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                Baumgartner fristlos entlassen – Bont Interims-CEO
                
                Schlüpfrige Bilder und entsprechende SMS an Mitarbeiterinnen haben dazu geführt, dass BVB-Direktor Jürg Baumgartner heute Morgen fristlos entlassen wurde. Interims-CEO wird Infrastruktur-Chef Michael Bont.
                
                Basel, 12. Dezember 2013
                "Das ist die absolut dramatischste Entwicklung, die ich dieser Form   noch nie erlebt habe", eröffnete der designierte   BVB-Verwaltungsrats-Präsident Paul Blumenthal (Bild links) heute   Donnerstagnachmittag ein erneutes kurzfristig anberaumtes   "Mediengespräch". Den zerknitterten und teils geröteten Gesichtern von   Blumenthal, Vizepräsident Paul Rüst (Bild rechts) und Kommunikations-Chef Stephan Appenzeller war die Hektik der vergangenen Tage und Stunden anzusehen.
Schlüpfrige MMS-Bilder und SMS
Noch   am Montag hatte der Verwaltungsrat eher widerwillig beschlossen,   Baumgartner nochmals eine Chance zu geben. Doch nachdem die "Basler   Zeitung" heute Donnerstag berichtete, der BVB-Direktor habe   Mitarbeiterinnen anzügliche Fotos und SMS-Texte geschickt, "da war mehr  als die  rote Linie überschritten", wie Blumenthal sagte. Nachdem er die   kompromittierenden Bilder und Texte gesehen habe, sei er "schockiert"   gewesen: "Für so etwas fehlen mir einfach die Worte." Er sei auch   darüber schockiert gewesen, "mich in einem Menshcen derart getäuscht zu   haben". Baumgartner musste vor Mittag die Schlüssel abgeben, sein   Mail-Account wurde geschlossen.
Baumgartner wollte goldenen Fallschirm
Auf   die Nachfrage von OnlineReports, ob es sich um "Nacktbilder" gehandelt   habe, wie die SVP in einem Communiqué behauptete, präzisierte   Blumenthal, Baumgartner habe sich vor einem Spiegel mit nacktem   Oberkörper im Macho-Pose und entblösste Beine und Arme gezeigt. Die SMS  jedoch seien, so Blumenthal "eindeutig zweideutig" gewesen. Baumgartner  habe den Versand der E-Mails nicht bestritten.
Heute morgen kam  es zum fristlosen  Rausschmiss. Baumgartner habe erst noch einen  "goldenen Fallschirm zur  Bedingung gemacht". Doch darauf sei Blumenthal  nicht eingetreten worden. Noch am Abend zuvor war mit Baumgartner eine  reguläre Aufhebungsvereinbarung ausgehandelt wurden, die einen  operativen Ausstieg Ende Januar mit Freistellung vorsah und eine  ordentliche Kündigungsfrist.
"Eine menschliche Tragödie"
Der   Anwalt und Notar Paul Rüst bezeichnete das Risiko als "sehr klein",   dass die fristlose Kündigung gerichtlich nicht bestätigt würde. "Den   juristischen Kampf müssen wir vielleicht fechten, aber davor habe ich   unter diesen Randbedingungen keine Angst." Der Sachverhalt der   Belästigung sei an sich schon gravierend – erst recht aber begangen   durch einen Mann "in dieser Stellung". Blumenthal ergänzte: "Wir müssen   hier eine Unternehmung schützen und nicht irgendwelche Einzelpersonen."
Es  sei nicht Sache der BVB wegen der sexuellen Belästigung Strafanzeige  gegen Baumgartner zu erstatten, sondern allenfalls "Sache der  betroffenen Frauen". Für den entlassenen Direktor sei dies eine  "menschliche Tragödie, da fällt alles zusammen", sagte Blumenthal. Es  sei auch das Care Team aufgeboten worden.
Michael Bont Interims-CEO
Um den Betrieb weiter zu gewährleisten, setzte der Verwaltungsrat den BVB-Infrastrukturchef Michael Bont (Bild)  interimsweise als Direktor ein. Da der neu zusammengesetzte   Verwaltungsrat die Stelle erst ausschreiben müsse, könne das  Interregnum   Bonts "bis zu einem Jahr dauern". An die Politik appellierte Blumenthal: "Man soll uns jetzt einfach in Ruhe lassen. Lasst uns   unseren Job machen. Es gibt hier viel aufzuräumen."
Interregnum   Bonts "bis zu einem Jahr dauern". An die Politik appellierte Blumenthal: "Man soll uns jetzt einfach in Ruhe lassen. Lasst uns   unseren Job machen. Es gibt hier viel aufzuräumen."
Zur   Rücktritts-Forderung der SVP sagte Blumenthal: "Ich kann gar nicht   zurücktreten, denn ich bin erst designiert. Wenn ich zurücktreten  könnte,  dann erst am 1. Januar. Aber ich mache weiter."
BVB für Veröffentlichung des Untersuchungsberichts
Inzwischen  häufen sich die Forderungen, den brisanten Untersuchungsbericht der  staatlichen Finanzkontrolle, der zu den personellen Konsequenzen an der  Firmenspitze führte, zu veröffentlichen. Auf eine OnlineReports-Frage  erklärte Paul Rüst, es sei an der Finanzkontrolle, zu bestimmen, was mit  dem Bericht geschehe. Aber: "Die BVB wehren sich nicht gegen eine  Veröffentlichung." Es sei für die BVB sehr unangenehm, wenn dauernd  scheibchenweise Details aus dem Bericht ans Tageslicht kämen.
Verwaltungsrat billigte Dienstwohnung und -auto
Eines  der pikanten Details des Untersuchungsberichts ist der "Letter of  intent" als Ergänzung zu Baumgartners Anstellungsvertrag. In diesem  Dokument war dem CEO ein Dienstwagen und eine Basler Dienstwohnung  zugesichert worden – was klar gesetzswidrig ist. Unterschrieben wurde  dieses Papier von Blumental und seinem Vorgänger Martin Gudenrath.
Wie weit Regierungsrat Hans-Peter Wessels  von dieser Spezialregelung Kenntnis hatte oder sie sogar sanktionierte,  ist noch unklar. Immerhin lässt sich daraus ableiten, dass es unkorrekt  ist, das Auto- und Wohnungsprivileg Baumgartner anzulasten: Sein  Arbeitgeber hatte es ihm als "hartem Verhandler" (Blumenthal)  zugestanden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des "Letters of intent" habe  er die kantonalen Gesetze nicht gekannt, räumte der designierte  Präsident ein: "Ich ging in Treu und Glauben davon aus, dass das konform  ist."
Zusatz-Mandat für Blumenthal
Klarheit schaffte Rüst in der Frage eines weiteren Mandats  Blumenthals in seiner Funktion als BVB-Verwaltungsrat. Es habe sich vor  über drei Jahren um eine Strategie-Beratungsmandat gehandelt, für das  Blumenthal mit 20'000 Franken entschädigt wurde. Er, Rüst, habe diese  Mandatsvergabe vorgeschlagen. Aufgrund einer Nachfrage Gudenraths beim  Kanton sei das Mandat nach etwa drei Monaten "abgestellt" (Blumenthal)  worden.
Wenig wurde über die überraschende Nichtwiederwahl von Dominik Egli  durch die Basler Regierung bekannt. Scheinbar war Egli dadurch so sehr  vor den Kopf gestossen, dass er am Montag die Verwaltungsratssitzung  vorzeitig verliess. Die Nichtwiederwahl hatte keinen Zusammenhang mit  den Kritikpunkten der Finanzkontrolle, wie Rüst erklärte.
Blumenthal will kritischen Verwaltungsrat
Da der ehemalige Verwaltungsrat unter Gudenrath scheinbar schlecht informierte und Selbstreflexion offensichtlich nicht zu seinen Stärken zählte, stellte OnlineReports dem künftigen Chef die Frage, wie sehr im neuen BVB-Aufsichtsgremium Kritik erwünscht sei. Blumenthal: "Ein Verwaltungsrat, der nicht kritisch ist, ist ein schlechter Verwaltungsrat. Jede Art, sich einzubringen, wird höchst willkommen sein." 
                
                
                
                
                
                
                
                GPK prüft Fall BVB – geheim
                
Die Gschäftsprüfungskommission (GPK) des Basler Grossen Rates unter dem Vorsitz von Tobit Schäfer (SP) ist im Besitz des BVB-Schlussberichts der Finanzkontrolle. Er wurde ihr durch das Bau- und Verkehrsdepartement  unter Hans-Peter Wessels (SP) zur Verfügung gestellt. Für die Beratung des Berichts sei Geheimhaltung beschlossen, wie die GPK heute in einem Communiqué festhält. Die Kommission berichte zu gegebener Zeit über die  Ergebnisse der Beratungen und gebe Empfehlungen ab, "soweit sie von  öffentlichem Interesse sind".