© Fotos by Ruedi Suter, OnlineReports
                
                
                "Alles bleibt ein grosses Geheimnis": Forscher und Philosoph Albert Hofmann
                
                
                Der Schamane des LSD feiert Geburtstag 100
                
OnlineReports besuchte den LSD-Erfinder Albert Hofmann in seinem Heim hoch oben im Leimental
                
                
                Von Ruedi Suter
                
                
                
                Am Ende des Lebens und jeder existentiellen Frage steht das Geheimnisvolle. Dies sagt einer, der sich zeitlebens als Naturwissenschaftler und Philosoph Gedanken über das Sein gemacht hat und heute Mittwoch seinen 100. Geburtstag feiert: Albert Hofmann, der Erfinder des LSD. OnlineReports hat ihn besucht und um ein paar Ein- und Aussichten gebeten.
                
                Wie lange braucht ein Hundertjähriger, um die Türe seiner weitläufigen  Flachdach-Villa zu erreichen und die wuchtige Türe zu öffnen? Die Sekunden  schleppen sich dahin. Ob der Greis die Glocke überhaupt gehört hat? Die Fragen  drängen sich unwillkürlich auf, obwohl uns versichert worden war, dass der  Hundertjährige noch "sagenhaft" in Form sei. Doch in unserer Lebenserfahrung  fehlt eine Begegnung dieser Art, und so bewegen sich unsere Gedanken in den  gängigen Vorstellungen über hohes Alter. 
Nachher, beim vereinbarten  Gespräch über sein unglaublich langes Leben, wird da der Methusalem von Burg  noch präsent genug sein? Oder umgekehrt: Wird er uns, die mit etwas mehr als  einem halben Jahrhundert auf dem Buckel sozusagen noch feucht hinter den Ohren  sind, in seiner Abgeklärtheit überhaupt noch etwas Anregendes mitteilen wollen?  
Es ist der 5. Januar 2006, 14.30 Uhr. Ein Wintertag, dessen Sonne das  weite Leimental in milchigem Glanz erscheinen lässt. Nach Burg waren wir  gefahren, das steile Baselbieter Dorf hoch, unter dem Schloss Burg vorbei, in  dem einst die Herren von Wessenberg ihr vergleichsweise kurzes Leben führten,  weiter hoch, in den Wald hinein, und dann noch weiter hoch, bis zum Waldrand und  dem Augenblick, wo wir meinten, uns nun endgültig verfahren zu haben. Doch dann  tauchte rechterhand die Villa auf, frei stehend, lediglich flankiert von Wäldern  und Hangwiesen, im Rücken der steil ansteigende Blauen und vorne hinaus die  Grenzenlosigkeit des Himmels über dem französisch-schweizerischen Leimental.  
Das hier ist also das letzte Zuhause dieses am 11. Januar 1906 im  aargauischen Baden geborenen und mit drei Geschwistern in bescheidenen  Verhältnissen aufgewachsenen Herrn und seiner um sieben Jahre jüngeren Gattin.  Gestern noch wurden hier die Kollegen der "New York Times" empfangen, heute  haben wir die seltene Ehre. 
Die Türe wird aufgezogen, sehr viel rascher  als wir uns dies eingebildet hatten. Vor uns steht Dr. h.c. mult. Albert  Hofmann, mehrfacher Ehrendoktor, Naturwissenschaftler und Naturphilosoph,  vielfacher Urgrossvater und in sechs Tagen zum hundertsten Mal Geburtstagskind.  Grösser haben wir uns ihn vorgestellt, stattlicher auch. Eher so, wie er damals,  1971 bei seiner Pensionierung, oder auf früheren Fotos aussah. Aber das Alter  ist unerbittlich, es lässt jeden schrumpfen und schwächeln, dagegen ist kein  Kraut gewachsen. Und dennoch: Seine Ausstrahlung und die Stimme wirken alterslos  stark. 
Albert Hofmann reicht die Hand, knochig und mit festem Griff.  Dann bittet er höflich herein. Der Hausherr geht voraus, stützt sich kaum  merkbar auf seinen Stock, und heisst uns im geräumigen Salon auf dem Sofa beim  Fenster mit dem Blick über das Tal Platz zu nehmen. Auf dem Salontisch erfreut  ein prächtiger Blumenstrauss. Albert Hofmann lässt sich behutsam auf einem  schilfgrünen Samtfauteuil nieder und bittet gleich um  Entschuldigung.
"Also, das hat wahrscheinlich
der liebe Gott so gewollt."
Meine Frau ist krank, wir haben nur eine Stunde Zeit zum Reden,  sagt er bedauernd. Anita habe mit ihrer nicht mehr operierbaren Fraktur zu  starke Schmerzen, um noch Besuch empfangen zu können: 
Jetzt  ist sie 93 Jahre alt, und sie kann nichts mehr anderes machen, als die Schmerzen  zu bekämpfen. Sie muss Tabletten nehmen, doch diese rauben ihr den Appetit – ein  Teufelskreis. Wir sind jetzt seit 72 Jahren verheiratet. Lacht. Und wir  haben Urenkel. Es ist wunderbar, so lange zusammen sein zu können. Aber jetzt  erleben wir diese Tragödie mit den Schmerzen.
Wir danken ihm, dass er  sich dennoch für uns Zeit nimmt und erklären ihm kurz das Wesen eines  Internetportals. Aufmerksam hört er zu, nickt und erklärt, er arbeite li eber ohne Computer. Dann stellen wir dem Mann, der im Mutterkorn das  bewusstseinserweiternde LSD entdeckt hat, die erste Frage: Herr Dr. Hofmann,  warum leben Sie eigentlich noch?
eber ohne Computer. Dann stellen wir dem Mann, der im Mutterkorn das  bewusstseinserweiternde LSD entdeckt hat, die erste Frage: Herr Dr. Hofmann,  warum leben Sie eigentlich noch?
Also, das hat wahrscheinlich  der liebe Gott so gewollt. Lächelt. Nein, ich habe eigentlich immer  gemeint, ich werde nicht alt. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meiner  Mutter. Ich half ihr als Bub beim Geschirrtrocknen. Plötzlich sagte ich zu ihr:  Mamme, ich werde nur 35 Jahre alt. Sie erschrak und fragte mich: Was sagst Du  da, Bub? Ich antwortete: Weil die Leute mit 35 nicht mehr schön sind!  Albert Hofmann lacht; es ist ein fröhliches Lachen.  
Schön, das war für mich immer ein wichtiges Wort. Und es ist  ja auch so: Ältere Leute sind nicht mehr so schön – da bin ich jetzt auch ein  Beweis dafür. Aber der Begriff Schönheit hat immer mein Leben geprägt. Etwas  Böses kann nicht schön sein. Nur etwas Gutes kann schön sein.
Sie  sagten, vielleicht hätten Sie dem lieben Gott ihr hohes Alter zu verdanken. Was  genau steht denn über unserem Leben?
Über dem Leben steht der  Schöpfer des Lebens. Ich glaube, und ich muss dies auch als Naturwissenschaftler  sagen: Das Leben kann kein Zufall sein. Es ist überall ein Plan drin. In jedem  Samen, in jeder Blume. Also muss ein Planer da sein, muss ein Schöpfer da sein,  den wir uns nicht wirklich vorstellen können. Es ist eine Macht da, die hinter  dem Schöpferischen steht – immer.
 
"... da müsste jeder Naturwissenschafter
zum Mystiker werden."
Ich glaube an die geheimnisvolle schöpferische Kraft, die hinter  unserem Dasein und dem Universum steht. Der Begriff Gott ist mir zu persönlich.  Ich sage lieber: Gott spricht durch seine Schöpfung. Da kommt wieder die  Schönheit, die Perfektion der Schönheit. Wenn wir als Naturwissenschaftler  sehen, was hinter dem Wunder der Schöpfung steht, nun, da müsste jeder  Naturwissenschaftler zum Mystiker werden. 
Man meint ja immer, die  Naturwissenschaft sei etwas, das entzaubert. Wenn man aber tiefer geht, wirds  immer wunderbarer. Wenn ich sehe und weiss, wie alles aufgebaut ist, wie unsere  Wahrnehmung funktioniert, wie unser Bewusstsein zustande kommt, dann ist das  alles so wunderbar planmässig und raffiniert aufgebaut, dass man nur noch  staunen kann. Das sind nicht einfach Worte. Das sind Fakten!  Fakten!
Bei den Religionen geht es um Worte und Begriffe. Die  interessieren mich nicht. Wir sind offen für das, was da ist. Wir sehen den  Sinn, die Schönheit, die Vollkommenheit – alles kein Zufall. Wir sind reichlich  beschenkt. Wir hätten eine wunderbare Welt, wir hätten ein Paradies, wenn wir  wenigstens dies erkennen würden, was wir haben. 
Wir wissen alles,  wir hätten die Mittel, dieses Paradies zu erhalten, aber wir sind von einer  unglaublichen Kurzsichtigkeit und Unverständlichkeit und merken nicht, was wir  anrichten. Wir arbeiten an der Zerstörung des Paradieses. Die Grosstädte werden  immer grösser und die Menschen wissen überhaupt nicht mehr, was Natur ist. Sie  meinen, alles sei von Menschenhand gemacht, und für sie gilt auch nur das, was  der Mensch macht. Dabei verschwindet immer mehr die Gelegenheit, in der Natur  und von der Natur zu leben.
 
"Wir sind von einer unglaublichen Kurzsichtigkeit."
Es kann nicht alles Urwald sein, ich mache mir da keine  Illusionen. Aber wir hätten so viele Mittel gehabt – und haben sie vielleicht  immer noch, um dieses Paradies zu erhalten. Wenn wir wissen, wie die  Photosynthese funktioniert, wie wir von einem Gräschen abhängig sind. Nur grüne  Pflänzchen haben den Kontakt mit dem Sonnenlicht, und grüne Pflanzen machen  unsere Nahrung. Schon das ist unglaublich. Und wenn man erst noch weiss, wie  alles aufgebaut ist! 
Sehen Sie diese rote Rose hier? Als Chemiker  wissen wir, wie der rote Farbstoff entsteht. Ich habe in Zürich bei Professor  Paul Karrer studiert. Er hat den Nobelpreis für die Erforschung der Chemie der  Blütenfarbstoffe erhalten. Da sieht man, was chemisch alles passieren muss, bis  so eine Rose entsteht – es ist einfach wundervoll! Wie der Sternenhimmel, wie  die Jahreszeiten und alle diese anderen wunderbaren  Erscheinungen.
Jetzt wirkt Albert Hofmann um Jahrzehnte jünger. Seine  Augen blitzen unter den dichten Augenbrauen, sein Körper ist in Bewegung, seine  Hände untermalen mit weiten Gesten das Gesprochene. Der lebende Beweis dafür,  dass man auch im höchsten Alter noch jung sein kann. Wie fühlt man sich aber als  ein Mensch, der niemand älteren mehr um sich weiss?
Mir fehlen  meine Zeitgenossen, meine Freunde, die ungefähr gleich alt sind wie ich. Ich  denke mir dann: Du bist ein alter Esel! Aber meistens vergesse ich mein Alter,  ich denke gar nicht daran. Die Natur ist immer noch die Gleiche wie damals, als  ich Bub war und Freude an ihr hatte. 
Sind sie immer noch ein  Suchender?
Hm, nein – ein Schauender.
Und schauend  entdecken Sie immer wieder Neues?
Ja, eigentlich werden die  Tiefe und die Liebe immer grösser. Und entsprechend wachsen auch meine Sorgen  und meine Ängste. Wenn ich sehe, was da alles passiert und wie die ganze Natur  zerstört wird. Die Erde kann man nicht in die Luft jagen, aber mit den  vorhandenen Waffen kann man das höhere Leben auslöschen. 
Aber hat man  denn mit 100 keine Fragen mehr? Braucht man keine Antworten mehr?  
Ich brauche keine Antworten mehr. Ich sehe nur die Schöpfung,  und die ist vollkommen. Ich sehe nur ... Ja, doch, es gibt noch offene Fragen:  Wie ist es möglich, dass so Politik betrieben wird, wie es die USA gerade  machen? Wie ist das möglich? Das ist für mich ein Rätsel. Dass es so etwas noch  gibt! Nicht nur in Amerika - wie ist diese Art von Politik noch möglich in  dieser Welt?! Gezeugt von einer geistigen Blindheit, die erschreckend ist.
 
"Sinn der Globalisierung
wäre die Verhinderung des Atomkriegs."
Albert Hofmann stützt den rechten Ellbogen auf die Armlehne des  Sessels, seine Hand legt sich vor den Mund, bekümmert senkt er seinen Blick auf  den Boden. Wir schweigen. Dann die Frage: Sind wir alles Wahnsinnige? Hofmann  denkt nach, erklärt schliesslich:
Jetzt sieht es so aus, dass  das eintritt, was der Einstein in seinen letzten Vorträgen befürchtet. Ich habe  sie auf einer CD. Da sagt er: Wenn jetzt nicht bald ein funktionierender  Völkerbund gegründet wird und wenn die Atombomben ausserhalb der USA und  Sowjetunion als Machtmittel von weiteren Staaten erworben werden, dann wehe der  Menschheit. Weil die Erde nach einem atomaren Schlag unbewohnbar wird, für die  Menschen und für jedes Leben. Das werde geschehen, wenn die Verbreitung der  Atomwaffen nicht gestoppt wird. Genau das, was Einstein befürchtet hatte, ist  heute eingetreten. Genau das. 
Darum sehe ich im Grunde genommen  schwarz. Ich mag nicht daran denken, und ich schaue lieber in die Natur. Heute  wollen alle die Atombombe haben, und wenn diese eingesetzt wird, geht alles  kaputt. Alles! Das ist die grosse Gefahr. Was hat denn da die Globalisierung  noch für einen Sinn? Sie wäre mit ihren Möglichkeiten die Grundlage, um  vernünftig zu regieren. Wir hätten die Möglichkeit. Aber man macht nichts. Dabei  wäre dies in meinen Augen der Sinn der Globalisierung – die Verhinderung eines  Atomkriegs.
Dass wir über Atomkriege sprechen würden, haben wir nicht  erwartet. "Tritinty" kommt uns in den Sinn, die erste gezündete Atombombe der  Menschheit. Sie wurde von den USA und selbst auf Bitte Albert Einsteins in New  Mexico getestet, um gegen Nazi-Deutschland den Krieg zu gewinnen. Das war zwei  Jahre nach der Entdeckung der psychoaktiven LSD-Wirkung durch Albert Hofmann.  Und 39 Jahre nach seiner Geburt in der Kleinstadt Baden. 
Der Junge war  hoch begabt, lernte rasch, half nach der Erkrankung seines Vaters, einem  Werkzeugmacher, der Familie über die Runden, absolvierte mit Bravour eine  kaufmännische Lehre, legte dank seinem Taufpaten, der ihm eine Privatschule  zahlte, in Rekordzeit die Eidgenössische Matura ab und nahm mit zwanzig in  Zürich das Chemiestudium auf. Erinnerungen an die  Kindheit?
Als Kind habe ich noch wie vor 2'000 Jahren gelebt.  Zuerst lebten wir ausserhalb Badens.  Auf der  Strasse waren Fuhrwerke und Rosse. Und der Bauer vis-à-vis hat noch alles von  Hand gemacht. Daneben war ein Hufschmied, wo die Rosse beschlagen und Wagenräder  aufgespannt worden sind. Das Einzige, was neu war: Man hörte in einem Haus  Stimmen von jemandem, der nicht hier war. Das war der Anfang der Telefonie.
Auf der  Strasse waren Fuhrwerke und Rosse. Und der Bauer vis-à-vis hat noch alles von  Hand gemacht. Daneben war ein Hufschmied, wo die Rosse beschlagen und Wagenräder  aufgespannt worden sind. Das Einzige, was neu war: Man hörte in einem Haus  Stimmen von jemandem, der nicht hier war. Das war der Anfang der Telefonie.  
Telefone gehören zu meinen wunderbarsten Erinnerungen. Und dann  hatte es als Neuigkeit auch noch Gaslaternen, die man noch von Hand anzündete.  Später wurde Vater lungenkrank, Schwindsucht, die noch nicht als Krankheit galt.  Wir mussten in die Nähe seines Arbeitsplatzes umziehen, hinunter ins Badener  Industriequartier zur Brown-Boveri.
Industriequartiere haben ihn nie  so geprägt wie die Natur, aber auch sie haben sein Leben massgebend bestimmt.  Denn anfangs der dreissiger Jahre trat Hofmann nach seinem mit Bestnoten  abgeschlossenen Studium in Basel bei der Sandoz AG (heute Novartis) seine  Lebensstelle an: Als Naturstoffchemiker in den pharmazeutischen Laboratorien,  die er später auch leitete. Mit Erfolg, bescherte er doch seiner Firma etliche  erfolgreiche Arzneimittel. Bei der Sandoz befasste er sich auf der Suche nach  Kreislauf anregenden Substanzen mit dem Getreidepilz Mutterkorn. Dabei erfand er  1938 das LSD und entdeckte am 19. April 1943 dessen halluzinogene Wirkung.  
Die psychoaktive Droge machte ihn weltbekannt und zum Autor von Büchern  über LSD, Naturwissenschaft und mystische Erfahrungen. Über das LSD, so hatte  man uns vorgewarnt, sollten wir ihn besser nichts fragen. Er sei des Themas  überdrüssig und verweise umgehend auf seine Bücher. Also fragen wir andersherum.  Herr Hofmann, gibt es in ihrem langen Leben (um die 36'500 Tage, so hatten wir  überschlagen) Ereignisse, die Sie als besonders wichtig einstufen würden? Der  Betagte denkt lange nach.
"... bis zum Geheimnisvollen – und weiter
kommt man nicht."
Also, ganz wichtig ist, dass ich mich entschloss,  Naturwissenschaften zu studieren. Das glaubte mir zuerst niemand. Man dachte,  ich würde Geisteswissenschaften studieren. Alle meine ehemaligen Lehrer sagten:  Ausgerechnet der will jetzt Chemie studieren! Die hatten eben eine falsche  Vorstellung von der Chemie! Chemie verpestet die Luft, macht alles kaputt und  ist unnatürlich, hiess es damals. Ich habe die Chemie viel positiver empfunden.  Bei den anderen Wissenschaften gibt es Meinung gegen Meinung. Naturwissenschaft  ist aber die absolute, die endgültige Wahrheit. Bis zum Geheimnisvollen – und  weiter kommt man nicht. 
Und das soll einfach akzeptiert werden?  
Das muss man akzeptieren! Einstein sagte: Das Schönste und  das Tiefste, was ein Mensch im Leben erfahren kann, ist das Gefühl des  Geheimnisvollen. Genauso ist es. Auch wenn wir wahnsinnig viel wissen und sehr  tief gehen – am Schluss stossen wir immer auf das Geheimnisvolle: Auf das  Schönste und Tiefste, wie Einstein sagt. Zuerst spricht er von der Schönheit,  dann erst von der Tiefe! So ist es auch für mich. Weiter kommt man  nicht.
Was war sonst noch besonders wichtig in Ihrem  Leben?
Einige Lehrer, die Verständnis hatten. Entscheidend war  auch, dass ich zur Sandoz kam. Sie hatte das richtige Programm für die  Isolierung der Wirkstoffe bewährter Arzneipflanzen. Ich hätte bedeutend bessere  Angebote gehabt. Doch das Forschungsprogramm von Sandoz hat mich überzeugt. Und  schliesslich ging mein grosser Jugendtraum in Erfüllung, mich im Alter irgendwo  in den Jura zurückziehen zu können. Hier, auf der "Rittimatte", habe ich mein  Kinderparadies – den Bauernhof und die Natur bei Baden – wieder gefunden. Das  ist mein Ganzheitserlebnis, das man auch ohne LSD haben kann. Eine mysteriöse  Sache, dass wir den Platz hier an der Grenze zu Frankreich fanden. Mysteriös!  Lacht. Dieser Ort ist die Erfüllung meines Lebenstraums – ein  Paradies.
LSD. Erleichtert nehmen wir zur Kenntnis, dass unser  Gastgeber von selbst auf seine Entdeckung zu sprechen kam. Jetzt können wir ihn,  der uns mit seiner ruhigen Bestimmtheit immer mehr an einen indianischen  Schamanen erinnert, um seine Einschätzung bitten. Und hatte er sich nicht auch  mit der von den Indianern für heilige Rituale verwendeten Pilzdroge Psilocybin  befasst? Ohne Umschweife beginnt Albert Hofmann zu erklären:
"Nur wer vorbereitet ist,
nur dem begegnen die Götter."
 
LSD gehört zu den sakralen Drogen. Als ich die psilocinhaltigen  Pilze aus Mexiko untersuchte, fand ich die Strukturen des LSD. In den Pilzen  sind also die gleichen Grundstrukturen. Diese Drogen sind darum sakral, weil sie  das Bewusstsein verändern. Bei den Tiertests fand man nichts dergleichen. Ich  wusste von meinen Erfahrungen mit LSD, dass man die Droge nur am Menschen testen  konnte. Was verändert wird, ist das Bewusstsein. Das ist das grosse Geheimnis.  Das kann man aber nicht erklären, weil nur das Bewusstsein da ist, um über das  Bewusstsein nachzudenken. Man kann wohl beschreiben, was man macht, aber im  Grunde bleibt alles ein grosses Geheimnis. 
Was wünschen Sie dem LSD  für eine Zukunft? 
Ha, dass es wieder den Status erhält wie  vor tausend Jahren – den einer sakralen Droge. Sie konnte nur in der Hand der  Schamanen sein. LSD ist eigentlich nur ein Hilfsmittel. Es ist ein Naturstoff.  Natur gibt uns Nahrung und die Heilmittel gegen die psychischen Störungen – und  dann eben die Stoffe aus der Pflanzenwelt, die das Bewusstsein  verändern.
In Mexiko, wo ich in den fünfziger Jahren mit meiner  Frau bei den Schamanen war, wurde uns erklärt: Wenn man den Pilz ohne  Vorbereitung, also ohne Fasten und  Beten und  ohne harmonische Umgebung braucht, dann macht der Pilz wahnsinnig oder er tötet.  Nur wer entsprechend vorbereitet ist, nur dem begegnen die Götter.
Beten und  ohne harmonische Umgebung braucht, dann macht der Pilz wahnsinnig oder er tötet.  Nur wer entsprechend vorbereitet ist, nur dem begegnen die Götter.  
Was müssen wir heute tun, um den Göttern zu begegnen und den  nachkommenden Generationen ein Leben in Würde zu sichern?
Sie  müssten so viel tun – das alles kann ich gar nicht aufzählen. Jedenfalls müssten  die technische Entwicklung genutzt und so modifiziert werden, dass sie dem  Menschen dient und sein Wohl und sein Glück verstärkt. Die Technik hat am Anfang  den Menschen das Leben erleichtert, dann wurde sie vor allem zum Geldmachen  eingesetzt. Hier braucht es eine Bewusstseinsveränderung. 
Zuerst  müsste mal die Natur geschützt werden, sonst kommt es zur physischen  Katastrophe. Wir brauchen ein Bewusstsein, das uns zeigt, was wichtig ist und  was nicht wichtig ist. Wichtig ist, dass wir korrigieren und wieder in Harmonie  mit der Schöpfung leben. So, jetzt sind wir aber fertig.
Bitte, noch  eine Frage: Wenn Sie uns und diese Welt verlassen, wohin reisen sie?  
Dorthin, wo ich herkam.
Und woher kamen sie  her?
Das weiss ich nicht. Das ist eben das Geheimnis – das  Schönste und Tiefste. Mehr weiss ich nicht. Lacht vergnügt. Wir müssen  die Schöpfung verstehen und dankbar dafür sein. Mehr müssen wir nicht  zergliedern. Darum sage ich ja: Die Naturwissenschaftler müssten alle Mystiker  sein. Das Sein ist kein Zufall! Es ist ein Wunder, ein Geschenk –  Schluss!
 
Vom 13. bis zum 15. Januar findet im  Kongresszentrum Basel zum 100. Geburtstag von Albert Hofmann das Internationale  Symposium "LSD – Sorgenkind und Wunderdroge" statt: www.LSD.info
                11. Januar 2006