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Haben Sie ein Sucht-Problem? Hier gibts Infos und Hilfe
Die Gesellschaft leidet an immer mehr und immer neuen Suchtformen, deren Folgen den Staat Milliarden kosten. Das Basler Gesundheitsdepartement bietet jetzt auf einer Website umfassende Information und Anlaufstellen, die aus der Sucht führen können.
Basel, 27. Oktober 2011
Sind Sie Mutter eines Sohnes, der exzessiv kifft, Vater eines Mädchens, das regelmässig stockbetrunken nach Hause kommt? Sitzen Sie selbst bis tief in den Morgen hinein am PC und verlieren sich in der Welt des Internet, während sie in der realen Welt vereinsamen? Erkennen Sie Arbeitskolleginnen oder Kollegen, die ein offensichtliches Alkohol- oder Medikamentenproblem haben?
Website bietet Selbsthilfe-Anreiz
Sucht erkennen und frühzeitig einen Weg daraus finden sei sinnvoller und kostengünstiger als die ohnehin schon hohen Gesundheitskosten noch mit Milliardenbeträgen zu belasten, sagte sich das Basler Gesundheitsdepartement, das immer stärker auf Prävention setzt. Soeben ging aus seinem Bereich Gesundheitsdienste die Website sucht.bs.ch online, die nicht nur Antworten auf drängende Fragen gibt – auch in Form von kurzen Filmbeiträgen –, sondern die Adressen zahlreicher zielgerichteter Anlaufstellen zur Verfügung stellt. Die externen Kosten zum Aufbau betragen 60'000 Franken, die teils auch aus dem "Alkoholzehntel" des Bundes finanziert werden.
Philipp Waibel, Leiter des Berichts Gesundheitsdienste, räumt offen ein, dass dem Kanton "im dynamischen Umfeld der Sucht die Übersicht fehlt": Suchtformen verändern sich laufend, was auch von der staatlichen Gesundheits- und Präventionspolitik eine dauernde Anpassung erfordert. Waren es früher Alkohol und Tabak die klassischen Suchtformen, sind im Verlaufe der letzten fünf Jahrzehnte neue Kategorien hinzu gekommen: Von Cannabis über harten Drogen jeder Art bis zur Internet-, Spiel-, Konsum- und Sexsucht.
Unaufdringlich, spielerisch, informativ
Als Folge davon haben die Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel vor knapp einem Jahr als strategischen Schwerpunkt ein Kompetenzzentrum für Verhaltenssüchte eröffnet. Allein in seinem ersten Jahren behandelte es 37 Erwachsene gegen Glücksspielsucht.
Die neue Sucht-Website des Gesundheitsdepartements ist das aktuellste Beispiel dafür, wie den "neuen Abhängigkeitserscheinungen" (Waibel) mindestens begegnet werden kann. Laut Eveline Bohnenblust, Leiterin der Abteilung Sucht, hat die Sucht-Plattform die gesamte Bevölkerung im Visier. Die Texte sind kurz und informativ, die Grafik unaufdringlich, die Bedienung durch spielerische Elemente erleichtert. So können Online-Tests gemacht ("bin ich internetsüchtig?") und Programme zur Selbsthilfe heruntergeladen oder am "Promille-Rechner" die Trink-Toleranzen abgelesen werden. Zur Wiedererkennung sind die verschiedenen Suchtgattungen in unterschiedlichen Farben gehalten.
Da in Basel auch etliche Menschen aus den benachbarten Kantonen ihre Sucht befriedigen, sind auch die Links zu den wichtigsten staatlichen und privaten Akteuren aus dem Baselbiet aufgeführt. Die schriftlichen Informationen auf den in elf Registern verteilten 250 Seiten sind alle "ärztlich gegengelesen" und somit vertrauenswürdig. Laut der Projektleiterin Gabriela Fiedler ist der Zweck der Website, die gesellschaftliche Eigenverantwortung zu stärken, "und nicht, sehr viele Leute in die staatliche Suchthilfe zu locken".
"Da kommt etwas auf uns zu"
Dass den Gesundheitsbehörden die Sucht-Gesellschaft auf dem Magen liegt, liess bei der Präsentation der Website heute Donnerstagmorgen auch die Aussage erkennen, dass "bei den alten Menschen bezüglich Suchtverhalten etwas auf uns zukommen wird". Grund: Zerstückelte Familien treiben alleinstehende Senioren in die Vereinsamung, die vermehrt mit Alkohol, Medikamenten und – erstaunlich – auch Cannabis vermeintlich gelindert wird.
Laut Kantonsarzt Thomas Steffen verursacht allein der übermässige Alkoholkonsum in der Schweiz jährliche Folgekosten von 6,5 Milliarden Franken. Die Statistik geht landesweit von 300'000 Alkoholsüchtigen aus, in Basel-Stadt haben rund 10'000 Personen ein alkoholbedingtes mittleres bis grosses Gesundheitsrisiko. "Alkohol wird es immer geben", meinte Steffen. Der Tabakkonsum stagniere bei den Jugendlichen in den letzten Jahren, auch das Kiffen verliere tendenziell an Attraktivität. Hingegen sei bei den "neuen Süchten", die oft über das Internet befriedigt werden, eine Zunahme zu verzeichnen.
Basler Sucht-Website: www.sucht.bs.ch. Design: VischerVettiger, Technik: Abel-Systems.
Foto von links: Eveline Bohnenbust, Philipp Waibel, Gabriela Fiedler, Thomas Steffen und Ruth Jermann