Uni-Besetzung: Befreit die Zollitiere!
"Welch Aufruhr!", ruft Carlo, der Parrucchiere meines Vertrauens, und lacht. Ich bin mal wieder bei ihm im Gundeli. Waschen, schneiden, legen. Carlo erzählt von der neuesten Uni-Besetzung.
Pünktlich zum Jubiläum ist der Zolli unter Beschuss geraten. Studentinnen sagen, "150 Jahre sind genug". Studenten fordern: "Die Zolli-Tiere sollen sich fortan frei bewegen können."
Ich überlege, ob daran alle Zolli-Tiere gleich viel Freude hätten. Ich frage Carlo: "Wie hat die Uni reagiert?"
"Zuerst gar nicht. Und dann hat Rektorin Andrea Schenker-Wicki zum Megaphon gegriffen und in die Menge gebrüllt: 'Wenn ihr jetzt nicht sofort verschwindet, verständige ich in einer Woche die Polizei!'"
Ich winke ab. "Die wird vermutlich erst in zwei Wochen kommen – wenn überhaupt. Die Polizei in der Stadt ist gerade sehr mit sich selbst beschäftigt. Unterbesetzt, überbeschäftigt und unterbezahlt. Eines wäre da mal fällig. Lohnerhöhung statt -erniedrigung. Aber zurück zum Zolli."

Weiss alles über Uni-Besetzungen: Carlo. ©Illu by Alessandro Ballato
"Genau. Ich hab' die Story aus erster Hand."
"Du hast selbst an der Besetzung teilgenommen?"
Carlo wirft mir einen ungläubigen Blick zu. "Nein, ich habe der Schenker-Wicki die Haare gefärbt. Sie hat da gerade so 'ne Pechsträhne. Kaum war die Besatzung im Kollegiengebäude eingetroffen, rückte auch schon das städtische Revolverblatt an.
Wer kriecht, der stolpert nicht.
"Mit ihrem Chef höchstpersönlich? Und dann: volles Rohr!"
"Nein, mit ihrem schärfsten Kritiker – Liam L. Brenn. Das L soll für Luzifer stehen."
"Keine Dämonisierungen, Carlo! Schenker-Wicki wird ihm ordentlich die Kappe gewaschen haben."
Carlo verzieht den Mund. "Der Unterkiefer ist ihr zweimal runtergefallen. Das erste Mal, als Brenn ihr vorwarf, sie stehe mit ihrer Art zu handeln ziellos im Abseits. Ganz nach dem alten Büro-Sprichwort, wer kriecht, der stolpert nicht."
"Und das zweite Mal?"
"Als plötzlich die Tür zu ihrem Büro aufging und eine junge Frau sagte: Oh, schon besetzt. Dann besetzen wir eben ein anderes Zimmer. Tschuldigung."
Ich bin überrascht. "Scheinen freundliche Leute zu sein. Auf jeden Fall fast so freundlich wie die Basler Polizei. Diese wurde eben erst systematisch durchleuchtet. Dabei hat sich herausgestellt, wie tolerant dort alle sind. Egal ob Besetzer oder Besetzerin, alt oder jung, Jansen oder Riebli. Allein die Hautfarbe zählt. Mmh, schwul ist auch schwierig. Frauen in der Polizei? Aber zurück zum Zolli."
Carlo geht zurück auf eines der dunkelsten Kapitel der Zolligeschichte. Die 21 Völkerschauen zwischen 1879 und 1935. "Stell dir vor. Dort, wo früher Leute aus Afrika, Asien und Australien ausgestellt wurden, präsentiert der Zolli zum grossen Jubiläum den Basler Regierungsrat und Zugewandte. In einer Reihe: Engelberger, Cramer, Sutter, Atici, Keller, Eymann und Soland. Alle nur bekleidet mit einem Baströckchen. Und gleich daneben Baschi Dürr mit einem Knochen im Haar."
Ein heisses Thema. Mit viel, viel heisser Luft.
"Ist das noch Racial Profiling oder schon kulturelle Aneignung? Was für eine Luftnummer."
"Apropos Luftnummer", sagt Carlo. Er hat sein Grinsen wiedergefunden: "Die besten Geschichten schreibt doch stets das Leben selbst. Hast du gelesen, die Grünen fordern in Liestal Tankstellen für Velos?"
"Klar doch. Und auf der Umfahrung landet demnächst Isaac Rebers Kampfjet. Mit so einer Geschichte legst du mich nicht rein."
"Es geht um Pfupfsäulen, nicht um Zapfsäulen. Die Grünen wollen Velopumpstationen im Stedtli. Ein heisses Thema. Mit viel, viel heisser Luft."
"Das wollen die sich leisten? Die Stadt lebt doch schon auf Pump. Aber zurück zum Zolli."
Carlo setzt seine ernste Miene auf. "Im Raum steht noch die Forderung, dass die Uni Basel die Zusammenarbeit mit allen Zoos zwischen Arktis und Antarktis einstellen soll. Davon nicht ausgeschlossen sind Silberfuchsfarmen für russische Uschanka-Mützen und die Pony Ranch in Seewen. Denkst du, die kommen damit durch?"
"Avanti Dilettanti!"
28. Juni 2024