FDP-Showdown: Auch Franz Saladin kandidiert
Noch kaum dagewesene Dynamik um die Nomination der Baselbieter FDP-Nationalratskandidaten: Jetzt tritt auch der neugewählte Handelskammer-Direktor Franz Saladin an.
Liestal, 10. Mai 2011
In der Baselbieter FDP, die sich bis vor kurzem noch um die erneute Kandidatur von Nationalrat Hans Rudolf Gysin zerfleischte, überschlagen sich derzeit Ereignisse: Nachdem OnlineReports gestern Montag die Anmeldung von Wirtschaftsanwalt Martin Wagner bekannt gemacht hatte, erfuhren wir jetzt, dass sich auch der soeben neu gewählte Handelskammer-Direktor Franz Saladin heute Dienstagabend um die Nomination als Nationalratskandidat bewirbt. Saladin, der erst gestern Montagabend an die operative Spitze der Handelskammer gewählt worden war, bestätigte dies heute Mittag gegenüber OnlineReports.
Somit stehen laut aktuellem Stand nicht weniger als elf Parteimitglieder mit Interesse an einem Nationalratsmandat zur Debatte: Hans Rudolf Gysin (bisher), Stephanie Eymann Schneider (Eptingen), Paul Hofer (Oberwil), Christine Pezzetta (Münchenstein), Rolf Richterich (Laufen), Franz Saladin (Duggingen), Heiner Schärer (Therwil), Patrick Schäfli (Pratteln), Daniela Schneeberger (Thürnen), Balz Stückelberger (Arlesheim) und Martin Wagner (Rünenberg).
Lächelnd, bei gewetzten Messern
Parteiintern herrscht derzeit ein Riesengerangel: Möchtegern-Nationalräte und Strategen haben die Maske zum Bühnenspektakel aufgezogen, intrigieren auf alle Seiten, lachen vordergründig und ziehen heimlich über die Gegner vom Leder, so dass von mehr als einer Seite zu hören ist: "Ich traue niemandem mehr."
Eine der Versionen, die im Vorfeld der Nominationsversammlung die Runde macht und jener gestern von OnlineReports dargelegten Spekulation widerspricht: Die Wagner-Nomination sei keineswegs mit Amtsinhaber Gysin abgesprochen. Vielmehr könnte sie Gysins "Plan B" – im Fall eines ihm aufgezwungenen Bewerbungsverfahrens mit einer eigenen "Gewerbeliste" anzutreten – entsprungen sein.
Machtkampf oder Seilschafts-Poker?
Wagner hätte, so wird kolportiert, Teil dieser Gewerbeliste sein sollen. Nachdem der FDP-Parteirat aber entgegen seinem früheren Willen Gysin als vorausnominiert und damit die Idee einer "Gewerbeliste" obsolet gemacht hatte, habe Gysin Wagner fallen gelassen. Wagner aber habe sich darauf erst recht für eine Aufnahme auf die FDP-Liste interessiert. Dies lässt eher auf einen Machtkampf schliessen, den Gysin gestern Montagabend an einer Parteileitungs-Sitzung zumindest vordergründig sportlich angenommen habe.
Genagelt wurde die Kandidatur Wagner erst am Sonntagabend, als sich Parteipräsident Michael Herrmann bei einem guten Glas Wein bis in die frühen Morgenstunden in Wagners Privatdomizil aufhielt, um den Rünenberger Anwalt politisch kennen zu lernen. Herrmanns Eindruck über den "Weltwoche"-Präsidenten: "Er ist ein Liberaler und grenzt sich ganz deutlich von der SVP ab."
Eher perfektes Überraschungs-Timing
Ob Wagners Kandidatur eine mit Gysin perfekt abgesprochene Show ist oder der Versuch, dem Ausdauer-Nationalrat die Show zu stehlen, kann aufgrund vorliegender Informationen nicht geklärt werden. Einzelne Parteiführer halten es nicht einmal für ausgeschlossen, dass Gysin heute Abend das Handtuch wirft. Parteipräsident Herrmann ("ich will Erfolg mit dieser Partei"), dem die Haltung nachgesagt wird, Gysins Zeit in Bern sei abgelaufen, widerspricht: Er habe "nie Energie gegen Hansruedi Gysin verwendet" und er wäre "schwer enttäuscht", wenn der Amtierende nicht mehr anträte. Sein alleiniges und übergeordnetes Interesse sei gewesen, mit "einer möglichst starken Liste antreten zu können".
Zu diesem Ziel hat soeben der neu gewählte Handelskammer-Direktor Franz Saladin beigetragen: Heute Morgen erfuhr Parteipräsident Hermann von dessen Kandidatur. Dass die Wahl Saladins zum Chef der Handelskammer beider Basel noch gestern Abend erfolgte, dürfte eher perfektem Überraschungs-Timing als Zufall zuzuschreiben sein: Wie Saladin gegenüber OnlineReports erklärte, habe das Wahlgremium gewusst, dass er nur für den Nationalrat kandidiere, wenn er als Direktor gewählt werde.
Ringen dreier Wirtschaftsverbände
Daran dürfte der Handelskammer-Vorstand grösstes Interesse haben, nachdem dem abtretenden liberalen Direktor Andreas Burckhardt der Sprung nach Bern nie geglückt war.
Somit kämpfen unverhofft gleich drei Repräsentanten potenter Wirtschaftsverbände um den Baselbieter FDP-Nationalratssitz: Gysin für die Wirtschaftskammer Baselland, Saladin für die Handelskammer beider Basel und Stückelberger für die Schweizerische Bankiervereinigung. Unter diesen Umständen ist nicht auszuschliessen, dass sich mehrere der elf Interessenten heute Abend zurückziehen werden – beispielsweise Rolf Richterich, der als neuer Landrats-Fraktionspräsident gesehen wird, oder Wahlkampfleiterin Christine Pezzetta.
Sicher ist nur eins: Die Nominationsdynamik verschafft der FDP Auftrieb, weil ein freisinniger Sitzwechsel schon bald oder im Verlaufe der neuen Legislatur in Aussicht steht. Somit dürfte unter den Spitzenanwärtern ein Ambitions-Wettstreit entstehen, der mit Sicherheit auch mit einer schönen Stange Geld ausgetragen wird.
Weiterführende Links:
- FDP-Coup: Martin Wagners Nationalrats-Ambitionen
- Handelskammer: Franz A. Saladin neuer Direktor
- FDP-Parteirat krebst zurück: Gysin ist Spitzenkandidat
- Zwingt Gysin-Kandidatur den FDP-Parteirat in die Knie?