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"Neue kollaborative Kooperationsformen": Begrüssungs-Cours
"Der Staat hat bewiesen, dass er es nicht kann"
Unmissverständliches am Neujahrs-Apéro 2018 der Wirtschaftskammer Baselland im Muttenzer Pantheon
Von Peter Knechtli
Mit einer düsteren Bilanz der staatlichen Baselbieter Wirtschaftspolitik stiess die Wirtschaftskammer gestern Donnerstagabend am Neujahrs-Apéro mit üer 400 Gästen auf das neue Jahr an. Die mit erheblichen Mitteln betriebene Standort-Förderung habe vollständig versagt, übte Direktor Christoph Buser scharfe Kritik.
Über 400 Gäste begrüsste Andreas Schneider, der langjährige Präsident der Wirtschaftskammer Baselland, in der Rundhalle des Muttenzer "Pantheon" – inmitten einer Sammlung zahlreicher wertvoller Oldtimer-Fahrzeuge. Dazu passend bekundete Schneider seine "grössten Sorgen": Die Kapazitätsengpässe auf Strasse und Schiene. "Es darf nicht sein, dass Mitarbeitende, Kunden und Lieferanten immer mehr Mühe haben, zu den Unternehmen zu gelangen."
Informative Statements
Spürbar war an diesem Abend ein wohltuender Trend zu kürzeren, aber informativeren Reden. Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser legte seine Analyse auf den Wirtschaftsstandort Baselland – und er kam zu einer eher düsteren Prognose, was die Qualität der Standort-Förderung trotz guter Grundbedingungen betrifft. "Offenkundig gelingt es aber nicht, diese guten Voraussetzungen für den Kanton gewinnbringend und wohlfahrtsstiftend auszunutzen."
Im offiziellen Baselbieter "Establishment-Slang" werde gern auf die "erfolgreiche Wirtschaftsregion" verwiesen. "Dieser Blick vernebelt aber die Sicht gewaltig, indem die eigene Standortqualität besser dargestellt wird als sie ist." Die Fakten zeigten indes ein anderes Bild: Trotz Wirtschaftsoffensive falle das Baselbiet in den einschlägigen Rankings zurück.
Wertschöpfung: Schwaches Baselbiet
Das Baselbiet liege bei der Pro Kopf-Wertschöpfung mit lediglich rund 70'000 Franken pro Kopf schlecht und schweizweit unterdurchschnittlich. Demgegenüber schwinge Basel-Stadt mit mehr als 170'000 Franken weit obenaus. Geradezu ernüchternd sei der Vergleich bei den Steuereinnahmen der juristischen Personen: Basel-Stadt nehme 735 Millionen Franken oder 28 Prozent des Budgets ein, Baselland gerade mal 168 Millionen Franken oder 11,9 Prozent des Staatsetats. Buser nahm kein Blatt vor den Mund: "Wir kommen nicht wirklich vom Fleck." Der Hauptgrund liege "in der Art und Weise, wie wir uns verkaufen". Der Baselbieter Wirtschaftspolitik fehle "ein modernes und anziehendes Schaufenster mit attraktiven Produkten und Preisschildern". Davon sei aber nichts zu sehen: "Wir treten seit fünf Jahren an Ort und Stelle."
"Ansiedelungs-Erfolg gleich Null" Niederschmetternd ist laut Buser das Ergebnis der mit "beträchtlichem Ressourcen-Einsatz" durch die staatlich dominierte Standort-Promotion betriebenen Ansiedlungsbemühungen in den Jahren 2015 und 2016: "zwei blanke Nuller". Im Gegensatz zum live-sciences-dominierten Stadtkanton dominiere im Baselbiet die KMU-Wirtschaft. Ihr müsse ein "eigenes, knackiges Profil" verliehen werden. Einen Hoffnungsschimmer, dieses Ziel erreichen zu können, sieht Buser in den anstehenden Revisionen des Wirtschaftsförderungs-Gesetzes und der "Steuervorlage 2017".
Buser forderte eine "schnelle Änderung" dessen, wie heute im Baselbiet Wirtschaftsförderung betrieben wird: "Der Staat hat bewiesen, dass er es nicht kann." Gefragt seien private Initiativen und Public-Private-Partnerschaften, wobei der Redner möglicherweise an den Einbezug der Wirtschaftskammer dachte. Jedenfalls sei die Idee von Volkswirtschaftsdirektor Thomas Weber, die Wirtschaftsförderung und damit auch die Bestandespflege "noch näher an die Verwaltung zu binden, sicher nicht gescheit". Die Bestandespflege sollte von Leuten gemacht werden, "die an der Basis sind und diese wirklich kennen". Buser: "Das ist nicht der Staat in seinem Elfenbeinturm."
"Die Schnellen fressen die Langsamen"
Der Ökonom und Gastreferent Matthias Mölleney, Dozent am "Center for Human Resources Management & Leadership" an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, stellte bezüglich der Digitalisierung fest, es sei nicht mehr so, dass "gross besser als klein" sei: "In Zukunft werden die Schnellen die Langsamen fressen. Und da ist Kleinheit von Vorteil, wenn man schnell sein will."
Auf die Künstliche Intelligenz beispielsweise im Personal-Management und der Unternehmensführung ("keine Angst, es gibt noch keine künstlichen CEOs") eingehend, konstatierte Mölleney aufgrund einer soeben veröffentlichten Studie seiner Hochschule Trägheit unter KMU-Unternehmern fest: Von knapp 1'300 befragten Betrieben haben sich nur 46 Prozent "überhaupt schon einmal mit der digitalen Transformation auseinander gesetzt". 87 Prozent müssten als sogenannte "digitale Dinosaurier" eingestuft werden.
Vertrauen statt Kontrolle aufbauen
Mölleney nannte vier Megatrends: die Sicherheit der Daten und der Datenübermittlung, Soziale Medien, digitales Marketing und digitale Geräte wie Gesundheitsüberwachung, die am Körper getragen werden. Hier könnten die KMUs ihren unschlagbaren Vorteil des "wesentlich schnelleren Agierens" ausspielen. Hierarchien hätten sich zwar bewährt, "aber sie sind zu langsam".
Die Unternehmer müssten auch "in neuen kollaborativen Kooperationsformen lernen, die Kontrolle aufzugeben und durch Vertrauen zu ersetzen, denn Vertrauen wird zum zentralen Erfolgsfaktor". Dazu gehöre auch die menschliche Komponente, dass Führungskräfte beispielsweise wüssten, wie die Kinder ihrer direkten Mitarbeiter heissen. Laut Mölleney werden auch Jahresziele und Mitarbeitergespräche "von immer mehr Unternehmen abgeschafft oder zumindest in Frage gestellt".
Mangel an IT-Talenten
In eine ähnliche Richtung zielte John Häfelfinger, der CEO der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB), die mit der Wirtschaftskammer verschiedene Kooperationen unterhält, als er Arbeitsmodelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie forderte. Dem Chef des Geldinstituts, in dem sich alle Mitarbeitenden duzen, macht aber der Stand der IT-Wirtschaft "Bauchweh". Es sei "fast nicht möglich, talentierte IT-Spezialisten in der Region zu behalten". Dies führe dazu, dass die Bank externe Fachleute engagieren müsse. Häfelfinger kündigte im übrigen an, dass es mit der Tiefzins-Party bald vorbei sein dürfte: "Die Zinsen werden wieder steigen."
Und hier die wie immer unwiderstehliche Foto-Galerie!
Fotos © by OnlineReports.ch Was die Gäste wirklich nicht gesagt haben: Die Zitate sind frei erfunden. Die Bild-Reihenfolge ist unprotokollarisch, zufällig und hierarchiefrei. | | 
| "Wär' doch ein Highlight, wenn Constantin bei der Wirtschaftskammer einstiege": Anwalt Martin Wagner, Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser. | 
| "Mein Herz ist fast so rot wie mein Boschettli": Landrat und SVP-Stratege Hanspeter Weibel, e. Wirtschaftskammer-Direktor Hans Rudolf Gysin. | 
| "Schnaps, das war mein erstes Wort": Spirituosen-Produzent und Wirtschaftskammer-Vize Hansruedi Wirz, alt-SVP-Nationalrat Caspar Baader. | 
| "Ist es nicht gut, dass es uns gibt?": Zentralpräsident des "Auto Gewerbe Verbandes Schweiz" Urs Wernli, Basler Gewerbeverbands-Präsident Marcel Schweizer. | 
| "Der Fotograf verspricht, das nächste Mal bei offenen Augen abzudrücken": Erste Staatsanwältin Angela Weirich, Psychiatrie Baselland-CEO Hans-Peter Ulmann. | 
| "Sehen wir nicht total energiegeladen aus?": Binninger Notar Thomas Thomi, EBM-Geschäftsleitungs-Mitglied Dominik Baier. | 
| "Spiess und Spiess gesellt sich gern": Fotograf Martin Spiess, Gelterkinder Schuhverbands-General Dieter Spiess. | 
| "Wir beide sind unzertrennlich unterwegs": Oberdörfer Reporter-Duo Heidi Schwarz, Eugen Schwarz. | 
| "Nein, über die neue Handelskammer-Präsidentin haben wir nicht gesprochen": Gärtnermeister-Präsident Thomas Schulte, FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger. | 
| "Wir sind der Inbegriff des politischen Spannungsbogens": FDP-Landrat Marc Schinzel, Kantons-Strafgerichts-Präsident Dieter Eglin (SVP), grüner Landrat Philipp Schoch. | 
| ""Wir hatten's gerade von Büromöbeln und Caran d'Ache-Innovation": Tecknauer Gmeinipreesi Markus Sager, Papeterieverbands-Funktionärin Simone Pfaff. | 
| "Wir gehören zu den Unverwüstlichen des Baselbieter Gewerbes": ex-SVP-Nationalrat Christian Miesch, ex-Wirtschaftskammer-Vorstand Kurt Jauslin. | 
| "In Fragen des Staatspersonals sind wir uns immer einig": Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber, Anwalt und Präsident des Baselbieter Polizeipersonal-Verbands Sven Oppliger. | 
| "Frohes Lachen ist die Quelle des Erfolgs": Treuhand-Unternehmer Ariane Laeuchli, Thomas Laeuchli. | | 
| "Als frühere Firmenkollegen machen wir aus unseren Banken kein Geheimnis": Basler Kantonalbank-CEO Guy Lachappelle, Migros-Bank-Direktor Guy Colin. | 
| "Wenn die Zinsen steigen, schreiben wir schneller": "Volksstimme"-Redaktoren Jan Amsler und Sebastian Wirz, Migros-Banker Pascal Catin. | 
| "Wir beide kämpfen politisch neutral gegen no-Billag": "Regionaljournal"-Redaktor Patrick Künzle, Banken-Arbeitgeber-Verbandschef und FDP-Landrat Balz Stückelberger.
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| "Um die Oldtimer auf vier Rädern fühlen wir uns wohl": ACS beider Basel-Geschäftsführer Christian Greif, ex-Handelskammer-Vize Paul von Gunten. | 
| "So ein cooler Kaminfeger kann nur Glück bringen": Wirtschaftskammer-Fürsprecherin Barbara Gfeller, Kaminfeger-Verbandsvize Dominique Vogel.
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| "Die Wahlen werfen ihre Schatten voraus, es kann jederzeit losgehen": alt Landratspräsident und Anti-Stau-Taskforcer Hanspeter Frey, Landrätin und FDP-Hoffnung Saskia Schenker. | 
| "Aber der Wagen, der rollt": Oberwiler Autohändler Otto Dellenbach, Ehefrau Margrit Dellenbach. | 
| "Zwei oh, du Fröhliche wie wir fehlen doch dem Parlament": ex-Landrätinnen Patricia Bognar (EVP), Therese Umiker (FDP). | 
| "Wie hoch ist schon wieder das Quorum für Referenden im Baselbiet?": FDP-Landräte Rolf Blatter, Kantonalpräsident Paul Hofer. |  | "Für überkantonale Hochschul-Politik sind wir immer zu haben": Fachhochschule-Direktions-Präsident Crispino Bergamaschi, SVP-Kantonalpräsident und Landrat Oskar Kämpfer. | 
| "Die Eine ist schon eine 'ehemalige', die Andern werden's bald": Landrats-Präsidentin Elisabeth Augstburger, EBL-Direktor Urs Steiner, Gelterkinder Spitex-Präsidentin Esther Freivogel. |  | "Wir Juristen stützen uns, wenn das Bein nicht will": Wirtschaftsanwalt Martin Wagner, ex-Kantonsgerichts-Präsident Peter Meier. | | |
5. Januar 2018
Weiterführende Links:

"Unfähige bürgerliche Baselbieter Regierung"
Es ist sehr interessant und aufschlussreich zu lesen, dass nun die bürgerlich dominierte Baselbieter Wirtschaftskammer der allgemeinen Öffentlichkeit bestätigt, dass die jetzige bürgerliche Baselbieter Regierung unfähig ist, Probleme zu lösen. Wenn das die so genannten Linken heraus posaunen würden, wäre das im Baselbiet ja nicht weiter schlimm, weil man das schon weiss. Wenn das nun selbst die eigenen Leute feststellen, muss es ja die Wahrheit sein. Und das finden ich und andere sehr erhellend und gibt doch einiges zu überdenken.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Ein weiteres lukratives Pfründen-Pöstchen"
Da kann ich Christoph Buser nur voll und ganz zustimmen, die düstere Bilanz ist leider keine Schwarzmalerei. Mein Eindruck von sämtlichen bisherigen Baselbieter Standortförderern war, dass dieser Job nur ein weiteres lukratives Pfründen-Pöstchen für gewisse Leute ist, mehr nicht. Zwischendurch mal grosse Worte und Reden, aber keine Taten, damit war und ist der Arbeit genüge getan.
Wo bleibt da die Baselbieter Devise: "Liefere nid Lafere" ? Was da zum Beispiel im Gebiet Augusta Raurica abläuft, oder eben leider nicht passiert, spottet jeder Beschreibung. Bei einem der letzten grossen Coups, der Ansiedelung von Biogen, pflegten die Baselbieter wohl lieber ihren gesunden Büroschlaf, die Solothurner, mit wesentlich kleinerem Standortvorteil, waren vif und machten den Deal – Gratulation!
Urs Erny, Pfeffingen
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