Streit um Schleichwerbung: "Regi" gegen OnlineReports
Basel, 2. März 2011
Wo Kameras sind, sind immer auch Marken und Signete. Das wissen Parteien, Kandidaten, Wahlkämpfer – und das weiss auch das "Regionaljournal Basel" von Schweizer Radio DRS. Sein neuer Chef Dieter Kohler zeigte sich gar nicht erfreut über ein Foto (Bild), mit dem OnlineReports am Montag einen Bericht über den bürgerlichen Angriff auf die Baselbieter SP stellte. Auf dem Tisch der Referenten stand auch das "Regi"-Mikrophon, auf dessen reichlich grossem
Windschutz ein reichlich grosses "SR DRS"-Logo prangte. Um die Protagonisten besser zur Geltung zu bringen, retouchierte OnlineReports das Logo weg, das etwas gar opulent ins Bild stach.
Das brachte Kohler auf die Palme: Er warf OnlineReports gestern Dienstag "Bild-Manipulation" vor und forderte ein Foto, welches den DRS-Mikrophon-Windschutz unbearbeitet zeigt. Heute Mittwochmorgen meldete sich bereits die "Basler Zeitung", die der "Regi"-Chef offenbar auf das weltbewegende Thema angesetzt hatte.
OnlineReports nimmt dazu folgendermassen Stellung (siehe auch die Meinung von NZZ-Medienredaktor Rainer Stadler in der Box unten). In der Medienwelt und insbesondere im Online-Journalismus kommt es laufend zu neuen berufsethischen Problemstellungen, denen sich OnlineReports gern stellt. Darum halten wir fest: Die Hauptaussage des Bildes ist die Dokumentierung des bürgerlichen Auftritts im Bad Bubendorf, nicht der Windschutz des DRS-Mikrophons. Die Votanten sind auf dem Bild unverfälscht dargestellt, der Vorwurf der "Manipulation" ist nicht haltbar. Wir wollten auf dem Bild einfach keine Schleichwerbung.
Nun ist es keinesfalls so, dass wir uns generell auf die "Neutralisierung" von Mikrophon-Windschützen einschiessen. Aber in diesem Fall war das Logo zu penetrant. Die Frage darf zumindest erlaubt sein, wieviel Medien-Markenwerbung an Pressekonferenzen in unmittelbarer Umgebung der Votanten noch vertretbar ist, wenn Mikrophone zu eigentlichen Litfass-Säulen werden und die fotografische Motivwahl stark einschränken.
Etwas erstaunlich ist dann aber doch, mit welcher Vehemenz Dieter Kohler als Exponent des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf seinem Logo beharrt. Geht es ihm, der doch dauernd Original-Töne schneidet und kürzt und sie dennoch "Original-Töne" nennt, um die Reinheit der Lehre? Stellt er an andere Mediengattungen strengere Authentizitäts-Massstäbe als an seine eigene? Oder ist sein Interesse an Product Placement, das innerhalb der SRG doch so verpönt ist, nicht viel eher medienpolitisch begründet? Nämlich darin, über Drittmedien die Präsenz an der Veranstaltung zu dokumentieren? Bekanntlich fordert die SVP die Abschaffung der "Regionaljournale", was deren Präsenz- und Promotions-Druck ebenso erhöhen dürfte wie das Wahrnehmungs-Interesse.
"Logos sind zum Problem geworden"
OnlineReports bat NZZ-Redaktor Rainer Stadler, intimer Kenner der Medienszene, um einen Kommentar. Hier seine Einschätzung:
"Das Platzieren von Logos im Empfangsbereich von Kameras ist zum Problem geworden. Die Logos haben meist nichts zu tun mit dem, was der Kameramann dokumentieren will. Jene, die ihr Logo – man kennt das ja aus dem Sport – der Kamera aufdrängen, suchen bloss Medien- und Werbepräsenz. Das Entfernen von Logos ist zwar heikel, insofern eine Realität verändert wird. Logos lenken aber auch von der Hauptbotschaft ab. Insofern kann dessen Entfernung die Hauptbotschaft stärken. Einen medienethischen Skandal kann man jedenfalls aus einer solchen Tat nicht ableiten. Die Hauptaussage wird ja dadurch nicht verändert."
"Nebenschauplatz, der zur Bildaussage gehört"
Die Bildaussage wird durch die Retouche manipuliert, also die wahrscheinliche Präsenz vom "Radio/TV xy" geleugnet. Alleine die Retouche als solche zeigt, dass es sich hier um einen Nebenschauplatz handelt, der somit zur Bildaussage gehört. Ein anderer Ausschnitt oder eine andere Perspektive hätten Ihr Problem legitim gelöst. Manipulationen an Bildinhalten, wenn es denn zwingende Gründe dafür gibt, müssen auf jeden Fall klar deklariert und erklärt werden oder selbsterklärend sein.
Christoph Grossmann, Basel
"Es gibt weit grössere Probleme"
Nun muss ich feststellen, dass es weit grössere Probleme gibt, als zum Beispiel die Unruhen arabischer Staaten, Verhältnis CH-EU, der Rücktritt des deutschen Verteidigungsministers, die finanzielle Lage oder gar die kommenden Wahlen im Kanton Baselland: nämlich wegretouchierte Logos des mit unseren Geldern finanzierten Radiosenders. Peinlich.
Urs Baumann, Reinach
"Höchst unprofessionell"
Ich bin der Erste, der sich von Berufes wegen über Logowände und lästige Mikrofone im Bild stört. Aber das Wegretouchieren eines Logos ist und bleibt ein absoluter journalistischer No-go. Ob die Logos mit der Bildaussage etwas gemeinsam haben oder nicht, spielt keine Rolle. Pressebilder dürfen nur in Ausschnitt, Helligkeit und Kontrast bearbeitet werden.
Jegliche Retouche am Bild ist nicht zulässig und höchst unprofessionell.
Wenn etwas im Bild stört, suche ich halt eine andere Perspektive. Für ein gutes Foto braucht es Zeit
und ein geübtes Auge. Der Versuchung "Photoshop", mit seinen vielen Möglichkeiten zur "Bildoptimierung" ist zu wiederstehen.
Dominik Plüss, Reinach
"Alle wollen die grösseren Kartoffeln"
Lieber Bruno Heuberger. Man sollte sich zwar nicht öffentliche Briefe schreiben, aber es hätte mich sehr gewundert, wenn ich nicht von Dir gelesen hätte... Ich fühlte mich nicht verpflichtet (warum denn?), aber ich weiss inzwischen, dass eine Brise Gelassenheit nicht schaden kann. Aber auch das weisst Du als versierter Politiker: Es gibt nur Gärtner, in diesem Land. Und alle wollen die grösseren Kartoffeln. Letztlich machen wir so das Land gemeinsam fruchtbar, Du doch auch, oder nicht?
Klaus Kocher, Aesch
"Jeder schaut zu seinem Gärtchen"
Lieber Klaus Kocher, wir kennen uns aus gemeinsamen früheren kantonal-politisch-aktiven Zeiten (Gemeinde-Initiative BL). Daher wunderte ich mich zuerst ob Deiner Reaktion. Habe jedoch das Gefühl, dass Du die Problematik genau kennst, das Thema aber auf eine "Ach lass die doch"-Angelegenheit herunterspielen möchtest. Als ehemaliger Leiter des "Regionaljournals" Radio DRS Basel fühlst Du dich wahrscheinlich dazu verpflichtet, so zu argumentieren. Dass Du nun als Selbstständiger von der Information lebst, zeigt obendrein, was dein Kommentar auch noch bezwecken soll. So schaut halt jeder zu seinem Gärtchen.
Bruno Heuberger, Oberwil
"Neuer Beruf: Logo-Gummi-Mensch"
Das ist eine ziemlich schlitzohrige und einseitige OnlineReports-Sicht (man hört die Konkurrenten quicken ...). Wir wollen sehen, wie die Medien diese puristische Position und Bildästhetik im Sport umsetzen wollen. Gemäss OnlineReports werden alle Sportlerinnen und Sportler zukünftig werbemässig neutralisiert und von den entsprechenden Werbe-Botschaften "befreit". Na, dann wünsche ich viel Glück. Jetzt wird vermutlich als neuer Beruf der «Logo-Gummi-Mensch» eingeführt.
Chritoph Meury, Birsfelden
"Gut gibt's OnlineReports"
Diese Geschichte wundert eigentlich kaum. Die Journis bei unseren Staatsmedien messen mit verschiedenen Ellen oder verkommen zur Lachnummer, wenn sie sich – wie behauptet – gegen Schleichwerbung durch Product Placement angeblich zur Wehr setzen. Beispiele aus unserem Staatsfernsehen gibt's zur Genüge: Beispielsweise indem Pulloverkragen, Skibrillen, Sponsorlogos, Helmlogos von Sportlern vor Interviews so "werbewirksam" hergerichtet und zurecht gezupft werden, dass möglichst jeder Quadratzentimeter auf dem Bildschirm oder auf dem Pressefoto mit irgend einem Markenlogo zugestopft ist. Im Radio werden Sendungen mit Signeten inklusive versteckter Werbung (pardon es wird als "bezahlte Unterstützung" getarnt) an- und abmoderiert. Einfach alles andere als glaubwürdig, was da Herr Kohler von sich gibt. Gut gibt's OnlineReports, die solche Machenschaften aufdeckt!
Hans Zumstein, Cham
"Kleinkarierte Reaktion"
Ich finde die "Bild-Manipulation" von OnlineReports richtig und die Reaktion vom "Regionaljournal" kleinkariert und nicht dazu angetan, Sympathie zu erwecken.
Josef Hänggi, Rodersdorf
"... dann freuen sich die Redaktoren ungemein"
Das Thema ist in der Tat nicht übermässig gross, aber solange die Logos nicht grösser sind als der Kopf, der sich dahinter versteckt, würde ich keine Bildmanipulation zulassen. Natürlich wählt auch das "Regionaljournal" Original-Töne willkürlich aus und setzt sie irgendwohin, wo sie der Redaktion gerade passen. Aber das gilt für (fast) alle Medien. Das Radio hat ja noch zusätzlich das Problem, dass man es nicht sieht, sondern nur hört. Wenn jetzt schon mal ein Logo auf einer Foto ist, dann freuen sich die Redaktoren ungemein. Warum soll man ihnen das nicht lassen? Onlinereports ist auch glücklich und rapportiert im Rück-Spiegel, wenn es erwähnt wird. Und regt sich auf, wenn ein Zitat unterbleibt ...
Klaus Kocher, Aesch
"Auf dem Tablett serviertes Schnitzelbangg-Thema"
Eigentlich wäre es nur ein Lacher wert, diese Über-Reaktion des Herrn Kohler, ein auf dem Tablett serviertes Schnitzelbangg-Thema. Warum nur habe ich aber so ungute Erinnerungen an diesen Journalisten aus meiner Politzeit? Wahrscheinlich weil seine journalistischen Machtspielchen schon damals System hatten. Müsste da die Generaldirektion Schweizer Radio DRS nicht reagieren?
Christoph Zacher, alt Parteipräsident, Aesch
"SR DRS zieht vom Leder"
Ich kann mich eines ganz kleinen, leisen Schmunzelns nicht erwehren. Schlicht nicht vorstellbar, dass, wenn der "Blick" oder die NZZ so was gemacht hätten, SR DRS auch so harsch reagieren würde. Gegen den kleinen, härzigen, agilen David namens OnlineReports vom Leder zu ziehen, dass es nur so klepft und tätscht, ist halt schon wesentlich einfacher, als gegen die grossen Elefanten aus dem Blätterwald-Dschungel die Grosswildtöter-Kanone zu laden. Irgendwie mutet mich dieses Affentheater so an, wie wenn seinerzeit während des kalten Krieges die USA oder die verblichene UdSSR gegen irgendein Karibik-Inselchen unter haarsträubenden Begründung losschlugen. Arroganz der (Medien)-Grossmächte halt.
Max Mantel, Kilchberg