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                "Der Präsident will nur einen operativen Ansprechpartner": Neuen BaZ-Konzernchef Beat Meyer
                
                
                Die Notbremse im Karriere-Sprung
                
Mit der "Sport"-Einstellung und einer Macht-Teilet startet Beat Meyer als CEO der Basler Mediengruppe
                
                
                Von Peter Knechtli
                
                
                
                Noch keine hundert Tage ist Beat Meyer (48) neuer Konzernchef der Basler Mediengruppe und schon hat er mit dem "Sport" einen schwer angeschlagenen Traditionstitel aus der Jean-Frey-Gruppe eingestellt. Anders als sein patriarchalischer Vorgänger Peter Sigrist will Meyer die Führungsmacht im Druck- und Verlagshaus durch Divisionalisierung teilen.
                
                Ob er hart sein könne. "Sicher." Skrupellos? "Nein", sagt Beat Meyer (48), seit  Mitte August neuer Konzernchef der Basler Mediengruppe (BMG, "Basler Zeitung"),  nach einem Augenblick des Nachdenkens. "Ich werde sehr hart entscheiden müssen,  aber in einer Art, dass ich den Betroffenen und vor allem auch mir selbst noch  in die Augen schauen kann."
Diese Woche war es schon zum ersten Mal so  weit: Per 21. Oktober, so die maliziöse offizielle Formulierung, werde die  Einstellung des "Sport" in Betracht gezogen. Am Fernsehen kommentierte vor allem  der Zürcher Verlagschef den unangenehmen Entscheid. Beat Meyer, noch keine  hundert Tage im neuen Job, hielt sich zurück: "Ich will keineswegs den Eindruck  erwecken, ich sei mediengeil."
Meyer wirkt überlegt und  schnörkellos
Diese Aussage des Medien-Manager ist glaubwürdig. Wie  kreativ er ist, muss er erst noch beweisen. Aber seine Antworten fallen  bedächtig, sachlich und schnörkellos. So steht er ungeschminkt dazu, dass er  nach seinem übereilten Aufwärts-Sturz vom Leiter der Druckerei Birkhäuser+GBC  zum BMG-Konzernchef das weitverzweigte Konglomerat erst einmal vertieft erfassen  müsse. Keine Spur von Effekthascherei ist an den noch kahlen, frisch  gestrichenen Wänden seines Büros im fünften Stock der Unternehmenszentrale  auszumachen. Noch nicht einmal ein Computer steht auf seinen Pult. Der Boden ist  übersät mit grossformatigen Farbaufnahmen, vermutlich zu  Kalenderzwecken.
In diesem unprätenziösen Zweck-Raum mit Blick auf die  Kleinbasler Industrielandschaft herrschte in den letzten vierzehn Jahren bis zu  Eklat sein Vorgänger Peter Sigrist: Ein mit vielen Wassern gewaschener  Draufgänger und manchmal auch Draufhauer, der dem angeschlagenen "Sport" auch  dann noch Auferstehung konzedierte, als das Totenglöcklein schon vernehmlich  war.
50 Millionen Franken am "Sport" verloren
Dabei war die  Geduld von BMG-Präsident Matthias Hagemann am Ende. Schon 50 Millionen Franken  hatte der "Sport" seine Familie seit Uebernahme der Zürcher  Jean-Frey-Verlagsgruppe gekostet. Jetzt hat Beat Meyer, dem Willen von  Verwaltungsrat und Aktionären entsprechend, die Notbremse gezogen.
Auf  die Frage, ob er vom Präsidenten zu diesem Schritt gedrängt worden sei, überlegt  Beat Meyer einen vielsagenden Augenblick und meint poetisch: "Matthias Hagemann  kam in den letzten Monaten zur Ueberzeugung, dass eine Einstellung unumgänglich  ist. In dieser Ueberzeugung haben wir uns gefunden." Die Unternehmensleitung sei  "nicht mehr bereit", den Titel mit "geringem Zukunftspotential" und jährlich  sieben Millionen Franken Verlust weiter zu tragen: "Damit ist uns sehr  ernst."
Zwar sucht Meyer nach eigenem Bekunden "offensiv" nach letzten  Rettungsankern, mit zwei deutschen Verlagshäusern sei er "im Gespräch". Doch in  der Branche ist klar: Mit diesem Produkt ist kein Geld mehr zu machen. Meyer:  "Man hat es vor Jahren verpasst, auf Special-interest-Titel zu setzen."  
Sigrist wollte kürzer treten - aber nicht unter, sondern über  Meyer
Jetzt liegt es an seinem Spürsinn allein, rechtzeitig die  richtigen Weichen zu stellen. Dass Präsident Hagemann nur einen operativen  Ansprechpartner haben will, hält er für eine "legitime Forderung": "Auf Dauer  kann es nicht zwei Personen geben, die Führungsanspruch haben und Verantwortung  wahrnehmen wollen."
Diese Frage hatte den lautlosen, aber tiefen Bruch  zwischen Sigrist und Hagemann ausgelöst: Herrscher Sigrist mochte nicht als  Nummer zwei hinter seinen Nachfolger treten. So wurde Beat Meyer buchstäblich  über Nacht in seinen neuen Job katapultiert statt planmässig  eingeführt.
Allerdings schien Meyer vor seinem grössten Karrieresprung an  die Spitze eines Betriebs mit 2'500 Angestellten keinen Moment gezögert zu  haben. Konolfingen BE, Bern, Reinach BL und Basel waren seine beruflichen  Stationen. Dass er nie im Ausland oder in einem fremdsprachigen Landesteil lebte  ("das habe ich in meinen Jugendjahren verpasst"), empfindet er "im Moment nicht  als Nachteil". Ein Sprachproblem in der Zusammenarbeit mit der welschen  Formulargruppe Perfekt SA "gibt es eigentlich nicht". In besonderes heiklen  Fällen könne ein Dolmetscher helfen.
Ausland-Erfahrung  fehlt
Weil er in den kommenden sechs Monaten interimistisch auch noch  die Birkhäuser-Druckerei leitet, sind 16-Stunden-Tage derzeit die Regel. "Am  Abend oder in der Nacht" geht der Vater zweier erwachsener Töchter auf dem  Heimweg noch "beim 'Birki' vorbei".
Im Druck-Bereich ist er wie sein  Vorgänger zu Hause. Als Sohn eines Patrons, der in Langnau im Emmental eine  kleine Dorf-Druckerei führte, hätte der gelernte Buch- und Offsetdrucker nach  Handels- und Technikerschule die elterliche Offizin mit acht Mitarbeitern  übernehmen sollen. Doch die Wege gingen anders. Im Druckereibüro seines  Lehrbetriebs in Konolfingen übernahm er erste administrative Aufgaben, später  kamen Technik, Verkauf und Marketing hinzu. Der Betrieb ging in der Berner  Buri-Druck AG und diese in der Regia-Gruppe auf, zu der auch die Aarauer  Verpackungsdruckerei Huber+Anacker gehört. Regia-Chef Angelo Eberle nennt Beat  Meyer respektvoll seinen Mentor: "Ihm habe ich sehr viel zu  verdanken."
Dass sich aus dieser freundschaftlichen Liaison auch eine  unternehmerische Kooperation entwickeln könnte, will er nicht um jeden Preis  ausschliessen: "Der eine oder andere Gedanke, Synergien zu nutzen", sei zwar  schon ausgetauscht worden. Dagegen sei es "in Anbetracht der Marktentwicklung  problematisch, die Druckkapazitäten zu erweitern". Zudem läuft in der Basler  Mediengruppe, dem grössten Print-Betrieb der Schweiz, bereits ein  Investitionsprogramm über 25 Millionen Franken, darunter eine neue  Offset-Rotation der "Basler Zeitung".
Keine Erfahrung im  redaktionellen Verlagswesen
Neuland dagegen betritt Meyer im  redaktionellen Verlagswesen, wo "Inhalte geschaffen werden" und Matthias  Hagemann durch die Uebernahme des Jean-Frey-Präsidiums mehr Front-Nähe zeigt.  Hier kann er seine Chef-Kompetenz derzeit nicht ausspielen: "Da bin ich auf die  Unterstützung von Redaktions- und Verlagsspezialisten angewiesen."
Ein  Urteil ("ganz ehrlich ein Spitzenprodukt") erlaubt er sich über die "Weltwoche"  dennoch. Allerdings: "Wir müssen aufpassen, dass wir von ihrer Positionierung  her nicht von 'Facts' oder der 'SonntagsZeitung' überrundet werden." Noch  schmerzen ihn die jährlich acht Millionen Franken Defizit der "hochwertigen  Autoren-Zeitung". Er zweifelt aber nicht daran, dass sie dank einer neuen  millionenschweren Investitionsspritze in Redaktion und Marketing, die durch den  "Sport"-Stopp bereit stehen, "ihren Weg machen wird".
Macht-Teilung  durch Divisionalisierung
Auf Unternehmensebene will Meyer die  Organisation, bisher in über 30 einzelne Gesellschaften fragmentiert und von  Sigrist beherrscht, "stärker als bisher an die Unternehmensgrösse anpassen und  klare Verantwortungsbereiche schaffen". Das Instrument der Macht-Teilet ist die  Schaffung von fünf Divisionen: Print, Verlage, Formulartechnik, Neue Medien und  Marketing.
Bereits hat Beat Meyer einen täglichen Pressespiegel zur  Schnell-Information des Managements in Auftrag gegeben. Der neue Chef legt Wert  darauf, dass seine Kader-Mitarbeiter im externen Kontakt als "kompetente und  informierte Gesprächspartner auftreten".
                10. Oktober 1999