Was die Wörter heissen und heimlich bedeuten
Der Berner Sprachforscher Christian Schmid untersucht, was wir sagen, wenn wir sprechen, und was die Wörter ausdrücken, die wir beim Sprechen verwenden.
Basel, 9. Dezember 2011
Christian Schmid ist ein Geschichtenerzähler. Seine Geschichten handeln von Worten, die wir im täglichen Sprachgebrauch benutzen, oft aber ohne uns dabei viele Gedanken zu machen. Regelmässig ist Schmid in der Sendung "Schnabelweid", die schon fast Kultstatus bekommen hat, bei Schweizer Radio DRS 1 zu hören.
Was meinen wir, wenn wir zum Beispiel jemandem "einen Bären aufbinden"? Fragen Sie Christian Schmid. Der Begriff hat nichts mit dem Tier zu tun, sondern meint, wenn man sich in der Etymologie kundig macht (was manchmal so spannend sein kann wie das Lesen eines Kriminalromans, der im wahrsten Sinn des Worts am Ende zur Aufklärung führt), dass Bär einmal soviel wie Schuld, Steuer, Last bedeutet hat. Im Unterschied dazu wollen wir heute damit ausdrücken, dass jemand etwas Unglaubwürdiges so überzeugend verbreitet, dass die Zuhörer hinter das Licht geführt werden, also darauf hereinfallen.
Erzählen heisst, mit Zahlen umzugehen
Wörter werden gebraucht, um Geschichten zu erzählen, haben aber selbst eine eigene Geschichte. Der Wortschatz ist ein Archiv, das viele oft verborgene oder vergessene Bedeutungen birgt. Sie aufzuspüren, führt dazu, dass wir verstehen, was wir sagen wollen.
Das Wort erzählen meint eigentlich eine Art, mit Zahlen umzugehen, zu zählen, aufzuzählen, eins, zwei, drei. Eine Erzählung ist also etwas sein, das eine Handlung chronologisch, eins nach dem anderen, der Reihe nach, wiedergibt. Im Englischen bedeutet to tell a tale, eine Zahl zu zählen, "wenn man es wörtlich nimmt", wie es Christian Schmid selbst macht. Sonst würde es heissen: to count.
Erzählen beziehungsweise zählen, auf Berndeutsch zelle, ist eine von 44 Wortgeschichten, auf die Christian Schmid in seinem neuesten Buch "stuune" eingeht (nach den vorausgegangenen Büchern "Durchs wilde Wortistan" und "Botzheiterefaane").
Unterhaltsam, nicht didaktisch
Einige Wörter untersucht Schmid mit Blick auf ihre Entstehung und Verbreitung, über andere wie zum Beispiel über Grenze denkt er eher philosophisch nach. Didaktisch ist er dabei nie, unterhaltsam dafür immer, weil er ja die Wörter, die er sich vornimmt, aufzählt, das heisst spielerisch in eine intelligente erzählende Form bringt.
Das Gewinnbringende des Buchs besteht darin, dass man dem Denken im Kopf beim Arbeiten zusehen kann, wenn man untersucht, was die Sprache sagen will und was sie bedeutet.
Christian Schmid: stuune. Neue Wortgeschichten. Mit Literaturangaben und nützlichen Links. 222 Seiten. Cosmos Verlag. 35 Franken.
