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                "Vertragsbruch": Medien-Leader Matthias Hagemann (l.), Michael Ringier
                
                
                Basler Mediengruppe lässt Jean-Frey-Deal mit Ringier platzen
                
Ringier wirft der Basler Mediengruppe "Vertragsbruch" vor / Filippo Leutenegger als CEO vorgesehen / Neue Eigentümer noch unbekannt
                
                
                Von Peter Knechtli
                
                
                
                Der Verkauf des Jean-Frey-Verlags durch die Basler Mediengruppe (BM) an Ringier ist geplatzt. Statt dessen geht der Zürcher Verlag an die Swissfirst Bank AG, die den geschassten TV-Chefredaktor Filippo Leutenegger als Konzernchef einsetzt. Ringier und die Basler Mediengruppe werfen sich gegenseitig "Vertragsbruch" vor.
                
                Ende Dezember sah es so aus als sei alles im  Reinen: Die Basler Mediengruppe gab per Vorvertrag bekannt, sie verkaufe den  verlustträchtigen Jean-Frey-Verlag ("Bilanz", "Weltwoche", "Beobachter") an  Ringier, das grösste private Medienunternehmen der Schweiz. Jetzt sieht alles  anders aus: Der Deal ist geplatzt, wie am Freitag an einer Pressekonferenz in  Zürich bekannt wurde: Die Swissfirst Bank AG kauft von der Basler Mediengruppe  die Jean Frey AG, "um diese im Rahmen einer Private Equity Transaktion bei einer  Gruppe von Schweizer privaten und institutionellen Investoren zu  platzieren".
Offensichtlich ist damit eine Gruppe finanzkräftiger  Geldgeber bereit, neu ins Schweizer Printgeschäft einzusteigen. Die Investment-  und Privatbank erwirbt "nach Rücksprache mit ausgewählten Investoren"  (Swissfirst-Communiqué) die Aktien der Jean Frey AG mit sämtlichen  Tochtergesellschaften und Titeln, um sie anschliessend in die Portfolios der  Kunden zu übertragen - ein in der Schweizer Mediengeschichte bisher einmaliges  Vorgehen.
Die Basler Mediengruppe löst um 70 Millionen  Franken
Um wen es sich bei den Investoren handelt, mochte  Swissfirst-CEO Thomas Matter (Bild links) gegenüber OnlineReports nicht  verraten: "Ich bin ans Bankgeheimnis gebunden." Es seien fünf institutionelle  Anlegerkunden angefragt worden, die alle zugesagt hätten. Diese Kunden stünden  für 80 Prozent des Transaktionskapitals von 90 bis 110 Millionen Franken ein.  Später sollen 10 bis 15 Einzelinvestoren dazu stossen und entsprechende  Anteile  zeichnen. Unter den institutionellen Anlegern befinde sich "kein Kunde, der mit  Medien etwas zu tun hat", sagte Matter, ohne Namen nennen zu wollen. Sicher sei  nur, dass kein Einzelkunde die Mehrheit halten dürfe.
Anteile  zeichnen. Unter den institutionellen Anlegern befinde sich "kein Kunde, der mit  Medien etwas zu tun hat", sagte Matter, ohne Namen nennen zu wollen. Sicher sei  nur, dass kein Einzelkunde die Mehrheit halten dürfe.
Ebenso wenig wollte  sich Matter, in der "Bilanz" erstmals unter der Gilde der 300 reichsten  Schweizer aufgeführt, zum Kaufpreis äussern. Doch die Tatsache, dass im  Transaktionspreis eine Kapitalerhöhung von 20 bis 30 Millionen enthalten ist,  lässt den Schluss zu, dass die Basler Mediengruppe mit einem Preis von 70  Millionen Franken rechnen kann. Der Kaufpreis wird allerdings erst in drei bis fünf  Wochen fällig, wenn die Wettbewerbskommission die Unbedenklichkeitserklärung  abgegeben hat.
Noch ist unklar, wie alt die überraschende Neubesinnung  der Basler Mediengruppe ist. Immerhin sind bereits wichtige personelle  Vorentscheidungen getroffen. Ab 2. April als neuer CEO des Jean-Frey-Verlags  vorgesehen ist der noch amtierende Chefredaktor von Schweizer Fernsehen DRS,  Filippo Leutenegger. Er war erst vor wenigen Tagen nach einem heftigen  Machtkampf mit Fernsehdirektor Peter Schellenberg entlassen worden. Wie es  heisst, soll Leutenegger wie alle Mitarbeitenden der Jean Frey AG die  Möglichkeit erhalten, "sich an ihrem eigenem Unternehmen zu beteiligen".
Als  möglichen Umfang der Mitarbeiterbeteiligung nannte Matter einen Aktienanteil von  15 bis 20 Prozent. Verwaltungsratspräsident wird der Unternehmens- und  Kommunikationsberater Christoph Richterich. Auch soll Peter Wyss, Finanzchef der  Basler Mediengruppe, im Verwaltungsrat des Jean-Frey-Verlags Einsitz nehmen. Was  nichts anderes heisst, als dass die bisherige Besitzerin zumindest vorläufig ein  informelles Bein im Zürcher Verlagshaus behalten wird.
Im Roche-Umfeld  laufen Fäden zusammen
Möglicherweise wird Basel ohnehin auch künftig  beim Jean-Frey-Verlag das Sagen haben: Christoph Richterich ist der Sohn des  früheren Roche-Personalchefs Guido Richterich. Thomas Matters Vater Peter Matter  (60), Verwaltungsratspräsident der Swissfirst-Tochter Swissfirst Trust und  Verwaltungsrat von Christoph Blochers Ems-Chemie und von Martin Ebners  Spezialitäten-Vision, war Chief-Treasurer bei Roche und half Finanzchef Henri  Meier während Jahrzehnten, wundersam Geld zu vermehren. Guido Richterich wiederum  ist geschäftlich mit dem schweizerischen Bereich der Kaffeehauskette Starbucks  verbunden, die zu Beat Curtis Detailhandelsgruppe Bon appétit gehört.
Nicht nur  ist Starbuck im neuen Redaktionssitz der "Basler Zeitung" am Basler Aeschenplatz  eingemietet, auch ist Beat Curti als früherer Besitzer des Jean-Frey-Verlags eng  mit der Basler Mediengruppe verbunden, in deren Verwaltungsrat er immer noch  sitzt. Zudem sind auch die Kontakte zwischen Thomas Matter und Martin Wagner,  dem Konzernanwalt der Basler Mediengruppe, recht eng: Die beiden kennen sich aus  früheren geschäftlichen Kontakten; auch war es Martin Wagner, der zu  Jahresbeginn den Kontakt zu Thomas Matter herstellte, um Sicherheitsnetz zu  spannen für den Fall, dass der Ringier-Deal platzen sollte.
Peter Matter  "weiss nichts von speziellen Beziehungen der neuen Eigner zur Roche". Jedenfalls  hat er keinen Grund, seinem Sohn aus aktuellem Anlass beizustehen. OnlineReports  stöberte ihn auf den Malediven auf, wo er derzeit bei 32 Grad den Urlaub  verbringt.
Druckaufträge bleiben in Basel - bietet Ringier  mit?
Eine Kapitalverflechtung oder eine weiter bestehende  Minderheitsbeteiligung dagegen schloss BM-Verwaltungsratspräsident Matthias  Hagemann gegenüber OnlineReports aber ausdrücklich aus: "Wir sind ganz  ausgestiegen und haben 100 Prozent unserer Anteile verkauft. Wir werden keine  Beteiligung mehr halten." Dagegen konnte sich die Basler Mediengruppe die Druckaufträge für die  "Weltwoche" und das "TR7" sichern. Weitere Druckaufträge aus dem Hause Jean Frey  seien, so Hagemann, "Gegenstand von Verhandlungen".
Dieser Punkt ist für  das Basler Medienunternehmen wichtig: Vor kurzem beschloss der Verwaltungsrat,  80 Millionen Franken in eine neue Rotationsmaschine zu investieren. Dies auch  auf der Basis der Annahme, dass diese Qualitätsdruckpresse nicht nur durch die  "Basler Zeitung" und einen wichtigen Teil der Coop-Zeitung, sondern ebenso durch  die Titel des Zürcher Jean-Frey-Geschäfts ausgelastet werden kann. Allerdings kann  die "Weltwoche" nichts zur Auslastung der teuren Investition beitragen, wenn  sie, wie einmal angekündigt, in ein Magazin umgewandelt werden soll: Dieses kann  nicht auf der Zeitungs-, sondern nur auf der Rollenoffset-Rotation gedruckt  werden. Hier verfügt Ringier mit zwei 48-Seiten-Maschinen über die bessere  Infrastruktur als die Basler Mediengruppe. Mögliche Folge: Wenn für den Druck  der künftigen "Weltwoche" Konkurrenzpreise vereinbart sind, kann Ringer mit  tieferen Offerten die Basler Mediengruppe in Bedrängnis  bringen.
Ringier wirft Basler Mediengruppe "eklatanten Vertragsbruch"  vor
Scheint sich das Team um Verleger Hagemann mit dem neuen Partner  recht schnell geeinigt zu haben, brach am Freitag zwischen den bisherigen  Verhandlungspartnern ein heftiger Krach aus. Ringier wirft der Basler  Mediengruppe nichts weniger als "eklatante Vertragsverletzung" vor. Laut  Ringier-Sprecher Fridolin Luchsinger bestand zwischen den beiden Verlagshäusern  ein "rechtsgültiger Vertrag", in dem bis 8. Februar "Verhandlungsexklusivität"  zugesichert werde. Luchsinger: "In diesem Vertrag steht ganz klar, dass sich die  Basler Mediengruppe verpflichtet, bis zum 8. Februar nicht mit andern  Interessenten zu verhandeln."
Zwar habe Ringier gemerkt, dass in den  letzten zehn Tages "etwas Sand ins Getriebe" gekommen sei. In den letzten drei  Tagen aber seien die Gespräche wieder "normal gelaufen". Die vereinbarte Due  diligence - die interne Sorgfaltsprüfung -  sei erst vor drei Tagen abgeschlossen worden. Es sei vorgesehen und terminlich  schon anberaumt gewesen, am Montag die "eigentlichen Verhandlungen" auch über  den Kaufpreis zu beginnen.
Erst am Freitagmorgen sei Ringier durch die Basler  über die Pressekonferenz der Swissfirst informiert worden: "Sie haben uns ganz  klar hintergangen. Die hatten nicht einmal den Anstand gehabt, uns zuvor darüber  zu informieren. Sie haben uns vor vollendete Tatsachen gestellt." Dass die  Basler Mediengruppe "hinter unserem Rücken mit andern verhandelte", sei "eine  Sauerei", sagte Luchsinger weiter. Auch Präsident Michael Ringier finde "das  Geschäftsgebaren der Basler unter allem Hund". Nach Angaben des Sprechers ("Die  Basler erleiden den Imageschaden") will Ringier jetzt "rechtliche Schritte  prüfen".
Hagemann gibt zurück: "Ringier hat Frist  versäumt"
Im Verlaufe des Freitags wuchs der umstrittene Deal zu  einem eigentlichen Hickhack zwischen den beiden Medienunternehmen aus. Der  promovierte Jurist und BM-Präsident Hagemann warf nämlich seinerseits dem  Ringier-Verlag Vertragsbruch vor. "Ringier hat die Frist zum Abschluss des  Hauptvertrags versäumt. Dieser hätte am Freitag abgeschlossen werden sollen."  Und obschon Ringier am 10. Dezember letzten Jahres erstmals darauf hingewiesen worden sei, die  Wettbewerbskommission einzuschalten, habe das Zürcher Verlagshaus die  Wettbewerbshüter erst am 31. Januar "beiläufig informiert".
Matthias  Hagemann zu unserer OnlineReports: "So kamen wir in einen unhaltbaren  Schwebezustand." Sowohl der Basler Mediengruppe wie insbesondere der  schlingernden "Weltwoche", die seit Monaten auf die Umsetzung einer längst  angekündigten Neukonzeption wartet, hätten weitere Monate ungeklärter  Eigentumsverhältnisse "schweren Schaden" zugefügt. Ringier habe gar nicht früher  informiert werden können: "Am Donnerstagabend hatten wir Verwaltungsratssitzung.  Dabei sahen wir, dass wir mit nicht in vernünftigem Rahmen zu einem Konsens  kommen können." Da habe der Verwaltungsrat beschlossen, "die Verhandlungen mit  Ringier abzubrechen und auf Angebot von Swissfirst einzutreten".
SVP  ante portas - bloss ein Gerücht
Am Freitag zirkulierten Gerüchte,  wonach massgebliche SVP die Chance packten, über den ihr nicht abgeneigten  ehemaligen TV-Dompteur Filippo Leutenegger die Kontrolle über wichtige  politische Presse-Titel zu übernehmen. Nahrung erhielt die Spekulation auch,  weil der frühere Julius-Bär-Chefökonom und SVP-Nationalrat Hans Kaufmann dem  Swissfirst-Verwaltungsrat angehört. Gut informierte Kreise jedoch dementierten  das Gerücht. Auch Christoph Blocher wollte davon nichts wissen: "Weder ich  selbst noch die Pensionskasse der Ems-Chemie sind bei diesem Geschäft dabei. Wir  haben auch nicht die Absicht, dies zu prüfen." Seines Wissens sei auch sein  Parteikollege Walter Frey im Medien-Deal nicht engagiert.
Matthias  Hagemann zeigt Verständnis für die heftige "emotionale Reaktion" von Ringier,  hofft aber auf ein baldiges "Verrauchen". Ob sich die Verhältnisse zwischen den  beiden Unternehmen, die eben noch Verhandlungspartner waren, so rasch  normalisieren, ist zweifelhaft. Die Basler Mediengruppe, so ein Branchenkenner,  habe sich in Ringier nicht nur einen schärferen Konkurrenten, sondern "einen  Todfeind geschaffen".
                 8. Februar 2002
                
                
                
                
                
                
                
                "Zwei, drei grössere Probleme aufgetaucht"
                Über die konkreten Streit-Gründe kann derzeit nur spekuliert werden. Macht die  Basler Mediengruppe im wesentlichen Hinhaltetaktik seitens Ringier geltend,  verweist Ringier-Sprecher Fridolin Luchsinger auf "zwei, drei grössere, aber  nicht unlösbare Probleme", die im Verlaufe der Due diligence aufgetaucht seien.  Diese Erkenntnisse - unter anderem soll es sich um millionenschwere Lücken in  der Pensionskasse handeln - seien den Spitzen der Basler Mediengruppe in den  letzten Tagen mitgeteilt worden. Luchsinger: "Ich kann mir nur vorstellen, dass  sie erschrocken sind." Wahrscheinlich dürften diese "Erkenntnisse" auf den Preis  gedrückt haben. Spekulationen drehen sich auch um Unklarheiten im Zusammenhang  mit Verlust von 15 Millionen Franken in der Pensionskasse der Basler  Mediengruppe, verursacht durch Jürg Weiss, den früheren Finanzchef der Jean Frey  AG. Laut Matthias Hagemann besteht aber "im heutigen Zeitpunkt keine  Deckungslücke". Der Fehlbetrag werde zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung  durch die Patronale Wohlfahrtsstiftung der Basler Mediengruppe gedeckt.