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"Sehr moderate Abgabe": Protagonisten Buser, Leuthard, Schneider
Eine freundliche Befehlsausgabe am "Tag der Wirtschaft"
Der Direktor der Wirtschaftskammer Baselland gibt der Politik die energiepolitischen Leitlinien vor
Von Peter Knechtli
Die Energiewende war das Thema am "Tag der Wirtschaft" der Wirtschaftskammer Baselland gestern Mittwochabend in der Münchensteiner St. Jakobshalle. Hauptrednerin war Bundesrätin Doris Leuthard, doch Kern des Grossanlasses war eine Tariferklärung der Baselbieter KMU-Wirtschaft an die zuständige Regierungsrätin Sabine Pegoraro und den Landrat.
Die Kulisse und der Rahmen dieses "Tags der Wirtschaft" werden immer imposanter: Wo sonst die internationalen Tennis-Cracks die Bälle schlagen, verfolgten gestern Mittwochabend über 2'000 Gäste – darunter nicht wenige aus Basel-Stadt – das energiepolitische Ping-Pong der kantonalen und eidgenössischen Akteure.
Ein Spur amerikanischer
Der Rahmen des zum siebten Mal durchgeführten Grossanlasses hat Show-Charakter und scheint um eine Spur amerikanischer geworden zu sein, seit Christoph Buser die Direktion der Baselbieter Wirtschaftskammer übernahm. Als Dompteur in der Grossbildschirm-Arena wirkt der sprachregionale TV-Moderator (diesmal Rainer Maria Salzgeber), wie Pop-Stars werden die Rednerinnen und Redner auf die Bühne gerufen.
"Energiewende" als langfristiger Abschied von der Atomenergie als Thema dieses Jahr berührt die regionale KMU-Wirtschaft nicht nur aus umweltpolitischen Gründen. Vielmehr bietet sie auch die Chance einer neuen und nicht zu unterschätzenden Auftragskategorie – von der herkömmlichen, aber zahlenmässig ins Gewicht fallenden Gebäudesanierung über den Leitungsbau bis hin zu intelligenten Haus-Technologien, die dem Stromverbrauch über innovative Regelungstechnik senken hilft.
Die Interessen der Wirtschaftskammer
Der Wirtschaftskammer als Dachorganisation des Baselbieter Gewerbes sind Aufträge im Zusammenhang mit dem Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung hochwillkommen. Doch wenn es um die Kosten der Energiewende geht, ist bei ihr grosse Zurückhaltung angesagt: Schonung der Wirtschaft bei Abgaben und straffe Zügel, wenn es um Subventionen geht.
Dieses Spannungsfeld wurde deutlich im Votum der Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektorin Sabine Pegoraro, deren Fachleute derzeit mit der gesetzgeberischen Umsetzung der Energiewende auf kantonaler Ebene beschäftigt sind. Das revidierte Energiegesetz befindet sich derzeit in der öffentlichen Vernehmlassung. Das Energiepaket, das vor allem auf verstärkte Energie-Effizienz als "grösstem Hebel" auf kantonaler Ebene setzt, bezeichnete Pegoraro als "Erfolgsmodell" und "Meilenstein". Von den Fördergeldern des Kantons sollen künftig auch Gewerbe und Industrie profitieren können. Gesamthaft sollen in den nächsten zehn Jahren 150 statt 50 Millionen Franken zur Verfügung stehen.
Kantonale Energie-Abgabe bis 2030
Diese Verdreifachung soll im Zeitalter knapper Kassen durch die Einführung einer "sehr moderaten Abgabe" (Pegoraro) auf Heizöl, Gas und grauem Strom finanziert werden. Diese Abgaben sollen zweckgebunden in das Energiepaket und in die regionale KMU-Wirtschaft investiert werden. Nach Erreichen der Ziele – etwa im Jahr 2030 – soll die Abgabe wieder abgeschafft werden. Grossverbraucher können von der Abgabe ausgenommen werden, wenn sie – einzeln oder in Gruppen – mit dem Kanton separate Energieziele und Massnahmen vereinbaren.
Als dann Christoph Buser, auch FDP-Landrat, ans Mikrophon schritt, sah er sich wohl ganz einig mit den geladenen Gästen, als er zu einer Art freundlichen Befehlsausgabe an die Adresse der Politik – Parlament und Regierung – ausholte und die Grenzen des für den Dachverband Tragbaren definierte und detaillierte Forderungen zur Ergänzung des Gesetzesentwurfs erhob.
Kampfansage gegen Subventionen
Zwar stehe die Wirtschaftskammer hinter der kantonalen Energiestrategie. Doch müssten die "ideologischen Anliegen" links-grüner Kreise und Interessen-Lobbies, Windenergie-Anlagen und Solarpanels gesetzlich zu subventionieren, "aufs Schärfste" bekämpft werden. Was an energiepolitischen Aktivitäten im Baselbiet über Effizienz-Massnahmen hinausgehe, widerspreche der Aufgabenteilung von Bund und Kantonen.
Zähneknirschend akzeptiert die Wirtschaftskammer die Energieabgabe (Buser: "Sie darf nicht zum Selbstläufer werden"), aber nur unter der Bedingung, dass sich Grossverbraucher "unbürokratisch" befreien lassen können und für die Unternehmen daraus keine zusätzlichen Kosten entstehen. Ausserdem sollen sich – was derzeit nicht im Gesetzestext steht – nicht nur Grossverbraucher, sondern "auch alle andern Unternehmen" von der Abgabe befreien lassen können, wenn sie mit dem Kanton eine Zielvereinbarung abschliessen. Die Befreiung von der Abgabe müsse von einem Gremium entschieden werden, dem auch Wirtschafts-Experten angehören.
Eine Ablehnung der Energieabgabe durch die Wirtschaftskammer wäre indes unlogisch gewesen, da ihr Direktor Buser im Rahmen eines "Rundes Tisches" selbst an deren Erarbeitung beteiligt war.
Doris Leuthard: "Keine Revolution"
In einer ausführlichen Rede legte Energieministerin und Wende-Initiatorin Doris Leuthard die Energiepolitik des Bundes dar. "Wir machen keine Revolution", dämpfte sie die Emotionen. Vielmehr gehe es um einen "Prozess", die Energie-Effizienz landesweit zu verbessern und den Verbrauch von Erdöl-Brennstoffen "zurückzudämmen". Die Gebäudeprogramme in Bund und Kantonen seien "erfolgreich". Die Netzbetreiber regte sie zur Zusammenarbeit an.
Begrüsst wurden die Gäste von Wirtschaftskammer-Präsident Andreas Schneider, Finanzdirektor Anton Lauber überbrachte die Grüsse der Kantonsregierung, bevor sich die VIP-Gäste zu kulinarischen Genüssen aus regionaler Küche zurückzogen und sich von Sänger "Seven" unterhalten liessen.
21. August 2014