© Fotomontage by Ruedi Suter, OnlineReports.ch
                
                
                "Wir fühlen uns ausser Stande": Diktator Saddam Hussein
                
                
                Schweizer Bunkerbauer sicherten Saddam Hussein das Überleben
                
Die Mauer des Schweigens der Schweizer Zivilschutzindustrie um ihr Ausland-Engagement bekommt Risse
                
                
                Von Ruedi Suter
                
                
                
                Ist der irakische Gewaltherrscher Saddam Hussein nur noch an der Macht, weil er sich das weltweit begehrte eidgenössische Zivilschutz-Knowhow einkaufte? Tatsache ist: Schweizer Ingenieure haben ihm zahlreiche ABC-Unterstände konstruiert. Auch seinen Kommandobunker 359 in Bagdad unter einem Park neben den Regierungsgebäuden. OnlineReports hat die Pläne und zeigt die geheimen Verbindungen zwischen helvetischen Ingenieurbüros, dem Bundesamt für Zivilschutz und den ausländischen Auftraggebern auf.
                
                Kein Zweifel, da waren Schweizer Profis am Werk. Ihre geheime Arbeit ist ein  Zeugnis exakter Kalkulationen und nüchterner Präzisionsarbeit: die Pläne des  Kommandobunkers in Bagdad mit dem Projektcode 359. Was diese Papiere verraten,  hätte nie an die Öffentlichkeit dringen dürfen. Doch just dies ist nun geschehen  - und die Schweiz hat ein weiteres Stück ihrer Unschuld verloren. Denn da hilft  kein Augenreiben, die Pläne zeigen klar und deutlich das zweistöckige Herzstück  einer unterirdischen Schutzanlage für Hunderte von Regierungsbeamten, Soldaten  und Zivilisten. 
Akribisch haben Schweizer Ingenieure sämtliche Elemente  berechnet und eingezeichnet: Aufenthalts- und Konferenzräume, Büros und  Schlafsäle, Toiletten für Damen und Herren, Küchen, Vorratslager,  Krankenstationen, Notausgänge, Waffenkammern und Materialräume, Gänge, Treppen,  Luftschutztüren, Schleusen, Dekontaminierungsräume, Filter- und Kühlanlagen,  Lüftungsschächte, Mauerstärken und Durchgänge. 
Bunkertunnels für  Limousinen und Panzer
Englische Begriffe in Maschinenschrift sind  stellenweise handschriftlich mit deutschen ergänzt worden. Nichts liessen die  Planer aus, um die Schutzsuchenden massiven Artilleriebeschuss, direkte  Raketentreffer und die Detonationen schwerer Bomben bequem und unbeschadet  überleben zu lassen. In Auftrag gegeben wurde der Spezialbunker mit seinen 70  Zentimeer dicken Wänden anfangs der achtziger Jahre vom irakischen Ministerrat,  dem "Council of Ministers Bagdhad/Iraq".
Die Pläne  mit dem Code 359 verraten in ihren Randbereichen weitere angrenzende Anlagen,  aber auch unterirdische Tunnels für Fahrzeuge wie beispielsweise Limousinen,  Lastwagen oder Panzer sowie "öffentliche Schutzräume" für 534 Personen. Ins Auge  sticht ein separater Zugangstunnel für V.I.Ps. "Der Zentrumsbunker wurde für die  oberste Regierungs- und Armeeführung des Iraks konzipiert - also für Saddam  Hussein und seinen Stab", erläutert ein Schweizer Ingenieur, der am  Geheimprojekt mitgearbeitet hatte.
Meterdicker Schutzschild gegen  Spezialbomben
Das "Dach" der unterirdischen Schutzanlage sei im Boden  mit einer meterdicken Schicht aus verschiedenen Materialien gegen Luftangriffe  aller Art abgesichert worden: Zuoberst eine 75 Zentimeter dicke Erdüberdeckung,  dann eine 3,40 Meter dicke Betonplatte, dann eine 25 Zentimeter dicke  Isolationsschicht mit Luftporen und schliesslich die eigentliche Bunkerdecke von  einem Meter Dicke. Damit lag der zweistöckige Zentrumsbunker (40 x 50 Meter)  unter einem 5,40 Meter dicken Schutzschild gegen Treffer durch Spezialbomben  oder Raketen.
Wo aber liegt diese Anlage? "Sie liegt unter einem Park und  kann rasch von den nahen Regierungsgebäuden über einen Tunnel erreicht werden.  Der Bunker verfügt über einen Regierungsraum mit sämtlichen  Kommunikationseinrichtungen", sagt der Ingenieur im Austausch gegen das  Versprechen, anonym zu bleiben. Ob die von Schweizern entworfene Anlage in der  irakischen Hauptstadt Bestandteil einer der drei legendären Riesenbunker  darstellt, vermag der Fachmann nicht zu sagen. Die Einblicke der ausländischen  Auftragserfüller in die irakischen Schutzbemühungen seien äusserst beschränkt  gewesen.
Hochmoderne Festung gegen ABC-Attacken
Die damals  hochmoderne Festung gegen atomare, biologische und chemische Attacken tief in  der Erde Bagdads ist jedoch nur ein Teil des weit verzweigten Bunkersystems im  Irak. Dieses war vorab in den achtziger Jahren von Staatschef Saddam Hussein in  Auftrag gegeben worden. Nicht gegen Amerikaner oder Europäer, die seinerzeit  noch dem reichen Zweistromland modernste Waffen verkauften und um die  wirtschaftlich einträgliche Gunst des Despoten buhlten, sondern gegen den vom  Irak angegriffenen Iran des Revolutionsführers Khomeini (1. Golfkrieg  1980-1988).
Projektiert wurde der  Kommandobunker 359 zu Bagdad von der Cepas Plan AG in Zürich. Der damalige  Projektleiter Waldemar Isele bestritt zunächst gegenüber der "NZZ am Sonntag",  mit seiner Crew Regierungsbunker oder militärische Schutzanlagen berechnet zu  haben. Doch schliesslich bestätigte er, dass Bunker 359 im Vergleich zu den  öffentlichen Schutzräumen besonders bombensicher konzipiert werden musste. "Sein  Schutzgrad war höher als der eines öffentlichen Schutzraums. Er war so  eingerichtet, dass die Insassen während Tagen autonom darin arbeiten  konnten."
Froh um Hilfe durch weltbeste Bunkerbauer
Isele  weist darauf hin, dass alle Verträge mit den Irakern Geheimhaltungsklauseln  unterworfen waren. In der Regel habe die Cepas Plan AG lediglich  Zivilschutzanlagen für 50 bis 250 Personen projektiert. Dies nach den gängigen  Schweizer Normen (TWP, TWO), für deren Anwendung im Ausland immer die  Bewilligung des Schweizer Amtes für Zivilschutz eingeholt haben werden müssen.  
Die dringende Nachfrage nach irakischen Schutzräumen war für die  exportfreudige Schweizer Zivilschutzindustrie ein wahrer Segen. Denn Diktator  Saddam Hussein und seine Entourage verliessen sich beim Bau wichtiger  Zivilschutzanlagen, Bunker, Kavernen oder Militärspitäler noch so gerne auf das  viel gerühmte Know-how der Eidgenossen. Deren Ingenieure und technischen  Zulieferer gelten- einmal abgesehen von den schwedischen, finnischen und  dänischen Kollegen - Dank den weltweit einmaligen Zivilschutzanstrengungen  daheim als die besten ihrer Zunft. 
Erste Haarrisse in der Mauer des  Schweigens
Und auch in Sachen Verschwiegenheit haben die Tellensöhne  einen tadellosen Ruf. So galt vor und nach dem Golfkrieg von 1991 die  Aufmerksamkeit der oftmals wild spekulierenden Medien Saddam Husseins  "Luxusbunker" in Bagdad, den im ganzen Land verteilten unterirdischen  Kommandozentralen und Mannschaftsbunkern sowie den Stahlbetonunterständen, in  denen die fintenreichen Iraker selbst Panzer, Raketen und Flugzeuge versteckt  haben sollen.
Als  Schöpfer dieser Anlagen, welche zurzeit auch wieder die UNO-Chefinspektoren Blix  und El Baradei beschäftigen, wurden immer Schweden, Finnen und Deutsche geortet  - aber keine Schweizer Bunkerbauer. Diese wussten stets dicht zu halten; ihre  Mauer des Schweigens bekommt erst jetzt Haarrisse. "Nach den Projekten von Cepas  Plan AG für Zivilschutz-Anlagen schätzen wir, dass im ganzen Irak weit über 100  Anlagen verschiedener Grösse gebaut wurden", sagt Waldemar Isele. Wohin die  Befestigungen überall genau zu stehen kamen, wisse die Firma jedoch  nicht.
Gegenseitige Beschattung
"Wir haben unsere Pläne abgegeben, und damit war unser Auftrag  erledigt." Realisiert wurden die Schutzraumgebäude vorab von einheimischen  Bauunternehmen. Als aber der Potentat am Tigris im mörderischen Krieg gegen die  persischen Feinde und die einheimischen Kurden Giftgas einsetzte, habe man sich  vom Irak verabschiedet. Ingenieur Isele: "Das, was dieses Regime dann machte,  konnten wir nicht mehr verantworten." Und seither, so versichert heute  Cepas-Direktor Hans Peter Höltschi, sei kein Ausland-Engagement mehr eingegangen  worden.
Doch das irakische Abenteuer sollte später die beteiligten  Schweizer Bau- und Ingenieurfirmen wie auch die Lieferanten von  Schutzraumbauteilen wieder einholen. Waren diese früher beim Projektieren in der  Schweiz bereits diskret von irakischen Geheimdienstangehörigen überwacht worden,  bekamen sie es vor dem zweiten Golfkrieg von 1991 erneut mit Spionen zu tun. Nur  - diesmal waren es die eigenen. Jene nämlich, die in den achtziger Jahren von  den in der Schweiz beschatteten Firmen informiert wurden und darauf ihre  irakischen Kollegen in Zürich, Bern und Basel beschatteten.
Tipps aus  dem Alpenland für den Wüsten-Blitzkrieg
So versuchten 1990/1991  Schweizer Nachrichtendienstler an die im Irak umgesetzten Bunkerpläne  heranzukommen. Die Eidgenossenschaft wollte damit die von der USA angeführte  Allianz beim "Desert Storm" gegen die irakischen Besetzer Kuweits unterstützen.  Mit den wertvollen Informationen aus dem Alpenland konnten beispielsweise  Angriffspläne oder die Munitionswahl für den Wüsten-Blitzkrieg optimiert werden.  Oder sie dienten den Bomberpiloten und Programmierern der Marschflugkörper als  präzise Zielhilfen.
Eine Tatsache, die einige der derzeit als Schnüffler  tätigen Schweizer Luftwaffenoffiziere bereits anfangs 2000 gegenüber der  SonntagsZeitung zugegeben hatten. Mit dem Plazet des mittlerweile entmachteten  Geheimdienstchefs Peter Regli und mit professionellen Agententricks versuchten  die Piloten den begehrten Unterlagen habhaft zu werden - oft ohne dass es die  angepeilten Unternehmen bemerkten.
Auch bei der  Cepas Plan AG klopften Mitglieder der Schlapphut-Gilde an. Dies bestätigt  Waldemar Isele: "Die Bundespolizei hat uns während der Kuweit-Krise Fragen zu  unseren Projekten im Irak gestellt. Dies offensichtlich im Zusammenarbeit mit  den amerikanischen Behörden. Doch von uns wurden weder Pläne noch Dokumente  ausgehändigt." Später erfuhr der Projektleiter des Kommandobunkers 359 aber,  dass die USA trotzdem mit Plänen von Bauten operierten, "die wir geplant  hatten": "Wie die Papiere in die Hände der Amerikaner kamen, weiss ich nicht",  sagt Isele ratlos.
Bundespolizei weiss nichts von  Überwachungen
Wer darüber mehr wissen müsste, sind jene, die im  Auftrag der Bundespolizei bei den zahlreichen für den Irak arbeitenden Schweizer  Unternehmen sensible Daten beschafften oder es zumindest versuchten. Doch beim  Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement will man sich auch nach interner  Rückfrage an nichts erinnern können. "Fedpol.ch ist nichts bekannt über  allfällige Bemühungen seitens der früheren Bundespolizei, via Bauunternehmen,  die im Irak tätig waren, Pläne und weitere Einzelheiten über Zivilschutzbauten  im Irak zu erlangen", sagt Sprecher Daniel Dauwalder.
Man könne auch  nicht beurteilen, ob das damalige EMD, das Bundesamt für Zivilschutz oder andere  Stellen über allfällige entsprechende Informationen verfügen. Und über Kontakte  des irakischen Geheimdienstes zu den an den Projekten beteiligten Firmen fehlten  ebenfalls Erkenntnisse. Dauwalder: "Wir können aber nicht definitiv  ausschliessen, dass damals im Sinne einer präventiven Absprache Kontakte zu den  zu diesem Zeitpunkt im Irak tätigen Firmen in der Schweiz stattgefunden haben."  Doch zu den "allenfalls erstellten Akten" habe man keinen Zugang: "Diese  befinden sich im Bundesarchiv."
Pilgerstätte für Verteidigungsattachés
Wer ebenfalls Licht ins Dunkel  bringen könnte, ist das Bundesamt für Zivilschutz. Gemäss der Aussage von  Zivilschutzbau-Ingenieuren musste das Amt bei der Anwendung schweizerischer  Sicherheitsnormen im Ausland informiert oder gar "um Erlaubnis gefragt" werden.  "Unsere Firma hat dieses Amt bei allen Aufträgen, die nach schweizerischen  Zivilschutznormen geplant wurden , angefragt, ob diese Normen in den jeweiligen  Ländern angewendet werden dürfen", versichert ein Experte. Doch davon will das  Amt nichts wissen. Weder seien Schutzbauten eine Geheimsache, noch sei der  exportorientierten Zivilschutzindustrie irgendwelche Vorgaben gemacht worden,  erklärt Pascal Aebischer als Sprecher des Bundesamts für  Zivilschutz.
Auffallend ist nur, dass dieses  immer dann in Deckung geht, wenn ihm konkrete Fragen gestellt werden, die seine  Verbindungen zum Ausland und die diesbezügliche Unterstützung von Schweizer  Firmen tangieren. Denn gerade in der Boom-Dekade des Zivilschutzes mutierte das  Amt zur Pilgerstätte für jährlich gegen 40 ausländische Besucherdelegationen mit  Diplomaten, Verteidigungsattachés, Zivilschutzorganisationen und  Medienvertretern aus allen Kontinenten.
Gedächtnisverlust im  Bundesamt
Stolz wurde den oft staunenden Gästen das Wesen und Wirken  des schweizerischen Zivilschutzes sowie die noch junge Aufgabenverlagerung zur  Katastrophen- und Nothilfe erläutert. Man knüpfte, wie heute noch, Kontakte -  und sprach auch über das Bunker-Business. Die Visitenkarten der besten  Unterstandsbauer Helvetiens lagen bereit, sofern diese nicht gleich persönlich  anwesend waren. 
Dennoch stritt Hildebert Heinzmann, damals Vizedirektor  der Zentralkoodination des Bundesamtes 1993 gegenüber der Presse "erstaunt" ab,  von diesen Auslandbeziehungen gleich auch noch die Schweizer Unternehmungen  profitieren zu lassen: "Es ist nicht Aufgabe unseres Bundesamtes, auf den Aufbau  des Zivilschutzes im Ausland beratend Einfluss zu nehmen oder bei der Erstellung  und Ausrüstung von Schutzbauten bzw. der Ausrüstung von Organisationen durch  Dritte vermittelnd zu wirken."
Ein viertägiges Symposium in  Riad
Eine Aussage, die General Haschem Abderrahman an seinem Verstand  hätte zweifeln lassen können. War denn nicht 1986, nach des Militärs Visite in  Bern, Hans Mumenthaler, der Direktor des Amtes für Zivilschutz, mit einem Tross  eidgenössischer Ingenieure, Kommunikationprofis, Schutzraumtüren- und  Luftfilterproduzenten erwartungsvoll im saudiarabischen Riad eingeflogen, um ein  viertägiges Symposium über Sicherheit und Zivilschutz zu bestreiten? 
War  das Treffen mit den vielen arabischen und afrikanischen Diplomaten nicht von der  Schweizerischen Zentrale für Handelsförderung und von der Schweizer Botschaft in  Riad initiiert worden? Und überbrachte Mumenthaler nicht auch noch gleich eine  aufmunternde Grussbotschaft seiner Chefin, Bundesrätin Elisabeth Kopp? Dass der  saudische General nicht geträumt hatte und dass zwischen Bundesbehörden,  ausländischen Auftraggebern und einheimischen Bunkerspezialisten durchaus engste  Verbindungen bestehen können, ist offensichtlich. 
Nicht nur militärische Geheimbauten
Doch wer auch immer sich  in der Schweiz mit dem Bau von Zivilschutzanlagen beschäftigt, bunkert sich  mental ein und übt sich vorzugsweise in Schweigen - als handle es sich immer und  ausschliesslich um militärische Geheimbauten. Gesprächiger ist man nur unter  sich oder mit Kunden - bei internationalen Messen oder Fachvorträgen in aller  Welt etwa.
Als Urväter des  Schweizer Zivilschutzes und damit als global respektierte Schutzraum-Cracks  gelten die einflussreichen Ingenieure Ernst Basler (Zollikon) und Werner Heierli  (Zürich). Denn sie haben das wegweisende schweizerische Schutzraumkonzept  entwickelt und die Sicherheitstandards festgelegt. Die Ernst Basler &  Partner AG in Zollikon wie auch die Zürcher Heierli AG sind heute noch  international tätige Ingenieur-, Planungs- und Beratungsunternehmen mit  weitreichenden Verbindungen und direkten Kontakten ins Bundesamt für  Zivilschutz. ETH-Bauingenieur Heierli verfasste "Überleben im Ernstfall", eine  Survival-Bibel für Bunker-Interessierte - mit Bildern, die des Bundesamt zur  Verfügung stellte.
"Eingeschworene Ingenieure und  Bundesbeamte"
Auch die Heierli AG lieferte Know-how für den "Shelter  359" in Bagdad. Das Ausland-Engagement der Firma ist beträchtlich. In Singapur  zum Beispiel ist sie für ihre vielen Dienstleistungen in der Schutztechnik gegen Kriege,  Katastrophen und Terroristenanschläge längst zu einem Begriff geworden. Ihr  Wissen ist riesig, doch gegenüber der Öffentlichkeit wird sofort gemauert. Man  fühle sich "ausser Stande, Fragen zu beantworten", meinte Kurt Rütsche,  Vorsitzender der Geschäftsleitung, zu OnlineReports.
Ein Abwinken, das  Peter Hug keineswegs verwundert. Der aufs Thema Zivilschutz spezialisierte  Historiker und wissenschaftliche Mitarbeiter der ehemaligen Bergier-Kommission  ortete in der Zivilschutzbauerszene eine "kleine, verschwiegene Familie aus  eingeschworenen Ingenieuren und Bundesbeamten". Und diese wittere eben jetzt  neue Morgenluft: "Die Nachfrage nach Schutzbauten ist weltweit wieder am  Steigen." Auch im Irak. Dort freilich dürfte das neue Bunker-Business noch etwas  auf sich warten lassen.
                25. Februar 2003
                
                
                
                
                    
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                Die vielseitigen Bombengeschäfte der Schweizer im Irak des Saddam Hussein
                
rs. Langsam aber sicher lüften sich die  Bodennebel: Zahlreiche Schweizer Bunker- und Zivilschutzbauer haben in den 80-er  Jahren im Reich des damals schon von glaubwürdigen Menschenrechtsorganisationen  als "Massenmörder" und "Kriegstreiber" definierten Diktators Saddam Hussein  blendende Geschäfte gemacht.
Wer aber genau wieviele Bauten in welchen  Gebieten realisierte, wird noch lange nicht klar sein. Auch nicht, ob es sich  dabei um Anlagen für Zivilpersonen oder für Militärs oder gar um  Mehrzweckunterstände handelte. 
Der von der Zürcher Cepas Plan AG  konstruierte Kommandobunker 359 neben den Regierungsgebäuden in Bagdad zeigt,  dass eine klare Trennung zwischen ziviler und militärischer Anlage von der  irakischen Führung nicht angestrebt worden war. Direkt oder indirekt  mitbeteiligt an der Planung oder an Materiallieferungen waren u.a. folgende  Firmen: die Zürcher Bakoplan Elektroingenieure AG; das Ingenieurbüro Glauser,  Studer und Stüssi (GSS AG); das renommierte Zürcher Ingenieurunternehmen Heierli  AG, die Stäfa Ventilator AG; die Zürcher Steigerpartner Architekten & Planer  AG; die Adliswiler Paul Schwab AG (schocksichere Lagerung von Maschinen); sowie  die auf Spezialtüren spezialisierte Elektro-Winkler + Cie AG in Glattbrugg. Auch  das Know-how des Forschungsinstituts für militärische Bautechnik in Zürich und  des ABC-Labor in Spiez fand im Bunker 359 seinen Niederschlag.  
Mit dabei war aber auch die vom Basler Gotthard Frick gegründete  Zivilschutz Consultants AG (Cidec) 1981-1989), eine Firmengruppe mit 600  Zivilschutzprofis. Sie bot ihre Dienste von 1981 bis 1989 an. Nach dem Fall der  Berliner Mauer löste sie sich auf, weil sich laut Frick die Geschäfte nicht mehr  lohnten. Der Hauptsitz der Cidec AG war die noble Villa an der St. Alban-Anlage  64 in Basel. Das Ziel der Cidec: Ausländischen Regierungen und Privatunternehmen  "das einzigartige Know-how und Material der Schweiz in diesem lebenswichtigen  und hochspezialisierten Gebiet zugänglich zu machen"  (Empfehlungsschreiben).
Cidec baute in der Schweiz u.a.  Zehntausende atombombensichere Zivilschutzplätze, das schweizerische  Zivilschutzzentrum in Schwarzenburg, 11 Untergrundspitäler, 11 Kommandoposten  für die Behörden, den Bundesbunker für Kulturgüter sowie zahlreiche Bauten für  die Schweizer Armee. Im Irak wurde die Firma erst rührig, nachdem Saddam Hussein  den Krieg gegen den Iran losgetreten hatte. Sie realisierte neun Militärspitäler  und "Schutzräume für Zehntausende irakischer Menschen". Cidc-Gründer Gotthard  Frick: "Ich schätze, die Schweiz hat im Irak für gut 100 000 Menschen  Schutzräume gebaut." Ob darunter auch Bunker fallen, wie jene in Bagdad unter  dem Hauptsitz der Baath-Partei oder direkt unter dem Regierungssitz Husseins  bleibt unklar. Klar ist nur seit 2000, dass auch diese mit eidgenössischem  Know-how und Material befestigt wurden - geliefert von der Zürcher Zellweger  Luwa AG.
Einsatzfreudig für den "Henker von Bagdad" (irakische  Opposition) zeigten sich überdies Schweizer Firmen, die Bestandteile für  Luftwaffenstützpunkte lieferten, sowie das Ingenieurbüro Motor-Columbus in  Baden. Es konstruierte unterirdische Militärspitäler sowie eine (1991 zerbombte)  Energieversorgungsanlage. Diese weckt pikanerweise Erinnerungen an alte Zeiten,  wo der Irak als der fortschrittlichste Staat Arabiens galt und irakische  Ingenieure "Züridütsch" sprachen, weil sie an der ETH studiert hatten: Mitte des  20. Jahrhunderts elektrifizierten Schweizer Elektrounternehmen das  Zweistromland.
Der geheime Hilfe der Schweizer beim Ausbau des  Zivilschutz- und Bunkersystems im Land eines notorischen Gewalttäters wie Saddam  Hussein gibt Kritikern Aufwind, die im zügellosen Zivilschutzbau mehr die  Profitfreude als den Menschenschutz ausmachen und dem gelockerten  Kriegsmaterialbeschluss nachtrauern, der seit 1972 die Ausfuhr fragwürdiger  Zivilschutz-Materialien erlaubt. 
"Die Möglichkeit, die eigene  Bevölkerung dank einem gut ausgebauten Zivilschutz gegen allfällige Repressalien  schützen zu können, erhöht die Versuchung sehr stark, Aggressionen gegen die  feindliche Zivilbevölkerung zu starten." Das meint Historiker Peter Hug - und  nennt den Bunkerliebhaber Saddam Hussein, der so sein Giftgas gegen die  iranische und kurdische Zivilbevölkerung versprüht habe und angstfrei Kuweit  überfallen konnte.
Sollte die USA in nächster Zeit über dem Irak  wieder ein Stahlgewitter mit Marschflugkörpern und "smarten" Bomben auslösen,  dürfte es für Saddam weitaus gefährlicher werden als 1991: Der neusten  Generation der US-Waffen, schätzen Rüstungsexperten, sollen die angejahrten  Bunker nicht mehr standhalten können - auch die in der Schweiz entwickelten  nicht. Darunter zu leiden hätte einmal mehr - die Zivilbevölkerung des Iraks.