Summertime – das tut uns gut
Sommer – heiss herbeigesehnte Jahreszeit. Ferien, fern von Arbeit, Schule und Politik. Viel Sonne natürlich. Genuss kühler Getränke im lauschigen Schatten. Grillabende in Balkonien, am Rheinufer, in den städtischen Parks. Picknicks auf abgelegenen Alpwiesen, zu denen man im Schweisse seines Angesichts emporgewandert ist. Oder das beruhigende Rauschen des Meeres, dessen glitzernde Wellen sanft auf den hellen Sand in der palmenbesetzten Bucht treffen.
Hinaus in die Natur, weg von der Tastatur! Ausgedehnte, gemütliche Abende im Freundeskreis. Zweisamkeit und Zeit mit der Familie, die es auch noch gibt. Musse, die sich nicht mehr vom schlechten Gewissen verdrängen lässt, das auf rastlose Tätigkeit programmiert zu sein scheint. Raum für Openair-Kinos und Bücher, die endlich die gebührende Aufmerksamkeit erhalten. Die Zwänge des Alltags entschwinden. Die Agenda wird luftiger und unverbindlicher, ausser wenn die fussballerischen Highlights der Euro 2024 rufen.
Sommer – bloss ein kitschiges Klischee? Ein Gag in der Art von "Sun, Fun and Nothing to Do", Peach Webers Blödelsong, den ich nie ausstehen konnte und der mir doch stets lästig im Kopf herumschwirrt, wenn wir Juli und August haben?
Wer kennt nicht die repetitiven Posts, die den Klimawandel für beendet erklären?
Der Sommer kann auch ganz anders, wie wir wissen. In den letzten Jahren dominierte die Hitze. Dieses Mal sind Dauerregen, Überschwemmungen und Bergrutsche angesagt. Verheerende Unwetter forderten Todesopfer. Wer kennt nicht die repetitiven Posts auf X (früher Twitter), die den Klimawandel für beendet erklären, weil die Sonne bei uns buchstäblich ins Wasser fällt?
Das ausgedehnte Nass und die bescheidenen Temperaturen bieten jedenfalls keine Traumszenerie für Peter Maffays Schnulze "Und es war Sommer", in der dieser die Sonne am Abend als adoleszenter Jüngling verabschiedet und nach einer feurigen Nacht an der Seite einer 31-jährigen Frau als frisch geborener Mann wieder begrüsst. Der Sommer bewegt viel.
Wenn wir nun herunterfahren und in unsere wohlverdienten, grossen oder kleineren Ferien gehen, gibt es viele, die uns das mit ihrem unermüdlichen Einsatz ermöglichen. Ich denke an die Mitarbeitenden der Stadtreinigung, die die Kleinbasler Riviera sauber halten. An die Pilotinnen und Piloten und die Fluglotsen, die dafür sorgen, dass sich in alle Himmelsrichtungen ausschwärmende Flugzeuge mit erholungsbedürftigen Touristinnen und Touristen an Bord nicht in die Quere kommen.
Es ist, wie wenn ein Teil der südländischen Lebensfreude zu uns herüberschwappt.
Ich denke aber auch an die Polizistinnen und Polizisten, die zuverlässig zur Stelle sind, wenn sich von reichlich Sangria, Wodka oder Bier benebelte Gemüter zu stark erhitzen. Auch die feinen Häppchen sowie die verführerischen Mojitos und Tequilas, die wir unter dem Sonnenschirm geniessen, muss jemand zubereiten.
Im Sommer verlangsamt sich der Rhythmus des öffentlichen Lebens in Europa. In der Schweiz sind der "Bündelitag" und die Ende Juni stattfindende Reise des Bundesrats in den Heimatkanton der Präsidentin oder des Präsidenten traditionelle Startpunkte für die gemächlichere Gangart der Politik und der Geschäftswelt. Es ist dann, wie wenn ein Teil der südländischen Lebensfreude und Gelassenheit über den Alpenkamm zu uns herüberschwappt.
Das tut uns gut, unabhängig vom Wetter. Wenn wir uns etwas lösen können von der Verbissenheit, mit der wir in alltäglichen Angelegenheiten zu oft unterwegs sind, wenn wir etwas Distanz gewinnen zu unseren gewohnten Aufgaben, so kann uns das neue Horizonte öffnen. "Summertime and the livin' is easy", singt die junge, keineswegs sorgenfreie schwarze Mutter Clara in George Gershwins Oper "Porgy and Bess", als sie im ärmlichen Fischerviertel von Charleston (South Carolina) ihr Baby in den Schlaf wiegt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine entspannte Sommerzeit mit viel bereichernder Musse. Dann wird Sie auch etwas Regen nicht aus der Bahn werfen.
8. Juli 2024
"Vielen ist das Glück nicht vergönnt"
Eine wunderbare Hommage an den Sommer von Marc Schinzel. Es hat Spass gemacht, die Kolumne während der südfranzösischen Siesta zu lesen, und sich all dessen bewusst zu werden, was in der Kolumne so anschaulich beschrieben wird. Und auch Demut empfinden, dass man/frau Ferien machen darf. Es gibt so viele, denen das Glück nicht vergönnt ist, sei es aus finanziellen oder aus gesundheitlichen Gründen. Für all die Daheimgebliebenen hoffe ich, dass auch sie noch viele sonnige Tage erleben dürfen!
Marina Fink, Zunzgen