Von Schwimmwesten und der globalisierten Welt
Wie geht es weiter? Niemand, der bei Sinnen ist, würde es wagen, ein Prognose abzugeben. Aus gutem Grund: Die eintretenden Ereignisse werden immer gigantischer und phantastischer. Zuerst die Schweinegrippe, dann die Finanzkrise 2008, die isländische Vulkanasche, jetzt die Griechenland-Krise. Die Globalisierung ist unser Schicksal. Wir wissen jetzt, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, aber wir wissen auch, dass es ein Rettungsboot ist. Und dass unter den Rettung Suchenden einige Spekulanten an Bord sind, die darauf wetten, dass der Kahn untergeht. Wahrscheinlich haben sie die Schwimmwesten schon beiseite geschafft.
In der globalisierten Welt kommen nur globale, gesamthafte Lösungen in Frage, nicht viele und verschiedene, wie es wünschenswert wäre. Es gibt tausend Fluggesellschaften, aber nur einen Luftraum. Von den Finanzmärkten zu reden ist eine Täuschung, es gibt nur einen einzigen. Die Krise an einem Ort zieht ihre Kreise überall.
In der Schweiz haben wir aus Erfahrung gelernt, wie wichtig es ist, die Macht breit und überschaubar zu verteilen. Der Föderalismus ist eine Staatsauffassung, die diese Forderung berücksichtigt, aber 26 kantonale Schulsysteme in der kleinen Schweiz sind zuviel. Dass es nur unter grossen Mühen möglich ist, eine Harmonisierung durch ein Konkordat zu erreichen, ist die negative und karikaturale Seite der föderalen, dezentralisierten Machtausübung.
Aber zu grosse, globale, also pauschale, uniforme Lösungen sind wie zu kleine erst recht untauglich und immer häufiger verhängnisvoll. Eine einzige Welt heisst, dass sie in extremer Weise von wenigen global players abhängig und daher anfällig und erpressbar ist. Eine einzige Welt heisst auch, immer mehr Machtballung und immer mehr global sich auswirkende Folgen. Verbunden damit gehen der Verlust von kritischer Energie und die Ausbreitung einer homogenisierten Monopol- und Mainstream-Meinung einher, wie in einer kommunizierenden Röhre, wo es kein Aussen und keine Abweichung gibt.
Eine einzige anfällige Welt ist auch in gefährlicher Weise der Spekulation ausgeliefert. Goldman Sachs verkaufte für eine Milliarde ein sogenanntes Finanzprodukt für verbriefte Hypothekenkredite, in dessen Zusammenstellung auch ein Hedge Fund figurierte, der auf Baisse spekulierte. Was die einen mit dem Kauf verloren, gewannen die anderen. Und Goldman Sachs meinte, so das "Werk Gottes" auszuführen.
Das Internet ("Google", "Facebook") macht keine Ausnahme, sondern ist im Gegenteil der zentralisierte Ort der Macht über die Daten und damit der Kontrolle und Überwachung geworden. Eine neue Community soll entstanden sein, aber eher könnte man meinen, die Welt sei im Begriff, sich in eine Sekte zu verwandeln.
Was noch? Ach ja, richtig. Monsanto will das Fleisch der Schweine, die mit genetisch veränderten Pflanzen des Konzern gefüttert worden sind, patentieren lassen. Das wären dann die Einnahmen der Sekte.
Seit die Spekulation Griechenland in die Krise gestürzt hat und Staaten und Volkswirtschaften nicht mehr sicher vor ihr sein können, wissen wir noch einmal etwas besser Bescheid über die Verhältnisse auf dem Rettungsboot. Sonst werden wir es noch früh genug erfahren.
Wenn das Ganze und Globale wirklich unser Dilemma ist, dann entkommen wir ihm nur, wenn wir den Mechanismus untersuchen, wie die Teile ineinander greifen und aufeinander einwirken – auch wenn es so aussieht, als würde das Eine nichts mit dem Anderen zu tun haben.
10. Mai 2010
