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                "Ich wollte nie in die Top Drei vordringen": Basler Medienunternehmer Matthias Hagemann
                
                
                Basler Mediengruppe steht vor massiver Restrukturierung
                
Das Reich des früheren Konzernchefs Peter Sigrist wird radikal umgekrempelt / 500 Stellen sollen abgebaut werden.
                
                
                Von Peter Knechtli
                
                
                
                Das Management der Basler Mediengruppe (BMG) baut das Reich des früheren Konzernchefs Peter Sigrist radikal um: Anstelle des Printbereichs soll künftig das Titel- und Verlagswesen zum zentralen Kerngeschäft des Medienhauses werden. Der Verkauf der Druckerei Winterthur ist nur ein Element der Rückbau-Strategie. Weitere Druckereien werden verkauft oder restrukturiert. Innerhalb der BMG wird mit einem Abbau bis 500 Stellen gerechnet.
                
                Wenn wahr ist, was die Branche über die Basler Mediengruppe (BMG) zu berichten  weiss, dann ist die Übernahme der Zürcher Jean-Frey-Gruppe bereits "gescheitert"  ("Facts"), das "Abenteuer" ("Cash") schon bald vorbei und gar eine familiäre  Rhein-Léman-Liaison von Hagemanns und Lamunières im Schwange  ("Handelszeitung").
In der tiefgreifendsten Umbruchphase der  Geschichte
Tatsache ist: Die Basler Mediengruppe - nach Ringier,  Tamedia, NZZ, und Lamunières Edipresse fünftgrösstes Schweizer Druck- und  Verlagshaus - steckt in der tiefgreifendsten Umbruchphase ihrer Geschichte.  Grund: Der spektakuläre Basler Eroberungs-Feldzug in Zürich mit der  schrittweisen Übernahme der Jean-Frey-Gruppe ("Weltwoche", "Bilanz",  "Beobachter") seit Anfang der neunziger Jahre entpuppt sich als Fass ohne  Boden.
70 Millionen Franken soll die Basler Mediengruppe dem Zürcher  Verleger Beat Curti für die "mutige unternehmerische Tat" (BMG-Präsident  Matthias Hagemann über die Akquisition) bezahlt haben. Dazu kamen mit der  "Weltwoche" (Jahresverluste 6 bis 8 Millionen Franken) und dem - mittlerweile  eingestellten - "Sport" (5 bis 7 Millionen) Kosten, die durch die  gewinnträchtigen Titel "Beobachter" und "Bilanz" niemals wettzumachen sind.  "Schon deutlich über 100 Millionen Franken" habe das Zürcher Engagement die BMG  bisher gekostet, heisst es an der Limmat.
Wachstumsstrategie trägt  Peter Sigrists Handschrift
An Stimmen, die dem Druck- und Verlagshaus  am Rhein und den 2'250 Mitarbeitenden eine bewegte Zukunft voraussagen, fehlt es  nicht. Die Einschätzungen werden radikaler: Der junge Verleger Matthias  Hagemann, 38, trachte danach, das weit verzweigte Familien-Reich mit über einer  halben Milliarde Franken Umsatz der Familie zu zerlegen und wesentliche Teile  abzustossen.
Der riskante Zürcher Feldzug war allerdings mitnichten  Matthias Hagemanns Idee, sondern jene des damaligen Konzernchefs Peter Sigrist.  Der gelernte Drucker, von Vater Hans-Rudolf Hagemann an der langen Leine  gelassen, bolzte ebenso erfolgreich wie gnadenlos Umsatzvermehrung, ohne aber  eine klare Strategie zu vermitteln. Vor allem setzte Druckexperte Sigrist auf  Expansion des Printbereichs, das Content-Geschäft lag ihm weniger  nah.
Druckgeschäft wird massiv herunter gefahren
Jetzt hebt  Hagemann, zwei Jahre nach Sigrists abruptem Ausscheiden, zu einer radikalen  Kurskorrektur an - in die gegenteilige Richtung: So konsequent Sigrist das 1'100  Mitarbeiter starke Druckgeschäft forcierte, so entschlossen wird es jetzt wieder  zurück gefahren. Heute generiert das Printgeschäft zwei Drittel des  Gruppenumsatzes, das Medien- und Verlagsgeschäft rund ein Drittel. Mittelfristig  geplanter Umsatzmix: Zwei Drittel Inhalt, ein Drittel Druck. "Wir wollen uns in  Richtung Medien- und Verlagshaus entwickeln", bestätigt BMG-Konzernchef und  Sigrist-Nachfolger Beat Meyer.
Mit dem Verkauf der Verteilfirma  Distriforce an die Kiosk AG und dem unscheinbaren Management-Buyout der kleinen  Lörracher Druckerei Wassmer begann der "Befreiungsschlag" (so ein  Hagemann-Vertrauter). Der Verkauf einer der Druckerei Perfect in Etoy  VD mit 16 Millionen Franken Umsatz an ihr Management ist in Vorbereitung.  Trennen will sich die BMG auch von Sigrists Lieblingsbetrieb "Druckerei  Winterthur", die mit 380 Mitarbeitern 80 Millionen Franken Umsatz erzielt. Grund  laut BMG-Präsident Matthias Hagemann: In den Vor-Meyer-Zeiten sei der  Investitionsbedarf "aus heutiger Sicht nicht richtig eingeschätzt" worden.  Gleichzeitig zerfielen die Margen.
"Druckerei Winterthur"-Verkauf noch  im Mai
Verhandlungen mit Hauptinteressent Ringier sind laut Sprecher  Fridolin Luchsinger "soweit auf gutem Weg". Luchsinger: "Wir hoffen im Laufe  dieses Monats zu einem Abschluss zu kommen."
Der Deal macht Sinn, auch  wenn er den Zürcher Käufer angesichts fälliger Investitionen nicht billig zu  stehen kommt: Ringier als Schweizer Rollenoffset-Marktleader schluckt einen  starken Konkurrenten, der Renommier-Titel wie "Time", "Newsweek" und "Economist"  druckt. Zudem, so Luchsinger, "kann uns nicht gleichgültig sein, ob jemand  anders Winterthur einkauft". Laut Matthias Hagemann sind solche Überlegungen  durchaus gerechtfertigt: "Wenn Ringier kein Interesse zeigte, würden wir  weltweit nach Käufern schauen." Zwar werde "nicht parallel verhandelt", aber CEO  Meyer habe "bereits Ideen und lose Kontakte".
Standorte Gelterkinden,  Reinach und Etoy im Visier
Doch mit der Winterthurer Druckerei, deren  Cashflow über dem siebenprozentigen Branchendurchschnitt liegt, ist der  Print-Schrumpfprozess, den NZZ oder Tamedia schon hinter sich haben, noch nicht  abgeschlossen. Weitere Betriebe - so die rentablen Formulardruckereien in Gelterkinden,  Reinach ("Birkhäuser+GBC") und Etoy - müssen mit Restrukturierungen,  Zusammenlegungen und Personalabbau rechnen. Beat Meyer: "Denkbar ist  grundsätzlich alles. Jedem muss klar werden, dass verschiedene Standorte auf  Dauer keinen Sinn machen können."
Hintergrund des Rückbaus kann nur eines  sein: Die Verbesserung des Cashflows, dessen Entwicklung weder im Stammhaus  (letztes Jahr: minus 9 Prozent) noch in der Gruppe zu Freudensprüngen Anlass  gibt. Selbst erarbeitete liquide Mittel sind dringlich. Denn das  Familienunternehmen steht vor einer unumgänglichen Gross-Investition: Dem Ersatz  der bald zwanzigjährigen Zeitungsrotation. Kostenpunkt: Gegen 80 Millionen  Franken. Wesentlich beeinflusst wird die Typenwahl durch die Bedürfnisse des  Grossverteilers Coop. Der BMG-Schlüsselkunde, der mit einem Auftragsvolumen von  55 Millionen Franken ein Zehntel des BMG-Umsatzes beisteuert, fordert nach  Vertragsablauf Ende 2003 für seine wöchentlich 1,5 Millionen Coop-Zeitungen, die  durch die Basler Druckmaschine schnellen, mehr Farbigkeit bei konkurrenzfähigem  Preis. Rotationsmaschinen dieses Kalibers haben eine Lieferfrist von rund zwei  Jahren. Spätestens bis Anfang Herbst muss der BMG-Verwaltungsrat den  Investitionsentscheid gefällt haben. 
Derzeit kein Interesse für die  "Weltwoche" 
Wo derart viel Geld gebunden wird, ist Konzentration  aufs Wesentliche angesagt. Dies gilt für den Online-Bereich wie für den Pressebereich.  Vorübergehend stand die BMG mit der NZZ in Verhandlungen über einen Verkauf der  "Weltwoche", weil der Verlag an der Zürcher Falkenstrasse Pläne für eine  gehobene Sonntagsausgabe verfolgte. Doch laut NZZ-Projektleiter Felix Müller ist  das anfängliche Interesse an der "Weltwoche" heute spürbar abgeflaut. Auch sei  eine gewisse "Angst vor möglichen Leichen im Keller" vorhanden. Es gebe, etwa  durch eine siebte NZZ-Ausgabe, "einfachere und weniger riskante Wege, in den  Sonntagszeitungsmarkt einzutreten". Noch vor den Sommerferien werde die  Geschäftsleitung entscheiden.
Zurückhaltend gibt sich Gabriella Zinke,  Sprecherin der Tamedia AG, die auch die SonntagsZeitung herausgibt. Die  "Weltwoche" sei ein "interessanter Titel", Gespräche mit der BMG seien  "Gerüchte, die wir nicht kommentieren".
Auch "Basler Zeitung" gerät  unter Druck
Offensichtlich lässt sich für das einstige  Presse-Flaggschiff "Weltwoche", deren Auflage innerhalb von sieben Jahre um  30'000 auf 84'000 sank, in der Schweiz derzeit kein Käufer finden. Diese Woche  teilte Verleger Matthias Hagemann der Zürcher Redaktion mit, dass der Titel "auf  absehbare Zeit bei uns bleiben" werde. Berichte über einen beabsichtigten  Verkauf des Wirtschaftsmagazins "Bilanz" bezeichnete er gegenüber der  SonntagsZeitung als "ausgemachten Quatsch".
Unter zunehmenden Druck  dagegen gerät die rentable "Basler Zeitung" (BaZ), deren Auflage seit Jahren  stagniert. Hagemann rechnet damit, dass in Form der Pendlerzeitungen "die  Basisinformation gratis wird", was sich negativ auf die BaZ-Auflage auswirken  könnte. In Panik gerät der BMG-Präsident deswegen nicht: Mit seinem gut  verankerten und rentablen Gratisblatt "Baslerstab" kann er "20 Minuten" und  "Metropol" in Schach halten. 
Hagemann: "Sind die andern  innovativ?"
Laut Branchenkennern zeichnet sich ab, dass der  Deutschschweizer Medienmarkt mit Ringier, Tamedia und NZZ nur drei grosse Player  erträgt. Die Basler Mediengruppe wollte, so Hagemann, "nie in die Top Drei  vordringen". Vielmehr will sie sich als "regionales Medienunternehmen mit  nationalem Geschäftsfeld" positionieren. Nach Umsetzung der Gegenteil-Strategie  wird die BMG an Rentabilität gewinnen, aber schon bald gegen 500 Stellen  verkauft oder abgebaut haben. Auf dieser Basis sieht Hagemann sieht "keinen  Grund, weshalb wir unsere Eigenständigkeit als regionales Medien- und  Druckunternehmen nicht behalten können".
Die Feststellung, auch die  Gegenteil-Strategie lasse keine innovativen Perspektiven erkennen, kontert der  Basler Verleger mit der Frage: "Wo ist das grosse innovative Verlagshaus in der  Schweiz?" Die Positionen in diesem beschränkten Markt seien nun einmal "in einem  gewissen Mass bezogen". Überdies sieht Hagemann durchaus Möglichkeiten, sich in  Zürich "verlagsmässig weiter zu entwickeln" - beispielsweise in einer  Verselbstständigung der Sonderhefte von "Beobachter" und "Bilanz".
                 6. Mai 2001
                
                
                
                
                
                
                
                Bremspedal auf Online-Portale
                Anfänglich war die Basler Mediengruppe mit dem Online-Geschäft ins Hintertreffen  geraten. Doch letztes Jahr setzte der Verwaltungsrat "klare Prioritäten": In den  kommenden fünf Jahren, so seine Strategie, sollen 60 Millionen Franken in die  Neuen Medien investiert werden. Dazu gehören das Infoportal BaZ Online, das  Beratungs- und Gesundheitsportal beim "Beobachter" und ein Finanz- und  Anlageportal bei der "Bilanz". Spardruck und Abflauen der E-Commerce-Euphorie  führen nun dazu, dass das strategische Online-Budget "nur sehr akkurat umgesetzt  wird" (so Matthias Hagemann). Der Kredit-Beschluss sei zwar nicht gekürzt  worden, doch würden Online-Investitionen "auf das strikte Notwendige  beschränkt". 
Beispiel "Bilanz": Acht Leute sollten im Endausbau  das Finanzportal betreuen. Einstweilen werden es vier Spezialisten bleiben. Chef  Pascal Schumacher hat gekündigt, weil es wegen der knappen Ressourcen zum  Zerwürfnis gekommen war. Wunsch des Verlags ist es, dass auch die  "Bilanz"-Redaktion die Online-Crew vermehrt mit redaktionellen Inhalten  alimentiert.
Die fünf grössten Medienhäuser der Schweiz
                   |  | Ringier | Tamedia | Edipresse | NZZ | Basler Medien-gruppe | 
  | Umsatz in Mio. Fr. | 1'019 | 823 | 730 | 632 | 530 | 
  | Reingewinn in Mio. Fr. | 50,4 | 105,4 | 40,2 | 50,3 | keine Angabe* | 
  | Mitarbeiter | 4'928 | 1'924 | 3'849 | 1995 | 225 | 
*Cashflow Basler Stammhaus: 34,8 Mio. Fr. (-9%)
Quelle: SonntagsZeitung