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Handelskammer präsentiert futuristische Mobilität
Die Basler Handelskammer macht der rot-grünen Regierung Beine: Sie fordert eine Mobilitäts-Strategie, die über das Bestehende hinausgeht. Ihr Themendossier zur Mobilität ist allerdings kein Konzept auf kurze Sicht, sondern erst einmal eine Kreativitätsspritze.
Basel/Liestal, 28. April 2022
Es ist eine interessante Beobachtung. Am heutigen Donnerstag veröffentlichten die Basler Freisinnigen ihre Meinung zur kantonalen Mobilitätsstrategie, kritisieren darin das "überholte Gut-Böse-Muster" – öV gegen Auto – und werfen den staatlichen Strategen vor, den "technologischen Wandel" vergessen zu haben. Am selben Tag legt die Handelskammer beider Basel ein Themendossier ("Mobil in die Zukunft") vor, das Ideen bündelt, wie man sie in dieser Stadt noch nie gesehen hat. Der Staat ist nicht so frei Nun versteht es sich von selbst, dass die staatlichen Verkehrsplaner nicht tun und lassen können, was sie wollen: Sie sind an Gesetze, Parlamentsaufträge und weitere finanzielle und koordinatorische Rahmenbedingen gebunden. Sie sind Adressaten von sicherer Opposition, wenn beispielsweise Verkehrsflächen erweitert werden sollen. Demgegenüber kann ein Wirtschaftsverband frei von Bedingungen und planerischer Verantwortung von der Leber weg aufzeigen, wie er sich – ganz im Sinne der FDP – die Mobilität der Zukunft vorstellt. Direktor Martin Dätwyler ("wir denken in Alternativen") machte diese Unterscheidung fairerweise, als er auf die von Sebastian Deininger vorgestellte und verantwortete Broschüre zu sprechen kam. Der Leiter Verkehr, Raumplanung, Energie und Umwelt geht in seinem Fazit ganz von dem aus, was auch die Wirtschaft für sich beansprucht: Wachstum. Impulse zur Mobilitäts-Freiheit Die von der Gesellschaft insgesamt zurückgelegten Distanzen nähmen seit Jahren laufend zu, während das bestehende Verkehrssystem durch Staus und Verspätungen "immer häufiger an seine Grenzen" stosse. Das Papier fordert aber nicht allgemein und explizit neue Strassen, sondern eine Ergänzung des Angebots durch "sinnvolle neue Verkehrsträger und Mobilitätsformen". So ist nicht verwunderlich, dass der Unternehmensverband mit "Impulsen" (Deininger) aufwartet, die teilweise in andern Städten der Welt schon Realität sind, für Basel aber zunächst recht futuristisch wirken. Es sind neue elektrisch betriebene Verkehrsmittel, die in der vollständig digitalisierten Welt sicherlich als Ergänzung des herkömmlichen Systems in der einen oder andern kombinierten Form bedürfnisgerecht anzutreffen sein werden. Rollbänder für Zufussgehende Der "Peoplemover" soll als "schnelles, leistungsfähiges" schienengebundenes Transportmittel dienen, das – wie bereits auf Flughäfen – auf kurzen Stecken flexibel eingesetzt werden kann. Eines von vier genannten Beispielen: die 3,8 Kilometer lange Strecke von Allschwil/Bachgraben zum Bahnhof St. Johann. Automatisierte "Minibusse" sollen Strecken wie von vom Wolf-Areal zum Bahnhof SBB bedienen. Acht weitere Beispiele betreffen vor allem für e-Bikes "Veloschnellstrecken" wie jene von Riehen über Eglisee, Kleinbasel, Mittlere Brücke Richtung Universitätsspital und Morgartenring. Sechs Rollbänder und Rolltreppen sollen die rasche Mikromobilität und Strecken mit Steigungen bedienen. Gar ein unterirdisches Rollband wird für die Strecke vom Messegelände zum Badischen Bahnhof vorgeschlagen – in der Hoffnung, dereinst auch genügend Messebesuchende vorzufinden. Vorschlag für eine weitere Anwendung: die ehemalige Personen-Unterführung unter dem Bahnhof SBB. Schwimmende E-Taxis auf dem Rhein Die auffälligste Idee ist ein Verkehrsmittel, das die nach Meinung der Handelskammer "überschüssige Kapazität" des Rheins besser nutzen soll: Nicht weniger als 18 Taxi-Anlegestellen für "Elektroboote" werden auch zur Erschliessung wichtiger Wirtschaftsgebiete vorgeschlagen – von Village-Neuf über das 32 Hektar grosse Transformations-Areal Klybeck und Unterer Rheinweg bis zur Breite und Birsfelden. Alle diese Verkehrsmittel sollen digital vernetzt werden, um eine möglichst niederschwellige Nutzung zu ermöglichen. Nötig seien aber auch "handfeste Infrastrukturen": multimodale Verkehrsdrehscheiben, an denen sich die verschiedenen Transportformen zum Umsteigen verknüpfen. Wie bei der Handelskammer üblich, bleiben die "Forderungen an die Politik" nicht aus. Zusammengefasst: Der Staat soll neuen digitalen Transportmitteln gegenüber aufgeschlossen sein und eine schlanke Bewilligungspraxis pflegen. Druck zugunsten von Steuersenkungen In seinem Rückblick auf die Verbands-Höhepunkte wies Direktor Martin Dätwyler auf die "strukturellen Überschüsse" in den Staatshaushalten beider Basel hin, die eine "Chance" seien, durch Steuersenkungen die Attraktivität des Wirtschafts-Standorts zu erhöhen: Die vergleichsweisen "schlechten Plätze" bei den Einkommens- und Vermögenssteuern "müssen wir bekämpfen". Die erst im Jahr 2027 geplante Reduktion der Einkommenssteuern im Baselbiet komme "zu spät". Von der OECD-Mindeststeuer sind laut Dettwyler regional 90 bis 100 Unternehmen betroffen. Die daraus resultierenden Mehreinnahmen "sollen in den Kantonen bleiben", forderte er. Es dürfe "kein zusätzliches Verteil-Instrument geschaffen werden". Dringlichkeit eines Stromabkommens Verbandspräsidentin und Baselbieter "Mitte"-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter ging auf die Putin-Invasion in der Ukraine ein und betonte, die Wirtschaft stehe "voll und ganz hinter den Sanktionen". Der Krieg habe die EU verbunden, der Schweiz aber auch vor Augen geführt, dass ein europäisches Stromabkommen "noch unverzichtbarer" geworden sei. Unser Land, das teilweise von russischem Gas abhängig sei, müsse dringend "in die europäische Versorgungs-Architektur eingebunden" werden.

"Woher Ideen kommen ist egal"
Und ich dachte immer, dass Ideen wichtig seien, egal woher, ob futuristisch oder aus anderen, eventuell kommerziellen oder "nur" politischen Gründen. Regt meistens diverse Hirnströme an. Und auch die Diskussionen. Aber der Kommentar hier von Roland Stark gibt mir zu denken. Was ist aus dem Roland, den ich von früher meinten zu kennen, geworden?
Bruno Heuberger, Oberwil
"Linkes Virus greift bürgerlichen Hirne an"
Vor nicht allzu langer Zeit habe ich in einem Leitartikel einer bedeutenden Basler Tageszeitung gelesen, Rolltreppen seien ein typisches Merkmal rot-grün regierter Städte. Die Leute dort würden meist auf eigene Initiativen verzichten und auf die schützende Hand von Vater Staat bauen. Nun lese ich mit Erstauen, nein, mit Erschrecken, dass die Handelskammer beider Basel, unter Leitung einer Nationalrätin der "Mitte", Rolltreppen und Rollbänder ("peoplemover") als Verkehrsmittel der Zukunft anpreist. Rasche Mikromobilität heisst das Zauberwort. Der linke Virus hat jetzt offenbar auch die bürgerlichen Hirne angegriffen. Rettet Basel!
Roland Stark, Rolltreppenfahrer, Basel
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