Gegenteil umfunktionieren. Hauptsache, es passt gerade ins Konzept, Wahrheit hin oder her. Solche Typen verhindern auf einfältige Weise, dass auch gut gemeinte Statistiken ihren ursprünglichen Zweck erfüllen können. Da erwarte ich nun von den Behörden, dass sie den Mut haben, solche falsche Behauptungen öffentlich richtig zu stellen. Auch dies wäre ein wichtiger Beitrag zu einer ehrlichen Integrationspolitik. Vorausgesetzt man will dies.
            
                Bruno Heuberger, Oberwil
                
                "Bevölkerung gehört schonungslos informiert"
                
Die Bevölkerung gehört über die Ausländerkriminalität schonungslos informiert. Doch dies wird vermutlich gewissen Parteien überhaupt nicht ins Konzept passen. Wird doch ans Licht kommen, dass die Intergrationspolitik in Basel-Stadt gescheitert ist. Da nützt alles Schönreden nichts, eine geglückte Integrationspolitik heisst auch, dass sich die einheimische Bevölkerung wohl fühlen kann. Doch von diesem Zustand sind wir in Basel Lichtjahre entfernt. Nicht umsonst verlassen immer mehr die Stadt. Kritiker der fehlgeschlagenen Integrationspolitik werden von diesen Parteien sofort in die rechtsbraune Ecke gestellt.
            
                Philipp Hurni, Basel
                
                "Ein Rückfall ins Mittelalter?"
                
Elisabeth Noelle-Naumann hat einmal treffend festgestellt: "Statistik ist für mich das Informationsmittel der Mündigen. Wer mit ihr umgehen kann, kann weniger leicht manipuliert werden. Der Satz 'Mit Statistik kann man alles beweisen' gilt nur für die Bequemen, die keine Lust haben, genau hinzusehen." Frau Alders Aussage "Sie gehört aber ausschliesslich in die Hände von kompetenten Fachleuten" bescheinigt den Bürgern eine Unmündigkeit. Und ihr letzter Satz ("Statistik ja, aber keine Veröffentlichung") schliesst den Bürger ja direkt vom Geschehen in seinem eigenen Land aus, und will ihn, in Anlehnung an oben genanntes Zitat, manipulieren. Damit kommen wir wieder ins finstere Mittelalter: Bildung und Information nur für den Adel, das Fussvolk hat sich zu fügen. Punkt.
            
                Marc Ris, Basel