Bildungsrat lehnt Privatschul-Initiative ab
Liestal, 22. Juni 2007
Der Baselbieter Bildungsrat unter dem Vorsitz von Erziehungsdirektor Urs Wüthrich (SP) lehnt die Initiative "Ja, Bildungsvielfalt für alle" (die so genannte "Privatschulinitiative") deutlich ab und empfiehlt der Regierung, die ablehnende Haltung zu übernehmen. Die Initiative, die als schweizerisches Pilotprojekt zuerst im Baselbiet lanciert wird, trage "einen trügerischen Titel": Sie verheisse die freie Schulwahl auf Kosten des Staates. Gemeinden und Kanton müssten den Schulbesuch gemäss der Wahl der Eltern finanzieren und gleichzeitig als Anbieter und Schulträger auf dem neu entstehenden Schulmarkt auftreten. Ferner hätte die Umsetzung der Initiative für den Kanton jährlich Zusatzkosten von über 40 Millionen Franken zur Folge. Zudem veränderte sich das Bildungsangebot, "weil die verschiedenen 'Konsumpräferenzen' der Eltern bzw. der Schülerinnen und Schüler zu bedienen wären". Die Qualität des Bildungsangebotes würde daran ablesbar sein, welche Schulen von den Eltern für ihre Kinder gewählt werden und welche nicht. Überdies lasse sich Bildung in einem "ländlichen Raum" wie dem Baselbiet "nicht als Markt organisieren".
"Diese 'Chancengleichheit' ist lächerlich"
Die Rudolf Steiner-Schulen spielen in der Diskussion um Sinn und Zweck dieser Initiative eine nicht unwichtige Rolle. Die "Elternlobby" ist nirgends so stark wie in den anthroposophischen Kreisen. Ich selbst war 12 Jahre lang in der Steiner-Schule und habe da vieles erlebt. Die "Elternlobby" hat versucht, Schülerinnen und Schüler zum Sammeln von Unterschriften zu rekrutieren, und regelmässig liegt Post der "Elternlobby" im Briefkasten. Aber das wäre ja alles nicht so tragisch.
Betrachtet man jedoch die Beitragsskala der Steiner-Schulen, so wird einem ganz klar, wieso ihr diese Initiative so am Herzen liegt. Die Skala beginnt bei einem jährlichen Familieneinkommen von 50'000 Franken und steigt ein mit saftigen 550 Franken Schulgeld pro Monat. Die Beiträge steigen mit dem Jahreseinkommen und der Anzahl Kinder, welche die Schule besuchen. Das Ungeheuerliche ist jedoch, dass ab einem Einkommen von 158'000 Franken im Jahr die Beiträge nicht mehr wachsen! Nur im Fall, dass mehr als ein, später mehr als zwei Kinder die Schule besuchen, steigen die Beiträge – um lächerlich kleine Beträge. Ergo: Eine Progression existiert nur bis zu einem Einkommen von 158'000 Franken.
Die Steiner-Schulen (hier als Beispiel) hätten diese Initiative nicht im Geringsten Nötig, wenn sie eine Progression in die Beitragsskala einbauten und bei sehr hohen Einkommen höhere Beiträge verlangten. Dadurch könnten sie
- ihren Schulapparat problemlos finanzieren und wären nicht auf Kantonssubventionen angewiesen, denn gar manches Kind sehr reicher Familien besucht oder besuchte die Steiner-Schule (die Familie Oeri ist nur ein Beispiel).
- die kleinen Einkommen durch Senkung der Beiträge entlasten und zu wahren öffentlichen Schulen werden, in denen eine breite Durchmischung und Integration stattfinden kann und keine Selektion aufgrund des Familienbudgets mehr stattfinden muss.
Somit wird das Argument der "Chancengleichheit" auf Seiten der Befürworter einfach nur lächerlich. Deshalb: Überlegen Sie, was Ihnen wichtiger ist - von Steuergeldern finanzierte, unsoziale Privatschulen oder integrierende, harmonisierte und leistungsstarke Volksschulen.
Sebastian Dändliker, Binningen
"Es geht nicht um die Finanzierung teurer profitorientierter Luxusinstitute"
Warum hat der Bildungsrat es nötig, der Volksinitiaitive "Ja, Bildungsvielfalt für alle" einen falschen Titel zu geben? Wir lehnen die Bezeichnung "Privatschulinitiative" ab, weil sie suggeriert, es handle sich um die Finanzierung teurer profitorientierter Luxusinstitute. Wir wollen aber die freie Schulwahl unter allen öffentlich finanzierten Schulen. Das sind zu 95 Prozent die Staatsschulen und nur zu 5 Prozent nichtstaatliche Schulen. Nur nichtstaatliche Schulen, die ohne ethnische, religiöse und finanzielle Einschränkung für alle Kinder offen sind, erhalten sie laut Verfassungstext eine Pro-Kind-Pauschale. Wir wollen enen chancengleichen Zugang für alle Kinder und die finanziell unabhängige Schulwahl für alle Eltern.
Pia Amacher, Reinach