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                "Stärke durch Gewaltfreiheit": Regenwaldschützer Lukas Straumann
                
                
                "Die Schweiz hat grösseren Einfluss als vermutet"
                
Fonds-Geschäftsleiter Lukas Straumann über seine erste Reise zu den bedrohten Penan in Sarawak/Malaysia
                
                
                Von Peter Knechtli
                
                
                
                Seit einem halben Jahr ist Lukas Straumann Geschäftsleiter des Bruno Manser Fonds in Basel. Eben kam er von einer Reise in den malaysischen Teilstaat Sarawak zurück, wo sich seine Organisation für die Rechte des Penan-Volkes einsetzt, das durch Regenwald-Abholzung im grossen Stil bedroht ist.
                
                OnlineReports: Sie kommen eben zurück von Ihrer ersten Reise zum  bedrohten Regenwald-Volk der Penan im malaysischen Gliedstaat Sarawak. Welches  war Ihr tiefster Eindruck?
Lukas Straumann: Am eindrücklichsten  fand ich, wie verbunden die Penan mit dem Wald sind, in dem sie leben, und wie  stark sie sich engagieren, um den Wald zu erhalten. Sie führen ein ganz  einfaches Leben. Aber sie sind sehr selbstbewusst und sie haben auch einen  gewissen Stolz auf ihre Kultur.
OnlineReports: Wie stark ist der  vor mehr als vier Jahren verschollene Bruno Manser, der sich hingebungsvoll  gegen die Zerstörung des Regenwaldes einsetzte, beim Volk der Penan noch ein  Thema?
Straumann: Bruno Manser ist noch in sehr guter Erinnerung,  die Penan haben immer noch einen sehr hohen Respekt für ihn, weil er ihre Kultur  ernst nahm,  studierte und weil er sich unter Einsatz seines  Lebens für sie engagierte. Auch ist es für die Penan immer noch sehr  schmerzhaft, dass er verschwunden ist.
studierte und weil er sich unter Einsatz seines  Lebens für sie engagierte. Auch ist es für die Penan immer noch sehr  schmerzhaft, dass er verschwunden ist.
OnlineReports: Wie wurden  Sie als Manager von Bruno Mansers politischem Erbe von den Penan  empfangen?
Straumann: Es war ein sehr freundlicher Empfang und  auch ein Empfang, der für die Penan mit gewissen Hoffnungen verbunden war -  nämlich der Hoffnung, dass sie von aussen unterstützt werden, auch wenn Bruno  Manser nicht mehr da ist. Ich hatte die Chance, an einem Treffen mit 17  Häuptlingen teilzunehmen. Und zum Beginn des Treffens pflanzten wir im Urwald  zwei Sago-Palmen zur Erinnerung an Bruno Manser.
OnlineReports:  Wie muss man sich die Penan heute vorstellen? Leben Sie in den verbleibenden  Regenwäldern oder auch in angrenzenden Städten?
Straumann: Von  rund 10'000 Penan lebt der überwiegende Teil sesshaft in Dörfern im Wald, soweit  er noch erhalten ist. 200 bis 300 leben noch als Nomaden. Jüngere Penan sind  auch in die Küstenstädte gezogen.
OnlineReports: Wie gut sind die  Penan organisiert? Verfügen sie auch über elektronische  Kommunikationsmittel?
Straumann: Sie sind sehr gut organisiert und  verfügen über einen starken Zusammenhalt. Gerade im Bereich der Kommunikation  läuft sehr viel über persönliche Botschaften. Aber sie sind auch technischen  Neuerungen gegenüber offen. Es gibt zum Teil auch Fernseher, die über  Generatoren betrieben werden.
 
"Die Holzfäller dringen
in die letzten Gebiete der Penan ein."
OnlineReports: Wie bedrohlich ist die Lage, in der sich die Penan  befinden?
Straumann: Die Penan kämpfen seit 15 Jahren für ihren  Wald und für ihre Landrechte. Sie befinden sich in einer Art permanentem  Belagerungszustand durch die Holzgesellschaften, die jetzt, nachdem über 85  Prozent des ursprünglichen Urwaldes gerodet sind, gezielt in die letzten  Penan-Gebiete vordringen. Die Lage ist sehr bedrohlich. Wenn die Holzfäller  freie Hand hätten, könnten sie den verbleibenden Wald innert kürzester Zeit  abholzen. Doch es gibt auch Hoffnung, weil sich die Penan zum Teil erfolgreich  auch mit juristischen Mitteln zur Wehr setzen. Verschiedene Penan-Gemeinden  haben Klage wegen Verletzung ihrer traditionellen Landrechte gegen die Regierung  und die Holzgesellschaften eingereicht.
OnlineReports: Welches  Bild der Regenwald-Zerstörung durch die lokalen Holzkonzerne und mit  Sanktionierung der malaysischen Regierung haben Sie  wahrgenommen?
Straumann: Allein bei der Fahrt von der Küste  Sarawaks ins Penan-Gebiet durch eine grosse Holzkonzession der Firma Samling  sind uns 56 vollbeladene Holztransporter, gefüllt mit Urwald-Riesen, entgegen  gefahren. Sehr grosse Gebiete sind ausgeräumt und entlang der Holzfällerstrassen  sind grosse Erosionsschäden sichtbar. Die Zerstörung ist nicht überall auf den  ersten Blick sichtbar. Aber als Faustregel kann man davon ausgehen, dass mit der  Zerstörung des Urwaldes 70 Prozent der Biodiversität verschwinden.
 OnlineReports: Bruno Manser hat 1999 gegenüber OnlineReports gesagt, sein  Erfolg im Kampf zur Erhaltung der Lebensgrundlagen der Penan sei "unter Null".  Teilen Sie diese Beurteilung?
OnlineReports: Bruno Manser hat 1999 gegenüber OnlineReports gesagt, sein  Erfolg im Kampf zur Erhaltung der Lebensgrundlagen der Penan sei "unter Null".  Teilen Sie diese Beurteilung?
Straumann: Nein, diese Beurteilung  teile ich nicht. Tatsächlich ist der Wald in vielen Penan-Gebieten zerstört  worden. Aber es gibt auch einzelne Dörfer, in denen sich die Bevölkerung  erfolgreich gegen die Rodungen durch die Holzkonzerne wehrte. Nehmen wir das  Beispiel von Long Kerong. Hier versuchte 1997 die Firma Samling, eine Strasse zu  errichten und ins Gebiet einzudringen. Als die Penan eine Blockade errichteten  und mehrere Monate daran festhielten, zog sich die Gesellschaft zurück. 1998  reichte das Dorf mit drei umliegenden Gemeinden eine Klage gegen die  Holzgesellschaft und die Regierung von Sarawak ein, und seither lässt die  Gesellschaft das Gebiet in Ruhe. Die Klage ist noch  hängig.
OnlineReports: Ist das nicht bloss ein erfreulicher  Einzelfall?
Straumann: Nein. Auch andere Dörfer wie zum Beispiel  Long Lamai haben es dank ihrem Widerstand geschafft, die Holzfäller  fernzuhalten. Kritisch ist die Lage aber besonders im dünn besiedelten  Nomadengebiet, wo die wenigen Penan zu schwach sind, um erfolgreichen Widerstand  zu organisieren.
OnlineReports: Welches sind die Waffen der Penan  im Widerstand gegen die viel mächtigeren Holzkonzerne?
Straumann:  Die grosse Stärke des Widerstands der Penan liegt im Konzept der Gewaltfreiheit.  Trotz des gewaltigen Drucks von aussen haben die Penan ihre Blasrohre nie gegen  Menschen eingesetzt.
OnlineReports: Gibt es seitens der  malaysischen Regierung Zeichen einer Änderung der bisherigen Raubbau-Politik auf  Kosten der Penan?
Straumann: Es gibt Anzeichen dafür, dass Themen  wie Biodiversität und Ökologie in Malaysia zunehmende Beachtung finden. Heikel  sind aber soziale Fragen wie beispielsweise die Landrechte der indigenen  Bevölkerung. Die Regierung von Sarawak muss jetzt international in die Pflicht  genommen werden, damit sie einen grossen Schritt zugunsten der Penan und zur  Erhaltung der letzten Primärwälder unternimmt.
 
"Schweizer Investoren sollten
auf Einhaltung der Standards achten."
OnlineReports: Wer kann internationalen Druck auf Sarawak  ausüben?
Straumann: Die internationale Staatengemeinschaft - und  zwar durch kritisches Nachfragen und durch einen Boykott des malaysischen  Holzes. Malaysia reagiert aber auch sehr sensibel auf kritische Medienberichte  im Ausland. Die Schweiz hat mehr Einwirkungsmöglichkeiten als man auf den ersten  Blick vermutet. So ist die malaysische Wirtschaft gezielt auf Investorensuche in  der Schweiz, wie kürzlich an einer Präsentation in Zürich. Es ist das Ziel des  Bruno Manser Fonds, dass Schweizer Investoren ihr Engagement von der Einhaltung  sozialer und ökologischer Standards abhängig  machen.
OnlineReports: Wie wird überhaupt der Fortschritt der  Zerstörung in diesem schwer zu durchdringenden Urwald  dokumentiert?
Straumann: Der Fortschritt der Zerstörung lässt sich  durch Satellitenbilder, Berichte der Penan oder durch Recherchen vor Ort  dokumentieren. Aufschluss über Zerstörung geben auch die von den Penan mit  Unterstützung des Bruno Manser Fonds angefertigten Karten. Es handelt sich dabei  um ein Projekt, das von der Stiftung "Kunst für den Tropenwald" des Basler  Galeristen Ernst Beyeler unterstützt wird. Diese Karten haben eine wichtige  Funktion bei Verhandlungen mit der Regierung und in Landrechts-Prozessen vor  Gericht.
OnlineReports: Ziehen Sie aus Ihrer Reise eine zentrale  Erkenntnis im Hinblick auf die Arbeit des Bruno Manser Fonds? Drängen sich neue  Pläne auf?
Straumann: Angesichts der Tatsache, dass sich viele  NGOs aus dem Schwellenland Malaysia zurück gezogen haben, kommt dem Bruno Manser  Fonds eine besondere Verantwortung beim Einsatz zur Erhaltung der letzten  Regenwälder in Sarawak zu. Da die Penan wegen ihres Widerstandes gegen den  Holzschlag von der Regierung abgestraft werden, müssen wir uns auch zunehmend  für eine Verbesserung ihrer gesundheitlichen und wirtschaftlichen Situation  einsetzen.
 
"Der Bruno Manser Fonds
hat einen speziellen Vertrauensbonus."
OnlineReports: Führt der Bruno Manser Fonds einen einsamen Kampf  für die Penan oder gibt es weltweit auch andere Organisationen, die das Volk  unterstützen?
Straumann: Der Bruno Manser Fonds geniesst einen  speziellen Vertrauensbonus beim Volk der Penan. Wir sind aber international  vernetzt mit Menschenrechts- und  Umwelt-Organisationen.
OnlineReports: Einige wichtige  kulturhistorische Güter der Penan befinden sich in Basel. Gibt es Pläne, sie der  Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder sie den Penan zu gegebener Zeit zurück  zu geben?
Straumann: Wir träumen von einem Bruno-Manser-Haus in  Basel, wo der Öffentlichkeit in einer permanenten Ausstellung die Kultur der  Penan und das Leben im Regenwald näher gebracht werden kann.
                25. November 2004
                
                
                
                
                    
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                DER GESPRÄCHSPARTNER
                Interview-Partner Lukas Straumann (35) ist seit Juni 2004 Geschäftsleiter  des Bruno Manser Fonds mit Sitz in Basel. Der promovierte Historiker war  Mitarbeiter der Bergier-Kommission und untersuchte in dieser Funktion die Wirtschaftsbeziehungen der Basler  Chemieunternehmen zu Nazi-Deutschland. Im Januar 2005 erscheint seine  Dissertation ("Nützliche Schädlinge - Angewandte Entomologie, chemische  Industrie und Landwirtschaftspolitk in der Schweiz 1874-1952"). Er ist Vater  zweier Kinder und lebt in Bern.