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                © Foto by Marc Gusewski, OnlineReports.ch   BL-Regierung will Gaskraftwerk statt AtomstromIm Mittelpunkt ihrer neuen "Energiestrategie 2012" stellt die Baselbieter Regierung Energieeffizienz – aber auch Gaskraftwerke, um eine Stromlücke im Jahr 2030 zu stopfen. Heute Mittwoch wurde die Strategie in Liestal präsentiert.Liestal, 19. Dezember 2012
 
 Die politische Bombe liess die freisinnige Umweltschutzdirektorin Sabine Pegoraro (Bild)  eher beiläufig fallen: "Wir haben dann eine Lücke, wenn man die  Atomkraftwerke abschaltet." Theoretisch ergebe sich daraus der Bedarf  für neue Kraftwerke – gemeint sind Gaskraftwerke. Die  regierungsrätlichen Aussagen zu Gaskraftwerken fallen zu einem höchst  brisanten Zeitpunkt.
 Die neue Energiestrategie will einerseits  die Energieeffizienz fördern; anderseits bezeichnet das Strategiepapier  als grösstes Potential für eine kantonale Stromproduktion Gaskraftwerke,  wie aus den Unterlagen hervor geht. Demnach weise der Kanton bis 2030  ein realistisches Potential von 600 Millionen Kilowattstunden aus  Gaskraftwerken oder gasbefeuerten so genannten  Wärmekraftkopplungsanlagen auf. Windenergie, Kleinwasserkraft und  Biomasse könnten demnach höchstens 80 Millionen Kilowattstunden  beisteuern. Beim Solarstrom läge das Potential bei 20 bis 200 Millionen  Kilowattstunden, wobei nicht klar wird, unter welchen Umständen.
 
 Zum  Vergleich: Die Elektra Baselland setzt jährlich 700 Millionen  Kilowattstunden ab, oder ein knappes Viertel des Jahres-Strombedarfs von  2,2 Milliarden Kilowattstunden.
 
 Umstrittene Gaskraftwerke
 
 Die  regierungsrätliche Unterstützung für Gaskraftwerke ist brisant. Denn  gegenwärtig führt die Gemeinde Muttenz für das Industrieareal  Schweizerhalle eine Zonenplanrevision durch. Sie plant ausdrücklich,  Gaskraftwerke auf ihrem Gemeindegebiet aus Klimaschutzgründen zu  verbieten. Dabei zählt das Industrieareal, bestätigte Pegoraro, zu den  wenigen in der Schweiz prädestinierten Arealen für diese Art Kraftwerke –  wegen dem hohen Strombedarf der Industrie. Ausserdem bestehe die  Möglichkeit, zugleich in bei einem Gaskraftwerk anfallende Abwärme  auszunutzen und in der Region per Fernwärme zu verteilen.
 
 Schon  bei der Vorstellung ihrer "Energiestrategie 2050" hate Bundesrätin Doris  Leuthard klipp und klar gesagt, dass sich die Schweiz für eine  Übergangszeit auf zwei bis drei Gaskraftwerke einrichten müsse, um die  Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Auf diesen Punkt der  eidgenössischen Energiestrategie bezieht sich auch die freisinnige  Umweltdirektorin Sabine Pegoraro, die wie Leuthard den Atomausstieg  befürwortet, aber zur Not Gaskraftwerke ans Netz lassen will.
 
 Alberto Isenburg,  der Leiter des Baselbieter Amtes für Umwelt und Energie (AUE),  unterstrich zusätzlich, dass der Kanton "den Bund bei der Durchsetzung  von Gaskraftwerken unterstützen" wolle. Auf die Frage, ob der Kanton den  Muttenzern die Gasverbots-Zonenplanung wegen übergeordneter Interessen  zu untersagen gedenke, sagte Pegoraro: "Das ist Bundessache." Sie könne  sich vorstellen, dass unter Umständen der Bund selbst den Muttenzer  Entscheid im Interesse der Landesversorgung nachträglich korrigieren  könnte. Ihre eigene Position liess sie in dieser Frage  offen.
 
 Baselland wäre Pionier mit Lenkungsabgabe
 
 Das  heute vorgestellte Papier ist auch als Diskussionsgrundlage dafür  gedacht, eine Totalrevision des Baselbieter Energiegesetzes einzuleiten.  Die soll im nächsten Jahr angegangen werden. Die wesentlichen Punkte zu  dieser Energiestrategie teilte die Bau- und Umweltschutzdirektion  bereits im Juni und im November mit: die angedachte Einführung einer  kantonalen CO2-Abgabe auf fossile Energieträger (Heizöl und Erdgas) zur  Förderung der Gebäude-Energieeffizienz im Kanton sowie die Schaffung  einer neuen Stelle beim Amt für Umwelt und Energie (ein "one  shop"-Schalter), die all die mit der Energiestrategie aufgeworfenen  Fragen koordinieren würde.
 
 Zur Einführung dieser Strategie  besprach sich Pegoraro seit Beginn dieses Jahres mit den  Elektrizitätsversorgern und Interessierten am so genannten "Runden  Tisch". Neu wurde auch eine gemischte interfraktionelle Kommission von  Landrat und Regierungsrat ins Leben gerufen, die statt der landrätlichen  Umwelt- und Energiekommission die Energiestrategie behandeln werden  wird. Weshalb dafür nicht die zuständige Landratskommission eingesetzt  wird, wurde nicht klar.
 
 Tatsächlich wäre das Baselbiet der erste  Kanton mit einer kantonalen Lenkungsabgabe auf Heizstoffen. Der  Treibstoffverbrauch im Kanton soll davon ausgenommen werden, wie  Pegoraro unterstrich. Auf Nachfrage blieben ihre Fachleute indes viele  Antworten schuldig, wie diese Abgabe erhoben und mit der CO2-Abgabe des  Bundes, die übernächstes Jahr kräftig steigt, koordiniert werden soll.
 
 CO2-Abgabe: Fragezeichen beim Kleingedruckten
 
 So  blieb unklar, wie der Kanton die Lenkungsabgabe, die jeden Baselbieter  neben der CO2-Abgabe des Bundes mindestens hundert Franken kosten  könnte, gerecht bei 120'000 Haushalten im Kanton und zehntausenden  Unternehmen erhoben werden soll. Ein AUE-Mitarbeiter sagte, man könne  sich die Besteuerung von Verbrauchs-Durchschnittswerten vorstellen.
 
 Aber  wäre das gerecht, wenn der aktive Energiesparer mit Durchschnittswerten  geltend gemachten Abgaben bestraft würde und der Energieverschwender  dafür weniger zahlt? Und wie werden Mieter zur Kasse gebeten, die  Mehrheit im Kanton, die weder auf die Wahl ihrer Heizung einen Einfluss  haben noch auf die Baustandards ihres Vermieters?
 
 Zugleich blieb  offen, ob kantonale Gaskraftwerke auch von der Steuer betroffen werden  sollen. Wäre dies der Fall, würden zum Beispiel die in der  "Energiestrategie 2012" genannten Preise für Gasstrom (8 bis 12 Rappen  pro Kilowattstunde) nicht stimmen. Pegoraro sagte weiter, bezüglich der  Energiewende sei sie "Optimistin". Inder Tat: Für die Durchsetzung ihrer  Energiestrategie im Baselbieter Alltag wird sie viel Optimismus  benötigen werden.
 Weiterführende Links:- Pegoraro plant grosse Energie-Koalition fürs Baselbiet
 - Baselbiet soll eine Energie-Koordinationsstelle erhalten
 - Windkraft-Turbinen im Baselbiet: Die Hit-Liste
 - Nun doch Bundesgelder für private Stromproduzenten
 - Hoppla, da ist die Baselbieter Energie-Strategie!
 - Axpo verzichtet vorläufig auf Gas-Kombikraftwerk
 - Der letzte grosse Auftritt von Strom-Baron Hans Büttiker
 - Energie-Riese prüft Grosskraftwerk in der Rheinebene bei Pratteln
 
 
                
                "Gaskraftwerke sind nicht rentabel"
 
 Das Baselbiet muss einsehen, dass es wie in der Vergangenheit auch in Zukunft nicht allen Strom selber produzieren muss. Heute wird 80 Prozent der Energie importiert, vor allem Erdölprodukte, Erdgas. Aber auch der Strom stammt grösstenteils von den Alpiq-Kraftwerke aus anderen Kantonen und teilweise sogar anderen Ländern.
   Die Wirtschaftlichkeit für ein Gaskraftwerk ist bis auf absehbare Zeit nicht gegeben. In ganz Europa gab es in den letzten Jahre kein wirtschaftliches Gaskraftwerkprojekt, dies mussten Schweizer wie auch Deutsche Besitzer von solchen Kraftwerken bitter erfahren. Viele Gaskraftwerke stehen die meiste Zeit still.
   Am 13. November machte die Meldung die Runde, dass E.ON zwei Gaskraftwerke in Bayern und Hessen  schliessen will. Diese beiden Kraftwerke haben zusammen eine Leistung von gut 1'000 Megawatt. Gaskraftwerke seien wegen der massiven Einspeisung erneuerbarer Energien in Spitzenlastzeiten oft nicht mehr rentabel, gab der Konzernchef von E.ON, Johannes Teyssen, zu bedenken. Eines der beiden zu schliessenden Kraftwerke sei in diesem Jahr erst 87 Stunden am Netz gewesen.
   Wenn nun noch nebst der nationalen auch noch eine kantonale CO2-Abgabe erhoben wird, wird die Wirtschaftlichkeit nicht besser. Ob das Erdgas auf dieser Seite der Grenze in Strom umgewandelt wird oder auf der anderen Seite, spielt dabei eine sehr kleine Rolle, ausser dass die Abhängigkeit zunimmt. Während wir beim Strom mit unseren Pumpspeicherkraftwerken erhebliche Speichermöglichkeiten haben, ist der Erdgasspeicher in der Schweiz noch sehr bescheiden. Aeneas Wanner, Grossrat Grünliberale, Basel |