Theater Basel, Kleine Bühne
Uraufführung
"Mondscheiner"
Autor: Andri Beyeler
Regie: Heike Marianne Goetze
Bühne: Hyun Chu
Video: Bert Zander/Florian Fiedler
Mit Sarah Viktoria Frick (Die Eine), Martin Hug (Der Andere), Lorenz Nufer (Er)
Bier-Orgie auf Stelzen
Brüchig ist das Menschsein, wenn man allein ist, dasitzt in der Küche, Gedanken wälzt, unversehens mit sich selber spricht, und, ohne dass man es merkt, aus den Worten ein Strom wird, ein Strom wiederkehrender Worte, Sätze, Satz-Kaskaden. Schliesslich hört man sich, hört zu beim Sprechen, und plötzlich kommt einem die eigene Stimme wie die eines Anderen vor, und am Ende wird man gar unsicher, ob man selber der Sprechende oder der Hörende ist … Jetzt sind wir vermutlich da, wo uns der junge Schweizer Autor Andri Beyeler wohl haben wollte. Jedenfalls ist ein Perma-Monolog dieser Art Basis seines Stücks.
Drei Leute monologisieren alternierend direkt ins Publikum, jeder in seinem eigenen Schweizer Dialekt. Der Dialekt unterstreicht die Intimität. Denn da geht’s um Selbstbeobachtung, Erörterungen, Versuche von Selbstvergewisserung. Die Drei könnten eine Person sein, aufgeteilt in Ich, Erinnerung, Sehnsucht, wie es ein Cartoon im Programmheft darstellt. Wir hören zu, folgen den unendlich langen Satzgebilden, die auch mal mittendrin abreissen als wäre das Tonband zu Ende. Aber verstehen wir auch? Nach der einstündigen Performance hatten viele Zuschauerinnen und Zuschauer ein Fragezeichen im Gesicht.
Dabei ist die Handlung des abendlichen Abenteuers noch einfach nachzuvollziehen: Ein Mann – so sein Rapport-Monolog - verlässt die Wohnung, stolpert durch Gassen, will jemanden in der Beiz treffen, zögert aber noch, einzutreten, tut es dann doch, trinkt ein paar Dunkle, erlebt einen Männerstreit, und geht wieder nach Hause. In die erneute Einsamkeit. Ein verlorener Abend – aber nicht ohne selbstischen Genuss. Denn Beyeler zelebriert die gut eingeübte Selbstisolation, geladen von Vorwurf und Selbsterniedrigung – unterstützt vom Schweizer "Knorz", Dinge einfach nicht präzise in Worte packen und loslassen zu können. Regisseurin Goetze lässt die Akteure immer wieder mal kräftig schreien und Wut abladen.
Lorenz Nufer als der Er steht auf Stelzen vorne am Bühnenrand und verschleppt seine Sätze, als müsste er dem nochmals genau nachfühlen, was er eben gesagt hat. Mondisch guckt er in den Himmel, der ihm mittels Videobilder auch über den dünnen Leib und das helle Gesicht zieht. Hinter ihm, meterhoch an der Hinterwand, sitzt der Andere, Martin Hug, mit Hasenohren und in Paradeuniform, im Schalensitz und wettert über den Nachbarn oder den, der ihn eben in der Beiz versetzte. Und schliesslich Sarah Viktoria Frick (erstmals am Theater Basel) als die Eine, in Berner Tracht und auf Rollschuhen, sieht aus wie eine Emmentaler Version der Sängerin Björk und rattert rhythmisierte Repetitions-Orgien. Es klingt so wie konturloses Alltags-Geschwätz im Tram am Handy, das sich ungeheuer wichtig nimmt. Unvermittelt lässt sie sich ein paar Mal von ihrem Aufziehhündchen anbellen: Eine ulkige Spiegelung ihrer Automatenhaftigkeit, die für Lacher sorgte.
In das Szenario bricht auf einmal der Song "Weird fishes" von Radiohead herein, in dem sich Sänger Thom Yorke von der Sehnsucht in die Tiefe des Meeres hinabziehen lässt und sich bald Aug in Auge mit ebenjenen gruseligen Fischen befindet. Und zum Ende giessen die Drei ziemlich viel Büchsenbier in sich hinein - auch über Gesicht und Kostüm.
Auch darüber konnten einige lachen. Ein, zumindest, seltsamer Abend.
21. März 2009