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                Das letzte Bild – im Grenzgebiet Sarawak-Kalimantan: Bruno Manser
                
                
                "Das Interesse am Stumm-Machen Mansers ist belegt"
                
Das Basler Zivilgericht leitet im Zusammenhang mit dem verschwundenen  Waldschützer Bruno Manser die Verschollen-Erklärung ein
                
                
                Von Ruedi Suter
                
                
                
                Noch in diesem Jahr wird das Basler Zivilgericht mit einer öffentlichen Ausschreibung über den Basler Regenwaldschützer Bruno Manser die Verschollen-Erklärung eröffnen. Das Gericht kam zur Überzeugung, dass der vor über drei Jahren im Dschungel von Sarawak verschwundene Umwelt- und Menschenrechtsaktivist in hoher Todesgefahr geschwebt sei. Der langjährige Manser-Begleiter Ruedi Suter berichtet. Neuerdings wird wieder behauptet, Manser lebe und habe seine Identität gewechselt.
                
                "Das erhebliche Interesse am Stumm-Machen von Bruno Manser durch die malaysische  Regierung und die Holzkonzerne ist belegt." Schwer legte sich die Aussage des  Gerichtspräsidenten Stephan Wullschleger an diesem Nachmittag des 11. Dezember  2003 auf die anwesenden Familienangehörigen des seit Mai 2000 im fernen Borneo  verschwundenen Menschenrechtlers  und Baumschützers. Im Saal des Zivilgerichts an der Bäumleingasse herrschte  selbst auf dem Richterpodium mit der höchsten Besetzung eine aussergewöhnliche  Stimmung aus besorgtem Interesse, Anteilnahme und Betroffenheit. Die fünf  Richterinnen und Richter hatten festzustellen, ob im Falle von Bruno Manser ein  so genanntes Verschollen-Verfahren  eingeleitet werden könne. Ein rarer Fall für die Rechtsprechung in der von  Kriegen und grossen Naturkatastrophen verschonten Schweiz: Verschollene Bürger  sind selten hierzulande.
Wertvolle Hinterlassenschaft an Schriften und  Zeichnungen
Eine Verschollen-Erklärung ist laut Zivilgesetzbuch erst  dann möglich, wenn der Tod eines Menschen "höchst wahrscheinlich" angenommen  werden muss, weil er in "hoher Todesgefahr verschwunden oder seit langem  nachrichtenlos abwesend ist". Das Gesuch hatte Kaspar Müller gestellt. Der  Ökonom und Freund der Familie  
Manser war von der  Vormundschaftsbehörde Basel-Stadt als Beistand des vielseitigen Umweltaktivisten  mit seiner wertvollen Hinterlassenschaft an Schriften, Zeichnungen und Fotos  verpflichtet worden. Müller beauftragte nach etlichen Abklärungen den Anwalt  Patrick Wamister mit der Einleitung des Verschollen-Erklärungsgesuchs. Dieser  musste nun, assistiert vom jungen Kollegen Daniel Plüss, dem Gericht den Tod  Bruno Mansers plausibel machen. Auf der Zuhörerbank hielten sich John Künzli,  Sekretär des Bruno Manser Fonds (BMF), sowie Erich Manser bereit. Letzterer  hatte vergangenen Sommer in Sarawak mit den Penan-Waldnomaden eine dritte  Suchexpedition nach seinem Bruder durchgeführt.
"Verschleppt oder  getötet"
"Bruno Manser war ein gesuchter Mann. Seine Aktionen  richteten sich klar gegen die Regierung und gewisse Mitglieder, welche ein  finanzielles Interesse haben, dass die Urwälder abgeholzt werden", erklärte  Advokat Wamister in seiner  Begründung. Auch die Holzkonzerne hätten gereizt reagiert, als sie den von  Manser organisierten Widerstand des Penan-Urvolks gegen die Zerstörung ihrer  Lebensgrundlagen zur Kenntnisnehmen mussten. Man habe ihn "nicht zimperlich" zur  Flucht gezwungen, ja sogar auf ihn gefeuert. "Man wollte ihn aus dem Land  haben."
Ein weiterer wichtiger Grund, weshalb Manser als tot betrachtet  werden müsse, sieht Patrick Wamister in der Gefährlichkeit des so abgeschiedenen  wie stark zerklüfteten Urwalds von Sarawak. "Das sind nicht die Langen Erlen,  das ist wirkliche Wildnis und sehr gefährlich." Hinzu kämen dieletzten  spektakulären Unternehmungen, mit denen Manser Sarawaks Chief Minister Taib  Mahmud zu einem Dialog für die Rettung der Penan-Waldnomaden bewegen wollte.  Doch Aktionen wie die Inkognito-Besuche in Sarawak oder das Überfliegen von  Mahmuds Residenz in Sarawaks Hauptstadt Kuching mit einem motorisierten Gleiter  hätten den Schweizer bei der Regierung des Teilstaates Sarawak nur noch  verhasster gemacht.
Schliesslich erwähnte der Anwalt die verschiedenen  Suchexpeditionen, die "nicht den geringsten Hinweis" auf den Verbleib des  Vermissten ergeben hätten. Dies zeige, dass der Basler "sehr wahrscheinlich  verschleppt oder getötet worden ist. Etwas anderes kann man sich gar nicht mehr  vorstellen", schloss Wamister seine Argumentation.
Auch die  Schutzgebiete werden abgeholzt
Gerichtspräsident Stephan Wullschleger  liess sich die Gelegenheit nicht nehmen, Erich Manser über die Eindrücke seiner  Suchexpeditionen zu befragen. Der seinem Bruder in vielen Belangen ähnelnde  Gärtnermeister berichtete, das in Frage kommende Gelände mit den Penan zusammen wochenlang kreuz  und quer abgesucht zu haben. Ohne Erfolg. Hingegen habe sich die Gegend durch  das Abholzen Jahr für Jahr erschreckend verändert. Der letzte, als Schutzgebiet  bestimmte Urwald der Penan werde von den Holzkonzernen jetzt auch noch zerstört.  Ob die Behauptung belegt werden könne, auf Bruno Manser sei während seines  langen Aufenthalts bei den Penan (1980-1986) ein Kopfgeld ausgesetzt worden,  wollte Richter Wullschleger von BMF-Sekretär John Künzli wissen. Dessen Antwort:  Manser sei von Regierung und Holzkonzernen ab 1986 gesucht worden. Man habe dem  Gejagten damals von verschiedenen Seiten zugetragen, auf ihn sei ein Kopfgeld  von 50'000 Dollar ausgesetzt, das später auf 100'000 Dollar erhöht wurde. Nicht  klar sei, ob es sich um US- oder Malaysia-Dollars handelte.
Gegenüber  OnlineReports berichtete Künzli von der zunehmenden Verzweiflung der Penan, die  dem Kaputtmachen ihres zurzeit mit Hilfe des BMF kartographierten Landes zusehen  müssten und sich immer wieder mit Strassensperren gegen den bislang  unaufhaltsamen Vormarsch der Holzleute zur Wehr setzten.
Wer weiss, wo  Bruno Manser ist, kann sich jetzt melden
Dass viele Akteure in  Sarawak am "Stumm-Machen" des Schweizer Regenwaldschützers zumindest "sehr  interessiert" waren, davon zeigten sich die Basler Richter und Richterinnen nach  ihrer Beratung überzeugt. Dass der Vermisste in "hoher Todesgefahr" verschwand,  sei gegeben, begründete Gerichtspräsident Wullschleger. "Er wurde vom Chief  Minister als 'Troublemaker' bezeichnet: 'Je schneller wir ihn haben, desto  besser!'" Hierzu passten auch die Schüsse auf den flüchtenden Menschenrechtler  sowie die Aussetzung einer Kopfprämie. Aber auch die Gefahren für einen  Solo-Waldläufer in Sarawaks Dschungel ergäben für das Gericht genügend  Anhaltspunkte zur Annahme, Bruno Manser habe in Todesgefahr  geschwebt.
Somit könne das Verschollen-Verfahren jetzt vorzeitig - und  nicht erst fünf Jahre nach Mansers letztem Lebenszeichen - eingeleitet werden.  Das Basler Zivilgericht wird nun in diesen Tagen via Kantonsblatt zweimal die Eröffnung des  Verfahrens bekannt machen. Danach haben alle, die etwas über den Aufenthalt des  Vermissten wissen, während einem Jahr lang die Möglichkeit, dies dem Gericht  mitzuteilen. Via Internet soll das Verfahren auch weltweit und in Malaysia  bekannt gemacht werden. Gibt es keine stichhaltigen Hinweise auf einen noch  lebenden Bruno Manser, wird dieser Ende 2004 offiziell als verschollen erklärt.  Dies heisst dann aus rechtlicher Sicht: Bruno Manser lebt nicht mehr. Das Basler  Gericht schloss die Verhandlung über den vermissten Mitbürger mit einer noblen  Geste: Es senkte die Verfahrenskosten um 200 auf 300 Franken.
                19. Dezember 2003
                
                
                
                
                
                
                
                GESUCHT: BRUNO MANSER
                Wer etwas Neues über den seit Mai 2000 verschollenen Schweizer Menschenrechtler  und Regenwaldschützer Bruno Manser weiss oder ihn gar gesehen hat, soll sich bis  Ende 2004 beim Zivilgericht Basel-Stadt melden und Beweise vorlegen. Diesen  "Aufruf betreffend Verschollenerklärung" verfügte das Gericht gemäss seinem  Präsidenten Stephan Wullschleger am 13. Januar.
Der genaue Wortlaut in  atemlosem Amtsdeutsch: "Manser Bruno, geboren am 25. August 1954, in Basel,  Schweiz, Bürger von Appenzell, Schweiz, Sohn des Manser Erich und der Ida Manser  geb. Räderstorff, ledig, zuletzt wohnhaft gewesen in Basel, Schweiz, der am 25,  Mai 2000 in der Gegend von Bareo, Miri, Nordsarawak, Malaysia, letztmals gesehen  worden ist und von dem seither jede Nachricht fehlt, soll auf Antrag seiner  Mutter und seiner Geschwister verschollen erklärt werden. Gemäss Beschluss des  Zivilgerichts Basel-Stadt vom 11. Dezember 2003 wird hiermit jede Person, die  über den Vermissten Aufschluss geben kann, aufgefordert, bis spätestens 31.  Dezember 2004 dem Zivilgericht Basel-Stadt, Abteilung 1, Bäumleingasse 5, 4001  Basel, zu melden, was sie seit Mai 2000 über den Verbleib von Herrn Bruno Manser  erfahren hat, unter Vorlegung oder Nennung allfälliger Beweismittel." Der Text,  so verfügte das Gericht ausserdem, wird auf Englisch übersetzt und mit Fotos von  Manser als "Press release from the Swiss Government" den folgenden Medien in  Malaysia zugestellt: "Borneo Post" (englische und malaysische Ausgabe), "Sarawak  Tribune" (englische und malaysische Ausgabe) sowie "Malaysia Today". In Kenntnis  gesetzt wird auch die Schweizerische Botschaft in Malaysias Kapitale Kuala  Lumpur.
GERÜCHTE
                Bruno Manser ist auf Borneo im malayisischen Sabah untergetaucht und heisst  jetzt Dr. Reza Azmi. Das beweisen DNA-Analysen einwandfrei - wird im Internet  behauptet.
Spielt Bruno Manser also doch ein makaberes Spiel? Ist er  einfach in Sabah untergetaucht, diesem zweiten malaysischen Bundesstaat auf der  Insel Borneo? Und hat er sich dort ein neues Aussehen und eine neue Identität  als Dr. Reza Azmi zugelegt, um  dann mit  seinem "Dschungelhund" Jerry immer mal wieder längere Zeit durch den Urwald zu  traben? Jawohl, genauso ist es, behaupten die Autoren "Samba Dear" und  "Moongoose" in einem Internet-Artikel vom 4. September. Unter der Überschrift  "Bruno Manser lebend gefunden!" behaupten die beiden, die WWF-Organisation Asian  Rhino and Elephant Action Strategy (AREAS) habe eindeutige DNA-Beweise, wonach  der ehemalige Mitarbeiter des malayisischen WWF, Dr. Reza Azmi, niemand anders  als der "Umwelt-Kreuzritter" Bruno Manser sei. Heimlich eingesammelte Stuhl- und  Nagelproben des Untergetauchten seien für DNA-Tests an verschiedene  international anerkannte Institute geschickt worden. Ein gewisser "Professor E.  C. Oli der texanischen A&M University" garantiere für die Richtigkeit des  Befundes. "Ich habe dieses Projekt persönlich überwacht."
dann mit  seinem "Dschungelhund" Jerry immer mal wieder längere Zeit durch den Urwald zu  traben? Jawohl, genauso ist es, behaupten die Autoren "Samba Dear" und  "Moongoose" in einem Internet-Artikel vom 4. September. Unter der Überschrift  "Bruno Manser lebend gefunden!" behaupten die beiden, die WWF-Organisation Asian  Rhino and Elephant Action Strategy (AREAS) habe eindeutige DNA-Beweise, wonach  der ehemalige Mitarbeiter des malayisischen WWF, Dr. Reza Azmi, niemand anders  als der "Umwelt-Kreuzritter" Bruno Manser sei. Heimlich eingesammelte Stuhl- und  Nagelproben des Untergetauchten seien für DNA-Tests an verschiedene  international anerkannte Institute geschickt worden. Ein gewisser "Professor E.  C. Oli der texanischen A&M University" garantiere für die Richtigkeit des  Befundes. "Ich habe dieses Projekt persönlich überwacht."
"Vorliebe  für Fondue"
Offensichtlich, so wollen die beiden wissen, habe sich  der Basler unter falschem Namen als Wissenschaftler beim WWF in Sabah  eingeschlichen, um im Gebiet Lower Kinabatangan zu arbeiten. Den Mitarbeitern  sei rasch aufgefallen, dass "der Bursche" den Haarschnitt eines  Stammesangehörigen getragen und einen "schottischen" Englisch-Akzent hatte. Auch  habe sich Azmi alias Manser immer absonderlich gekleidet, am liebsten wäre er  barfuss und mit Lendenschurz herumgelaufen. Besonders verräterisch seien aber  seine Vorliebe für Fondue und die jähen Jodel-Ausbrüche gewesen. Ihren Bericht  schliessen die Autoren folgendermassen ab: "Dr. Azmi alias Hr. Manser konnte für  Kommentare nicht erreicht werden, aber vertrauenswürdige Quellen glauben, er  könnte in Tat und Wahrheit wieder Sarawak infiltrieren - diesmal unter dem Dach  eines von Dänemark finanzierten Sumpfwald-Projektes."
So frei erfunden  dieser Bericht ist, so echt ist die Auskunft von Olivier van Bogaert,  Pressesprecher des WWF International in Gland: "Ehrlich, das ist keineswegs  lustig, zumal Bruno immer noch vermisst wird." Bogaert hatte aufgrund der  Anfrage von OnlineReports auch noch die Meinung eines asiatischen  WWF-Mediensprechers eingeholt. Dessen Verdikt: "Definitiv ein übler Witz! Ich  kenne beide – Manser wie Azmi: Das sind zwei verschiedene Personen." Überdies:  Der Botaniker Reza Azmi kann problemlos im Internet gefunden werden - und dort  scheint er ganz sich selbst zu sein.