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                "Sicherheitsanspruch ist masslos": Kaninchen im Draize-Test
                
                
                Der Preis der Schönheit ist Tier-Schmerz
                
Tierversuche für die Kosmetik-Industrie: Ein Ende ist in weiter Ferne, Druck auf Alternativen wächst
                
                
                Von Matthias Brunner
                
                
                
                Den Wunschtraum von ewiger Schönheit weckt die Kosmetik-Industrie mit einer riesigen Flut an Produkten. Doch den Preis dafür bezahlen jährlich zehntausende Tiere, die teilweise grausamen Versuchen ausgesetzt werden. Ein Ende dieser Tierversuche ist noch lange nicht in Sicht.
                
                Tagtäglich verspricht uns die Werbung, dass wir dank allerlei Hautcrèmes,  Salben, Dragées, Lippenstiften, Wimperntusche und Gesichtspudern dem  Schönheitsideal und ewiger Jugend ein Stück näher kommen könnten. Mit Kosmetika  werden weltweit Riesenumsätze gemacht. Vergessen geht dabei leicht, dass den  Preis der Eitelkeit oft die Tiere bezahlen müssen.
EU: Bis 40'000  Tiere pro Jahr
Schätzungen von Tierschutzorganisationen zufolge  verlieren in der EU jährlich zwischen 20'000 und 40'000 Versuchstiere ihr Leben  für Kosmetikprodukte. Allein in der Schweiz wurden im Jahre 2001 fast 450'000  Säugetiere schon nur für die gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche  "verbraucht". Doch Michael Lehmann, Mediensprecher beim Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) beteuert: "Meines  Wissens werden keine Tierversuche ausschliesslich für Kosmetikzwecke  durchgeführt."
In Deutschland besteht zwar offiziell ein Verbot für  Tierversuche für Kosmetikprodukte. Doch die Krux daran: Viele Inhaltsstoffe  können auch im medizinischen Bereich verwendet werden, wofür Tierversuche  zulässig oder sogar vorgeschrieben sind.
Test-Substanzen in  Kaninchen-Augen
Die Prozeduren, welche die Tiere dabei über sich  ergehen lassen, sind teilweise grausam. Ein häufig angewandter Versuch ist der  sogenannte Draize-Test, bei dem die Wirkung auf Schleimhäute beobachtet wird.  Dabei werden Kaninchen die Testsubstanz in die Augen geträufelt und eingerieben.  Kaninchen werden deshalb für diesen Test genommen, weil sie nur wenig  Tränenflüssigkeit absondern, so dass die Substanz mindestens einen Tag lang in konzentrierter Form im Auge verbleibt. Die Folgen können  Reizungen der Bindehaut, Verätzungen oder  gar die gänzliche Zerstörung des Auges auslösen.
Beliebt sind Kaninchen  auch für Hautreizungstests. Der Teststoff wird auf eine geschorene oder  aufgeritzte Hautpartie aufgetragen. Wirkt die Substanz hautreizend, können  schmerzhafte Entzündungen oder Ekzeme auftreten. Bei beiden Tests werden die  Tiere entweder fixiert oder sie erhalten eine Halsmanschette oder einen Verband,  damit sie sich weder kratzen noch lecken können. Beim Hautallergietest wird  mindestens 20 Meerschweinchen die Prüfsubstanz unter die Haut gespritzt. Löst  die Substanz bei erneutem Kontakt eine allergische Reaktion aus, können  schmerzhafte Hautentzündungen entstehen.
Tödliche Tests mit letaler  Dosis
Ein besonders grausamer Versuch ist der sogenannte LD50-Test  (LD=letale Dosis), bei dem die Toxizität eines Stoffes ermittelt werden soll.  Meistens werden 30 und mehr Ratten oder Mäuse verwendet. Je nach Art der  Substanz wird diese den Tieren über eine Sonde durch den Schlund verabreicht  oder in die Bauhöhle, Muskeln oder Venen gespritzt. Je nach Dosis leiden die  Versuchstiere in den nächsten Tagen an Krämpfen, Lähmungen, Durchfall, Fieber  oder anderen Symptomen.
Um die Giftwirkung der getesteten Substanz zu  ermitteln, wird die Dosis so gewählt, dass die Hälfte der Versuchstiere nach  einiger Zeit daran stirbt. Obwohl nicht einmal mehr die OECD (Organisation für  wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) den LD50-Test verlangt, kommt er  immer noch zum Einsatz. Da dieser Test schon lange sehr umstritten war, wurden  mittlerweile drei entschärfte Varianten entwickelt. Bei diesen kommen wesentlich  weniger Tiere ums Leben.
EU verschleppt Tierversuchsverbot  
Seit 13 Jahren setzen sich Tierschutzorganisationen in ganz Europa  vehement für ein umfassendes Verbot für Tierversuche zu Kosmetikzwecken ein.  Zusammen mit zielverwandten Organisationen fordert der Deutsche Tierschutzbund  ein umfassendes Verbot für Tierversuche im Kosmetikbereich und den Handel mit  solchen Produkten.
Als Reaktion auf die Proteste versprach die  Europäische Kommission 1993 ein Vermarktungsverbot ab 1998 für Kosmetika  einzuführen, deren Inhaltsstoffe in Tierversuchen getestet wurden. Doch nichts  geschah. Immer wieder wurde die Inkraftsetzung der revidierten  EU-Kosmetikrichtlinie verschoben: Der Ministerrat wollte weder ein Vermarktungsverbot noch einen konkreten  Termin für ein Tierversuchsverbot für kosmetische Produkte.
Erst im  Januar dieses Jahres einigten sich das europäische Parlament und der Ministerrat  endlich auf einen – allerdings lauen – Kompromiss. Danach dürfen ab diesem Jahr  in der EU keine Tierversuche mit fertig hergestellten kosmetischen Produkten  durchgeführt werden. Doch erst ab 2009 sollen Tierversuche auch zur Erprobung  der einzelnen Inhaltsstoffe verboten werden. Dazu sind noch Ausnahmen bis 2013  oder sogar noch später zugelassen.
In der Zwischenzeit werden nochmals  etwa eine Viertelmillion Mäuse, Ratten, Kaninchen oder andere Säugetiere für das  Geschäft mit der Eitelkeit leiden und sterben, behaupten die  Tierschutzorganisationen. "Die Kosmetikbranche ist ausserordentlich mächtig und  verfügt über ein starkes Lobbying", erklärt Irène Hagmann vom Fonds für  versuchstierfreie Forschung (FFVFF). 
Es gibt  Alternativen
Dabei wären alternative Methoden zu Tierversuchen schon  längst vorhanden. So kann beispielsweise anstelle des Hautreiztests an Kaninchen  an menschlichen Hautzellen oder Zellkulturen von Hautzellen überprüft werden.  Verschiedene Varianten dieses Verfahrens sind unter der Bezeichnung Episkin-Test  oder TER-Test im Handel erhältlich. Auch die schmerzhaften Draize-Tests liessen  sich vermeiden. Beim sogenannten HET-CAM-Test wird die Schale eines bebrüteten  Hühnereies entfernt und die Testsubstanz auf die Eihaut aufgetragen. Das Testergebnis soll bei bestimmten Stoffen Rückschlüsse auf die  augenreizende Wirkung zulassen.
Auch zahlreiche Wissenschafter setzen  sich engagiert für tierversuchsfreie Tests mit Zellkulturen und  In-vitro-Verfahren ein. Gesammelt werden alle diese Ergebnisse in der Datenbank  der "Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und  Ergänzungsmethoden zum Tierversuch". In der international angesehenen  Fachzeitschrift ALTEX werden immer wieder neue Alternativtests  publiziert.
Über das Bundesinstitut für gesundheitlichen  Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in Berlin wird in Deutschland die  Entwicklung und Validierung von Methoden zum Ersatz von Tierversuchen mit  jährlich 4,5 Millionen Euro gefördert. In der Schweiz unterstützt das BVET  zusammen mit der Interpharma, einem Gemeinschaftsunternehmen der Pharmakonzerne,  die Stiftung Forschung 3R. Diese Stiftung finanziert Forschungsprojekte für  sogenannte "3R-Methoden". Die "3R" stehen für die englischen Definitionen von  vermindern, verbessern und vermeiden von  Tierversuchen.
Alternativtests erst in Entwicklung
Doch  viele Alternativtests stehen erst in der Entwicklung oder werden von der OECD,  welche die Kriterien für die Prüfung von Stoffen festlegt, noch nicht anerkannt.  Denn alternative Tests müssen in einem sogenannten Validierungsverfahren zu  gleichwertigen Resultaten führen wie im Tierversuch geprüfte Stoffe. "Es dauert rund vier bis fünf Jahre, bis ein neuer Test validiert  ist. Danach erst kann er angemeldet werden, was nochmals viel Zeit beansprucht",  seufzt Irène Hagmann.
Dies mag mit ein Grund sein, weshalb die  Kosmetikfirmen weiterhin an den "bewährten" Tierversuchen festhalten. Einen  weiteren vermutet Susi Goll vom FFVFF bei der Produktehaftung: "Die  Kosmetikhersteller fürchten sich vor allfälligen Schadenersatzklagen und wollen  deshalb verständlicherweise jedes Sicherheitsrisiko ausschliessen." Hier sieht  Goll auch eine Verantwortung bei den Konsumentinnen und Konsumenten: "Der  Sicherheitsanspruch der Leute ist einfach masslos. Doch gibt es nie eine  absolute Sicherheit."
Eitelkeits-Markt ist hart  umkämpft
Dabei sind nach Angaben des deutschen Vereins Menschen für  Tierrechte e. V. bereits heute rund 8'000 geprüfte Inhaltsstoffe für Kosmetika  bekannt und zugelassen. Doch der Eitelkeits-Markt ist hart umkämpft. So sehen  sich die Herstellerfirmen gezwungen, immer neue Duftwässerchen, Faltencrèmes und  Cellulitis-Bekämpfer für die vom Schönheitswahn befallene Kundschaft zu  entwicklen.
Dennoch gibt es einige Firmen wie  The Body Shop, die einen andern Weg gehen  und auf Tierversuche verzichten. So verwendet beispielsweise die antroposophisch  ausgerichtete Firma Weleda AG für ihre Produkte ausschliesslich natürliche  Rohstoffe und verzichtet seit je auf Tierversuche. Kürzlich wurde Weleda für ihr  Intensiv-Gesichtspflegeöl aus Wildrosen sogar für seine Qualität mit dem "Prix  Beauté" der Frauenzeitschrift Annabelle ausgezeichnet.
                21. Mai 2003
                
                
                
                
                
                
                
                Kosmetika ohne Tierversuche
                mb. Für bewusste Konsumentinnen und Konsumenten, die tierversuchsfreie  Kosmetikprodukte kaufen möchten, gibt es Empfehlungen von den  Tierschutzorganisationen.
Das Tierrechts-Signet (ein sitzendes Kaninchen  in einem Herzen) verleihen die angeschlossenen Tierschutzorganisationen der  Schweiz nur an Firmen, deren Produkte nie am Tier getestet wurden und auch deren  Rohstoffe seit 1979 tierversuchsfrei sind:
• Die Produkte der  Rentsch Handels AG: Himalaya, Risana, Athanor sowie Catherine Rentsch  Produkte
• St. Clou-Naturkosmetik von der SC Vertriebs  GmbH
• Nacos-Naturkosmetikprodukte
Ein ähnliches Label wie das Tierrechts-Signet  hat der Deutsche Tierschutzbund in Zusammenarbeit mit dem Internationalen  Herstellerverband gegen Tierversuche in der Kosmetik e. V. (IHTK) entwickelt.  Das Symbol eines Kaninchens, der von einer Hand geschützt wird, ist ein  eingetragenes Warenzeichen. In einer sogenannten Positivliste sind die  Hersteller und Vertriebsfirmen aufgeführt, welche die Richtlinien des Deutschen  Tierbundes erfüllen. 
Die Liste ist erhältlich bei:
• Deutscher Tierschutzbund e. V.
Baumschulallee 15
53115 Bonn  (Deutschland)
oder im Internet unter:
www.tierschutzbund.de/service/  
• Die Firma Weleda AG macht zwar bei beiden Labeln nicht  mit, führt jedoch auch keine Tierversuche zu Kosmetikzwecken durch. Das  antroposophisch orientierte Unternehmen setzt auch für seine Medikamente keine  Tierversuche ein.