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![]() "Sogar die 'New York Times' berichtet": Beginn der BaZ-Skandalisierung
Hinter der "Falschgeld-Affäre" steckt ein Journalismus-VersagenNicht alle Medienschaffenden verstehen unter "kritischem Journalismus" dasselbe. Fertigmachen gehört nicht dazu Von Peter Knechtli Wenn die internationale Presse die Story eines lokalen Mediums übernimmt, ist damit noch lange nicht geklärt, ob diese Story tatsächlich international relevant ist oder eher ein vergnüglicher publizistischer Luftballon – und schon gar nicht, dass sie inhaltlich auch stimmt.
Als OnlineReports im April 1998 über ernsthafte Basler Pläne berichtete, den Kult-Reisedampfer "Titanic" nachzubauen, fand die Geschichte auch ihren Weg in die "New York Post". Wir waren stolz. Aber aus den sensationellen Träumen wurden Schäume: Zweieinhalb Jahre später versank das Halbmilliarde-Projekt, da nicht finanzierbar, im Meer gescheiterter Projekte. OnlineReports kommunizierte das Scheitern umfassend.
Zwanzig Jahre später vermeldete die "Basler Zeitung" stolz, dass ihr "Fall Märkli" aus dem Oberbaselbieter Dorf Diegten weltweit Schlagzeilen ausgelöst habe ("Sogar die 'New York Times' berichtet"). Vor allem die Boulevard-Presse stürzte sich auf den "PR-Super-GAU" (BaZ) der Baselbieter Polizei.
Es ging um zwei damals weniger als zehnjährige und damit strafunmündige Brüder, die Ende April 2020 im Dorf-"Volg" mit "chinesischem Totengeld" Kleinigkeiten einkaufen wollten. In Wahrheit handelte es sich um falsche 50 Euro-Noten, die Witzbolde zuvor an der Sissacher Fastnacht verteilt hatten. "Besonders infam war die Das publizistische Feuerchen begann zu lodern, als die "Basler Zeitung" einseitig für die Familie eines betroffenen Buben ("Märkli") Partei ergriff und die Ermittlungen der Polizei inklusive das ermittlungstechnische Fotografieren des Buben zum Skandal hochschaukelte. Dessen Familie kooperierte so eng mit der Zeitung, dass sie ihr ein Foto überliess, das den fotografierenden Polizeimann von hinten bei seiner Ermittlungsarbeit zeigt.
Der vom Schweizer Presserat vielfach gerügte BaZ-Redaktor D. W., von dem sich die Zeitung inzwischen getrennt hat, richtete den Fokus schliesslich auf die neu gewählte sozialdemokratische Sicherheitsdirektorin Kathrin Schweizer. Er verstieg sich auf dem Höhepunkt der Kampagne auf eine besonders infame Fertigmacher-Masche der psychopathologischen Amateur-Diagnose: "Kathrin Schweizer fällt durch den Charaktertest" lautete der fünfspaltige Titel seines "Leitartikels". Die Baselbieter Polizeidirektorin versuche "auf Kosten eines Kindes ihr Gesicht zu wahren".
Je länger die publizistische Schlacht um das "Spielgeld", wie die BaZ das Falschgeld herunterspielte, vorwärts trieb, umso mehr geriet die Kampagne zur Medien-Affäre. An der Sache blieb nichts Substanzielles hängen, das auch nur schon überregionale Aufmerksamkeit gerechtfertigt hätte.
Durch die krasse mediale Aufbauschung wurde nun eine zwar nicht alltägliche, aber doch eher provinzielle polizeiliche Sachverhalts-Abklärung in ihre molekularen Bestandteile zerlegt und mikroskopisch untersucht. Was liegt da näher als die wenig überraschende Feststellung, dass es im Detailbereich zu Fehlern kam – aber zu keinen, die auch nur annähernd an den rechtsstaatlichen Grundfesten rüttelten.
Schon eine von der Regierung in Auftrag gegebene Administrativ-Untersuchung des Zürcher Rechtsprofessors und früheren Bezirksanwalts Andreas Donatsch entlastete die Regierungsrätin: Das Verhalten der Polizei stehe "im Einklang mit geltendem Recht" und auch das Fotografieren am Domizil des Buben könne "nicht als unverhältnismässig qualifiziert werden". "Die BaZ-Berichte richteten Schaden unter Jetzt bringt auch der Untersuchungsbericht der landrätlichen Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) die Skandalisierung eines mit alltäglichen Unzulänglichkeiten behafteten polizeilichen Vorgangs vollends zum Einsturz. Sie hält in ihrem – einstimmig verabschiedeten – Bericht fest, dass die Ermittlungen "korrekterweise abgelaufen". Der Polizeieinsatz sei "angemessen und rechtmässig" gewesen.
Mit ihren Berichten hat die "Basler Zeitung" somit nicht einen staatspolitisch relevanten Skandal aufgedeckt, sondern im Gegenteil Schaden unter jenen angerichtet, die sie zu schützen vorgab: "Die Berichterstattung in der BaZ" und die "unzulässige Publikation der Fotografie des Polizeibeamten mit dem fotografierten Jungen" hätten zu einem "medialen Hype" geführt, "unter dessen Konsequenzen einige der involvierten Personen noch lange litten", heisst es im Untersuchungsbericht.
Doch damit nicht genug. Einer GPK-Subkommission sei im Rahmen der Befragungen zugetragen worden, "dass Landratsmitglieder versucht hätten, Einfluss auf die Arbeit der Polizei zu nehmen und ihr vorzuschreiben, was sie strafrechtlich zu tun habe", wie der Schlussbericht festhält. "Trifft dies zu, so verurteilt die GPK dieses Verhalten aufs Schärfste." "Dieses Falschgeld-Trickli ist keinesfalls Wenn eben dem Kindergartenalter entwachsene Kinder den nicht ratsamen Streich begehen, mit Falschgeld Schleckzeug zu kaufen, dann müssten zuerst die Eltern in die Pflicht genommen werden. Dass die Polizei Ermittlungen aufnahm, kann ihr jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden, auch wenn Kleinkinder die Akteure waren.
Die Serie suggerierte immer mit einseitigem Fokus den Eindruck zu erwecken, die Polizei habe mit Kanonen auf einen Kinder-Scherz reagiert, und es sei nicht justiziabel, wenn achtjährige mit falschen Euro-Noten zu zahlen versuchen. Sicher kann den "Volg"-Kindern kein Vorwurf gemacht werden: Sie waren noch nicht in der Lage, die Folgen ihren Tuns abzuschätzen.
Aber genauso falsch wäre es, von der Polizei zu erwarten, Falschgeld-Trickli als juveniles Kavaliersdelikt durchgehen zu lassen. Auch Achtjährige müssen wissen, wo ein Bubenstreich die Deliktsgrenze erreicht. Wäre die Täuschung an der Diegter "Volg"-Kasse erfolgreich gewesen, wäre ein weiterer Versuch – vielleicht andernorts – wohl nur eine Frage der Zeit gewesen.
Es war die Pflicht und Aufgabe der Polizei, Ermittlungen aufzunehmen. Hätte sie, aus welchen Gründen auch immer darauf verzichtet, hätte ihr mit Fug und Recht Amtsmissbrauch und Begünstigung vorgeworfen werden können. Mit dem GPK-Schlussbericht mutiert die "Spielgeld-Affäre" zu einem Paradebeispiel von Journalismus-Versagen. 19. Mai 2022
![]() "Eine Tafel Schoggi hätte genügt" Für mich ist es heute noch lachhaft, die Heldentat der übereifrigen Baselbieter Polizei. Mit einer Tafel Schoggi wäre das Ereignis vom Tisch gewesen. Und hätte uns Steuerzahler einige 10 000 Franken erspart. Willi Grollimund, Muttenz "So viel groteskes Baselbieter Seldwyla" Ich behaupte mal: Auf der ganzen Welt würde eine Verkäuferin herzhaft lachen, würde ein achtjähriger Knabe sie fragen, ob er mit Spielgeld Schleckzeug kaufen könne. Vielleicht würde sie, da selber Mutter eines gefizten Lausbuben (oder eines Lausmädchens), ihm extra etwas schenken. Im Baselbiet ereifert man sich über Falschgeld und falsche Euronoten; es gibt eine polizeiliche Sachverhalts-Abklärung, eine Administrativ-Untersuchung eines Zürcher Rechtsprofessors, einen Untersuchungsbericht der landrätlichen Geschäftsprüfungs-Kommission (GPK) , wonach der Polizeieinsatz gegen den kindlichen Sünder "angemessen und rechtmässig" gewesen sei und es existiert eine GPK-Subkommission. So viel groteskes Baselbieter Seldwyla wegen eines Lausbuebenstreichlis findet zu Recht globales Interesse bei der "New York Times". Jost Müller-Vernier, Basel "Heute wird alles aufgebauscht" Früher hätte die Verkäuferin dem Kind erklärt, dass das so nicht geht und was das für Geld ist, bei einer Wiederholung die Eltern informiert. Das wärs dann etwa gewesen. Heute wird ja alles in der Presse und den (un)Sozialen Medien herumgereicht und aufgebauscht. Unglaublich, für was für schwerwiegende Delikte das sind und für die Polizei, naja die haben sicher nichts anderes zu tun, oder? Peter Isler, Basel |
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