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20'000 für Wiener Philharmoniker – nichts für Beherzte
Basel, 11. September 2013
Es ist unschön, wie in Basel die unbestrittenen, kleinen aber feinen Institutionen der Freunde Alter Musik und der Gesellschaft für Neue Musik von der staatlichen Unterstützung abgenabelt werden.
Dabei geht es um vergleichsweise wenig Geld, aber um viel Wirkung der Vereinigungen, die die Behörden nach ihren kulturpolitischen Leitsätzen als "reine Veranstalter" einstufen und damit ihre kulturellen Leistungen herabmindern.
Das ist kein Ruhmesblatt der baselstädtischen Kulturabteilung: Sie verfügt kurzfristig, kaltherzig und unsensibel, dass die Subventionen der beiden Veranstalter für Alte und Neue Musik – die "Freunde alter Musik Basel" (FAMB) und die "Internationale Gesellschaft für neue Musik" (IGNM), Ortsgruppe Basel, – als einzige Institutionen ab 2014 leer ausgehen. Es handelt sich um jährlich 28'000 respektive 50'000 Franken. Damit macht man keinen Staat, aber Programme, die sich sehen und hören lassen, und das seit Jahrzehnten.
Jürg Hennebergers Mission
Als Kinder des Gründers Paul Sacher kümmern sich die beiden Institutionen um die Musik an den Rändern der Jahrhunderte. Sie veranstalten nicht nur Konzerte, sie studieren neue Projekte ein, bringen sie gar zur Uraufführung, halten die Podien frei für junge Ensembles. Die Konzerte werden nicht von einer kommerziellen Agentur veranstaltet, sondern betreut von kundigen Produzentinnen und Produzenten, die die Felder der Epochen vor und nach der Klassik und Romantik beackern.
Was Sacher mit der Schola Cantorum Basiliensis und seinem Basler Kammerorchester aufgebaut hat, soll auf kammermusikalischem Gebiet ab nächstem Jahr brach liegen. Die Leidtragenden sind nicht nur die Veranstalter, die nicht wissen, wie sie ihre geplante Saison heil über die Bühne bringen. Benachteiligt sind auch die Künstlerinnen und Künstler, die mit Leidenschaft bei der Sache sind, wie auch das Publikum, das auf die Ergebnisse der öffentlich präsentierten Forschungsarbeit verzichten muss.
Der Dirigent und Leiter der IGNM, Jürg Henneberger (Bild) ist so ein Crack, der sich seit Jahrzehnten engagiert um die Aufführung der neuesten Produktionen kümmert. Mit seinen Riesenpartituren auf dem Gepäckträger geklammert, radelt er durch die Stadt von einer Probe zur andern, um seine Mission zu erfüllen.
Geld für Wiener Philharmoniker
Die FAMB und die IGNM sind die einzigen Überlebenden, die noch mit den paar Tausendern rechnen konnten, während andere Veranstalter ohne Festsubventionen jährliche Bittgänge mit üppig dotierten Gesuchen ans Sicherheitsdepartement per Adresse "Swisslos Fonds" (früher: Lotteriefonds) rechtzeitig abschicken müssen. Die jährlich über hundert Dossiers werden zum Präsidialdepartement weitergeleitet, wo sie auf ihre Legitimation zur Vergabung geprüft werden. Die Summe der jährlichen "Swisslos"-Kulturgelder beträgt knapp fünf Millionen Franken. Mit einer Empfehlung abgesegnet, gehen die Gesuche wieder an den "Spiegelhof" zurück. Erst der Gesamtregierungsrat erteilt sein Plazet zu den Bewilligungen.
Nicht immer dringt die Kulturabteilung mit ihren Vorschlägen durch. So wurde der Posten in der Höhe von 20'000 Franken an die AMG / Konzertgesellschaft für das Neujahreskonzert der Wiener Philharmoniker entgegen den Bestimmungen in der Verordnung des baselstätischen Lotteriefonds vom "Gesamtregierungsrat" gutgeheissen. Gemäss Paragraph fünf werden "vom Lotteriefonds grundsätzlich keine Beiträge ausgerichtet für Auslandaufenthalte und Tourneen".
Tickets in Basel über ein Drittel billiger
Die Gutsprache ist stossend, handelt es sich beim solitären Prestige- und Eventkonzert doch um eine Veranstaltung eines höchstsubventionierten Reiseorchesters. Diesem muss man nicht noch Gelder nachschiessen, die eigentlich für einheimische Produktionen bestimmt sind. Eine Defizitgarantie wäre allenfalls gerechtfertigt – aber erst, wenn die Ticketpreise das Gastspiel des Weltorchesters ambitiös wie andernorts angesetzt sind und so eine Eigenwirtschaftlichkeit ermöglichen.
Beim Lucerne Festival treten die Wiener Philharmoniker am 14. und 15. September im KKL auf; dies zu Eintrittspreisen bis 320 Franken, während für das Basler Gastspiel vom 15. Januar 2014 Tickets von 85 bis 195 Franken ausgeschrieben sind. Mag sein, dass die Basler nicht soviel bezahlen wollen, und die Angst der Veranstalterin vor leeren Reihen gross ist.
Auf die "Swisslos"-Tombola angewiesen
Zum Trost werden die leer ausgehenden FAMB und IGNM auf die freie Wildbahn des "Swisslos"-Fonds entlassen. Als Begründung für das Ende der Subventionen argumentiert Jeanette Voirol, stellvertretende Leiterin der Abteilung Kultur im Basler Präsidialdepartement, beim Entscheid handle es sich "um einen kulturpolitischen Grundsatz, künftig keine primär veranstaltenden Körperschaften mit (mehrjährigen) Subventionen zu unterstützen". Und Kulturabteilungsleiter Philippe Bischof begründet das Ende der Subvention im Kündigungsbrief an die FAMB: "Künftig sollen reine Konzertveranstalter (also Institutionen ohne eigene künstlerische Tätigkeiten) nicht mehr in Form von Subventionen unterstützt werden." Was heisst da "rein"?
Keine mutige Entscheidung jedenfalls! Statt die immerzu beschworene Formel der rot-grünen Regierung "die Privatinitiative der Kulturschaffenden" zu unterstützen, würgt man die lebendige Initiative der kleinen, aber feinen Institutionen ab.
Den Bühnentod auf Raten zu erleiden, ist nichts Schönes. Auch nicht eine ex negativo formulierte Kulturförderung, die die kleinen Pflänzlein verkümmern lässt, statt sie nicht nur vom Bürotisch aus, sondern auch durch Besuche ihrer Veranstaltungen zu begleiten und zu unterstützen.
"Mich wundert gar nichts mehr"
Bei Herrn Bischof wundert mich gar nichts mehr. Er hat sich ja auch schon abwertend über die Basler Literaturszene geäussert. Dass er lieber den Wiener Philharmonikern statt hochklassigen einheimischen Musikinitiativen Geld gibt, passt zu seiner Haltung. Ich warte nun darauf, dass die BS-Kulturabteilung Gastspiele des holländischen Schmusegeigers André Rieu für förderungswürdig befindet.
Esther Murbach, Basel